Tourismus in der Region
Kommt jetzt eine Gästekarte für das Allgäu und Oberschwaben?
Region / Lesedauer: 6 min

Christian Reichl
Gästekarten sind in Urlaubsregionen nicht mehr wegzudenken: Mit ihnen können Übernachtungsgäste und Tagestouristen etwa den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei nutzen und erhalten freien oder vergünstigten Eintritt zu Freizeitaktivitäten. Die Oberschwaben-Tourismus GmbH (OTG) hat auf dem diesjährigen Tourismusforum im Kulturhaus Schloss Großlaupheim Pläne zur Einführung einer „Gästekarte Allgäu-Oberschwaben“ vorgestellt.
Dadurch zieht die OTG mit Regionen wie Bodensee („Echt-Bodensee-Card“), Schwäbischer Alb („Alb-Card“) und bayerischem Allgäu („Allgäu-Walser-Card“) gleich. Die OTG erhofft sich, durch die Gästekarte die touristische Entwicklung anzukurbeln und den hiesigen Wirtschaftsstandort zu stärken. Mit einer Einführung ist aber frühestens Anfang 2025 zu rechnen.
Pläne für eine Gästekarte auf Tourismusforum vorgestellt
Aufbauend auf den Tourismus-Masterplan, den die OTG für den Bereich Oberschwaben-Allgäu im vergangenen Jahr angepasst und bis 2027 fortgeschrieben hat, wurden die Pläne für eine Gästekarte vorgestellt.
Die touristische Interessenvertretung, deren Gesellschafter die drei Landkreise Biberach, Ravensburg, Sigmaringen sowie 65 Städte und Gemeinden und der Zweckverband Tourismus Württembergisches Allgäu sind, will am großen Rad drehen. „Wir hoffen, dass uns das in der Fläche gelingt“, zeigte sich Jürgen Kniep, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der OTG, in seiner Begrüßung optimistisch.
Matthias WendorfEine Gästekarte ist ein dickes Brett, das es zu bohren gilt.
„Es geht nicht nur um den Tourismus, sondern auch um den Standort Oberschwaben“, sagte OTG-Geschäftsführerin Petra Misch. Bei den Plänen für eine Gästekarte müssten auch die Einheimischen in den Blick genommen werden, die zu großen Teilen ihre Freizeit in der Region verbringen. Erhebungen zufolge werden Ausflugsziele zu rund einem Viertel von Übernachtungsgästen genutzt. „Der Rest sind Tagesausflügler, die die eigene Region zu wertschätzen wissen, in der wir die Tourismusinfrastruktur geschaffen haben.“ Oberschwaben sei wirtschaftlich stark, der Tourismus stehe deshalb nicht so stark im Fokus wie im Allgäu oder am Bodensee.
Gästekarte soll kostenfreie Freizeitangebote beinhalten
Anschließend präsentierte Matthias Wendorf, Geschäftsführer der WIIF GmbH, die bereits die Entwicklung mehrerer Gästekarten für andere Regionen umgesetzt hat, eine Vision auf Basis des OTG-Masterplans. „Eine Gästekarte ist ein dickes Brett, das es zu bohren gilt“, sagte er. Wendorf präsentierte das Erfolgsrezept etablierter Gästekarten, etwa der „Alb-Card“, „Schwarzwald-Plus“ und „Allgäu-Walser-Card“. „Die Gästekarte ist ein touristisches Produkt und unterstützt die Destination“, fuhr er fort. Mit der Gästekarte wolle man Zielsetzungen aus dem Masterplan verwirklichen.
„Wir wollen das, was uns als Oberschwaben ausmacht, nach außen transportieren.“ Das Ziel müsse sein, dass die Nutzer der Gästekarte touristische Leistungen frei nutzen können. „Wo immer möglich, wollen wir das Angebot kostenfrei machen. Der Gast nutzt die Karte als Schlüssel zur Destination.“ Die Karte müsse dafür zunächst bequem zum Gast kommen. „Der Gast erhält beim Check-in die Gästekarte als Geschenk des Gastgebers“, schilderte Wendorf. Wenig Erfolg versprächen Kaufkarten, diese würden zwar in Metropolregionen angenommen, in Flächendestinationen stelle sich deren Finanzierung allerdings schwierig dar.
Gastgeber sollen Gästekarte durch Umlage finanzieren
Das Modell setzt auf ein Entgegenkommen sowohl von den Gastgebern als auch den Freizeiteinrichtungen. Für die Finanzierung der Gästekarte bezahlen Hoteliers respektive Vermieter von Ferienunterkünften pro Gast und Übernachtung eine Umlage an die OTG, die zwischen rund 4,5 und 5 Euro betragen könnte. „Die Umlage wird eingepreist in den Übernachtungspreis“, ergänzte Wendorf. Abgerechnet werden sollen die Kosten über die gewöhnlichen Hotelreservierungssysteme.
Die Leistungspartner auf der anderen Seite bieten ihre Angebote zu einem reduzierten Preis an. Für die technische Infrastruktur wie Kartenlesegeräte kommt die OTG auf. Denkbar ist laut Wendorf auch die Finanzierung von Marketinginstrumenten. Im Falle der Gästekarte „Schwarzwald-Plus“ konnte aus dem eigenen Budget eine professionelle Fotografin und Texterin engagiert werden. Dies steigere die Qualität der Produkte.
Der Clou an der Sache: Dadurch, dass die Karte die Hürden für die Nutzung touristischer Leistungen senke, werde die Region für Gäste attraktiver, wodurch sich auch die Wertschöpfung innerhalb deren Grenzen erhöhe. „Starke Gästekarten sind buchungsentscheidend“, betonte Misch. Außerdem zeigten die Erfahrungen mit erfolgreichen Gästekarten noch einen weiteren Effekt: „Jeder hat sein Tagesbudget. Wenn der Schwabe aber das Gefühl hat, den ganzen Tag nichts ausgegeben zu haben, dann ist er am Abend spendabler und gönnt sich mal eine Massage oder das bekannte Fläschchen Rotwein.“
ÖPNV als wichtiger Bestandteil einer Gästekarte
Für Oberschwaben sei der öffentliche Nahverkehr als weiteres wichtiges Thema von der OTG identifiziert worden. „Wir wollen auch die Mobilität in die Gästekarte integrieren“, so Wendorf. Das bedeutet freie Fahrt mit Bus und Bahn. Dafür müssten im konkreten Fall drei Verkehrsverbünde unter einen Hut gebracht werden. Zum Vergleich: „Bei der ,Alb-Card’ waren es sieben Verkehrsbünde“, so Wendorf. Das ÖPNV-Modell soll in seiner Finanzierung flexibel bleiben. Denkbar sei laut Misch, dass die Kosten für den ÖPNV als Komplettpaket mit den touristischen Leistungen über den Gastgeber abgerechnet werden oder die Kommunen den Beitrag in ihre Kurtaxe integrieren.
Petra MischWir wollen Leistungspartner akquirieren und, wenn wir ein schönes Bündel haben, auf die Gastgeber zugehen.
Zum kostenlosen ÖPNV-Angebot ließ Misch durchblicken, dass dieses auch Tagesausflüge in andere Regionen umfassen müsse. „Wir können nicht sämtliche Bodo-Buslinien entlang des Sees integrieren, aber Tagesausflüge an den Bodensee müssen möglich sein.“ Einzelne touristische Angebote sollen aus anderen Destinationen in das Angebot aufgenommen werden. Eine digitale Version der Gästekarte, die direkt nach der Buchung auf dem Smartphone abrufbar sein soll, würde bereits eine kostenlose Anfahrt mit den Öffentlichen ermöglichen.
Entscheidung für Gästekarte noch nicht endgültig
Eine weitere Erfolgszutat der etablierten Gästekarten seien Erlebnisse, die einmalig die Region präsentierten. Erfolgreiche Beispiele seien ein Kochkurs für Käsespätzle oder ein Backkurs für Schwarzwälder Kirschtorte, betonte Wendorf. „Nichts ist so typisch für Oberschwaben wie die Seele als Gebäck“, ergänzte Misch. Hierfür wolle die OTG auf heimische Bäcker zugehen.
Noch ist die Entscheidung für oder gegen eine Gästekarte nicht gefallen. Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie will die OTG Gesellschaftern und Aufsichtsräten Anfang 2024 ihr Konzept und einen Businessplan präsentieren. Anschließend sollen die Sondierungsgespräche beginnen. „Wir wollen Leistungspartner akquirieren und, wenn wir ein schönes Bündel haben, auf die Gastgeber zugehen“, sagte Misch.
Erste Gespräche mit Anbietern von Leistungen und Hoteliers seien bereits positiv geführt worden. Insgesamt hofft die Geschäftsführerin in einem ersten Schritt rund 100 verschiedene Leistungspartner für die Gästekarte gewinnen zu können. Wenn alles nach Plan läuft, könnte die Gästekarte im Laufe von 2025 erstmals erhältlich sein. In einem weiteren Schritt soll dann eine Karte für Einheimische ohne ÖPNV-Angebot entwickelt werden, die gegen eine Gebühr erhältlich sein soll.