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Eigenkapital

„Das ist ab heute der Carl-Laemmle-Nobelpreis“

Laupheim / Lesedauer: 6 min

Regina Ziegler bekommt den Produzentenpreis verliehen und ist sichtlich stolz darauf
Veröffentlicht:19.03.2018, 00:06

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Hochkarätige Auszeichnungen hat sie viele bekommen, doch selbst eine erfolgsverwöhnte Frau wie Regina Ziegler kann sich noch unbändig freuen – wie damals, als sie mit 60 D-Mark Eigenkapital den Sprung in die Selbstständigkeit wagte und die Karriere Fahrt aufnahm. Strahlend steht die Carl-Laemmle-Produzentenpreisträgerin 2018 am Freitag auf der Kulturhausbühne, die Augen glänzen feucht, und streckt die Trophäe aus weißem Ton dem frenetisch klatschenden Publikum entgegen. „Die geb’ ich nicht mehr her“, sagt sie und spricht zum wiederholten Mal in diesen Tagen vom „ Nobelpreis für die Filmproduzenten“ – Worte, die erkennen lassen, wie viel ihr diese Würdigung ihres bisherigen Lebenswerks bedeutet.

„Mit unserer eigenen Kohle“

Heiter und gelöst hat der Abend gegen halb sechs mit einem Empfang im „Schlosscafé“ begonnen. Regina Ziegler – rotes Haar, rote Lippen, lange weinrote Jacke – trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Laupheim ein. „Ich mach’ das zum ersten Mal. Kann ich ’ne Anleitung bekommen?“, flachst die Berlinerin, flirtet ein wenig mit den auf sie gerichteten Kameralinsen und bekennt, sie sei überwältigt von der Herzlichkeit, die ihr in Oberschwaben zuteil werde – „das ist wie nach Hause kommen“.

Den mit 40 000 Euro dotierten Produzentenpreis, initiiert von der Allianz deutscher Film- und Fernsehproduzenten und der Stadt Laupheim, sehe sie als großartige Anerkennung für ihren Berufsstand, sagt Ziegler. „Er geht nicht an Schauspieler, Regisseure oder Autoren, sondern an die, die Verantwortung dafür tragen, dass Filme überhaupt entstehen. Wir gehen dafür ins Risiko, und wir blechen auch mit unserer eigenen Kohle, wenn ich das mal so unverblümt sagen darf.“

Für sie sei dies „der Carl-Laemmle-Nobelpreis für Filmproduzenten“, bekennt die 74-Jährige lachend. „So heißt der ab heute.“ Christoph Palmer, Geschäftsführer der Produzentenallianz, ist beglückt: „Ich finde, das könnte sich einbürgern als Begrifflichkeit.“

18.55 Uhr: Im Kulturhaus steigt die Spannung, die Pressefotografen gehen in Position. Für jeden ist in der ersten Reihe am roten Teppich ein kaum 30 Zentimeter breiter Arbeitsplatz reserviert. Derweil sitzt die Hauptperson des Abends im oberen Foyer entspannt in einem Sessel. Regina Ziegler gönnt sich ein Gläschen Sekt und redet leutselig mit jedem, der sich zu ihr gesellt.

19 Uhr: Im Schlosshof fahren Limousinen vor, denen Leinwandstars wie Gudrun Landgrebe, Veronica Ferres, Sabine Postel, Anna Thalbach, Günter Lamprecht und die TV-Köchin Sarah Wiener entsteigen. Im Blitzlichtgewitter schreiten sie über den roten Teppich, posieren vor der Fotowand mit den Namen der Sponsoren und einer Litfasssäule mit Filmplakaten. Auch lokale und regionale Prominenz aus Politik und Wirtschaft und einige Laupheimer, die Eintrittskarten gewonnen haben, sonnen sich im Rampenlicht. 16 Gäste aus Schelklingen-Gundershofen, Verwandte von Regina Zieglers verstorbenem Mann, dem Regisseur Wolf Gremm, versammeln sich zum Gruppenbild mit der Preisträgerin.

20 Uhr: Die Gala zur Preisverleihung beginnt. Zum Auftakt spielt der Trompeter Joo Kraus, begleitet vom Laupheimer Salonorchester, das Stück „Manhattan“. Eine Filmsequenz zeigt Carl Laemmle 1925 auf Heimatbesuch und Ausschnitte aus Universal-Klassikern. Philipp Poisel trägt sein Lied „Eiserner Steg“ vor, das von Abschied und Verlust handelt. Später legt Jasmin Tabatabai nach; im roten Kleid vor nachtblauem Sternenhimmel, begleitet vom David-Klein-Quartett, singt sie „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“ – ein Titel, mit dem schon Zarah Leander begeisterte – und „Eine Frau bleibt eine Frau“. Während einer Umbauphase hinterm Bühnenvorhang plaudert sie mit den Moderatoren Hendrike Brenninkmeyer und Wigald Boning: „Wenn wir schon eine außergewöhnliche Frau ehren, dann spielen wir auch diese Titel.“

In der ersten Liga

Gerold Rechle begrüßt die rund 450 Gäste. Er unterstreicht die Bedeutung des Carl-Laemmle-Produzentenpreises, der Laupheim im Vorjahr – bei der Premiere bekam Roland Emmerich das „Laemmle“ – auf einen Schlag weltweite Aufmerksamkeit beschert habe: „Damit spielen wir in der ersten Liga.“ An dieser Erfolgsgeschichte wolle man gemeinsam mit der Produzentenallianz noch lange weiterstricken. Der OB lobt die heimischen Förderer, allen voran die Wirtschaftsverbände LUK und BDS, und seinen Amtsvorgänger Rainer Kapellen, der viel Herzblut vergossen habe, um die Preisverleihung in Laupheim zu etablieren.

Alexander Thies, Vorsitzender der Produzentenallianz, und Christoph Palmer stellen heraus, dass es kaum eine würdigere Preisträgerin geben könne: „Regina, dein Feuer ist für uns Vorbild.“ Die Kollegin verkörpere alle Tugenden des Berufsstands, sagt Thies: „Wir verstehen uns als Unternehmer, Initiatoren, Motoren, Türöffner, Mutmacher, Partner der Kreativen. Wir sind die, die es möglich machen müssen und auch möchten. Das verbindet uns mit Carl Laemmle.“

Martin Moszkowicz, Vorstandschef der Constantin Film AG und Jury-Vorsitzender, erklärt, warum die Wahl auf Regina Ziegler fiel: „Sie war vor über 40 Jahren die erste maßgebliche Filmproduzentin in Deutschland. Mit unerschütterlichem Willen und einer klaren Vision hat sie sich in einer von Männern dominierten Branche durchgesetzt und vielen Filmemachern, Schauspielerinnen und Schauspielern zum Durchbruch verholfen. Mit ihrer unbändigen Energie, zielorientierten Beharrlichkeit und einer faszinierenden Leidenschaft für ihren Beruf hat sie ihre mittelständische Firma zu einem der führenden unabhängigen Produktionshäuser Deutschlands gemacht.“

In sehr persönlichen Worten hält die Schauspielerin Thekla Carola Wied, der Preisträgerin freundschaftlich verbunden, die Laudatio. Sie verbeugt sich vor einem „staunenswerten Lebenswerk“. Wenn man die Vergabekriterien nachlese, „hört es sich an, als wäre der Preis extra für dich geschaffen worden, liebe Regina. Wie maßgeschneidert passt er auf deine Person und deine Arbeit.“

Brief an Laemmle

Dann ist es soweit: Die Preisträgerin hält das „Laemmle“, aus weißem Ton gebrannt, in Händen, genießt den Beifall, tritt ans Rednerpult. Gern wäre sie Carl Laemmle begegnet, sagt sie, um aus seinem Mund zu erfahren, „wie man 1884 als Laufbursche in New York ganz unten anfängt und 1912 in Hollywood ganz oben ankommt“. Ihre Verbundenheit mit dem Mann, der immer gewusst habe, wieviel vom Produzenten abhängt, damit Filme Kassenschlager werden („genau genommen alles“), packt sie in einen imaginären Brief an den 1939 Verstorbenen. Darin schwingt Frust mit über die mangelnde Wertschätzung ihres Stands – „die Leute kennen uns kaum, aber erklären uns pausenlos unseren Beruf“. Und Regina Ziegler fragt, wie lange eigenständige Produktionen noch möglich sein werden in einer Zeit, „in der Medienunternehmen verschwinden und an der Börse wieder auftauchen“; einer Zeit, in der Rechner Filme in Daten zerlegen – und das Publikum gleich mit.

Vielleicht, endet der Brief an Laemmle, begegne man sich irgendwann persönlich. „Dann gehen wir zusammen ins Kino und trinken ein Laupheimer Kronen-Pils.“ Rauschender Applaus. „Ich danke der Produzentenallianz und der Jury, dass sie sich für mich entschieden haben“, sagt Regina Ziegler noch. „Und danke an die Stadt Laupheim, dass sie einen ihrer zeitweise geächteten, einen ihrer großen Söhne auf diese Weise ehrt – und mich gleich mit.“