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Abgeschoben "wie ein Stück Vieh"

Nach ruppiger Abschiebung: Gambier sitzt in Banjul fest

Kanzach / Lesedauer: 4 min

Ohne Vorwarnung ist Musa Njie vor drei Monaten abgeschoben worden. Sein Arbeitgeber ist nach wie vor wütend. In welcher Lage sich der Gambier jetzt befindet.
Veröffentlicht:21.11.2023, 05:00

Von:
  • Karl-Heinz Kleinau
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Eine große Resonanz erhielt die Schwäbische Zeitung für einen Bericht über die Abschiebung des vorbildlich integrierten Gambiers Musa Njie. Wie aber ist es ihm seither ergangen?

Sieben Streifenwagen angerückt

Anfang August berichtete die SZ über die Festnahme von Musa Njie direkt an seinem Arbeitsplatz im Kanzacher Sägewerk. Mit sieben Streifenwagen rückte damals die Polizei an, um den geduldeten Gambier festzusetzen, der anno 2016 in Deutschland ankam und sich bereits im Folgejahr erfolgreich um einen Arbeitsplatz im Sägewerk bewarb. Er galt als fleißig, zuverlässig und gut integriert, hatte Bankkonto und Wohnung in Bad Buchau und wurde von seinem Arbeitgeber als „unverzichtbar“ beschrieben.

Aufgrund eines nicht fristgemäß vorgelegten Passes erhielt Njie eine Vorstrafe, die für den Entzug der Duldung ursächlich war und weswegen er bereits am Tag der Festnahme mit dem Flugzeug nach Gambia zurückgebracht wurde. Infolge der Abschiebung besteht nun eine Einreisesperre über 36 Monate, sodass an eine von allen Seiten gewünschte schnelle Rückkehr nicht zu denken ist.

Ohne Vorwarnung Mitarbeiter entfernt

Dieses Vorgehen der Behörden traf Musa Njie und auch seine Vorgesetzten und Kollegen völlig unvorbereitet und ließ die Geschäftsführung der Sägerei ratlos und zornig zurück. „Wie ein Stück Vieh“ sei Musa behandelt worden, beschrieb der ehemalige Inhaber Reichert damals gegenüber der SZ seine Gefühle. Und auch sein Nachfolger Maximilian Martin war empört, dass ihm trotz Aussagen aus der Politik zur gewünschten Fachkräfteeinwanderung ohne Vorwarnung nun ein wertvoller Mitarbeiter und Kollege fehlen würde.

Große öffentliche Resonanz

Der Bericht der SZ traf einen Nerv, denn auf schwaebische.de wurde der Artikel häufig geklickt und geteilt. Maximilian Martin berichtet von viel Anteilnahme, die er aufgrund der Berichterstattung erhalten habe. Sogar die Bildzeitung wurde aufmerksam, nahm die Geschichte bei sich auf und verbreitete das Abschiebedrama in einem tendenziösen Bericht deutschlandweit. Auch über die sozialen Medien sei die gewaltige Resonanz über das Schicksal des Gambiers Martin gegenüber überwiegend unterstützend und aufbauend gewesen.

Der Arbeitsplatz des Gambiers blieb fast zwei Monate unbesetzt. (Foto: Karl-Heinz Kleinau)

Habseligkeiten vorerst eingelagert

Derzeit lebt Musa Njie in der Hauptstadt Gambias bei seinem Bruder. Über einen Verwandten, der in Deutschland ansässig ist, konnte ihm der ausstehende Lohn und auch das Bankguthaben überwiesen werden, sodass er damit aktuell seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann. Auch das möblierte Zimmer in der Nachbarstadt Bad Buchau wurde kurz nach der Abschiebung durch einen Freund aufgelöst und die Habseligkeiten vorerst eingelagert. Eine neue Arbeitsstelle in der Hauptstadt Banjul hat der Gambier noch nicht gefunden.

Arbeitgeber ist weiter in Kontakt

Maximilian Martin ist weiterhin mit ihm in Kontakt, zudem hat er ein Schreiben an die deutsche Botschaft mit Bitte um Unterstützung verfasst, aber nach drei Monaten noch keine Antwort erhalten. Njie selbst möchte versuchen, einen Termin in der 300 km entfernten Botschaft in Dakar im Nachbarland Senegal zu erhalten, was aber wohl ein schwieriges und langwieriges Unterfangen sei und auch die Einreisesperre nach Deutschland wäre hier nicht hilfreich, so Martin. Er stehe aber zu seinem Wort, dass Musa Njie bei seiner legalen Rückkehr ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde.

Großes Problem für kleinen Betrieb

Seine alte Stelle konnte im Sägewerk durch die Hilfe des Jobcenters Biberach mit einem Ukrainer besetzt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt aber stellte die unangekündigte Abschiebung den kleinen Betrieb vor große Probleme, mussten doch die gesamten Abläufe der eingespielten Belegschaft umorganisiert werden, wodurch der ehemals reibungslose Betrieb ins Stocken geriet, ärgert sich der Inhaber Martin immer noch.

Enttäuscht sei er von der Kommunikationskultur der Behörden, die trotz Nachfragen niemals ein Signal gegeben hätten, dass es bei Musa Njie Probleme gab. Allein schon aus Eigeninteresse, aber auch aus Kollegialität hätte der Betrieb gerne als Vermittler gedient und Differenzen ausgeräumt.

Forderungen an Behörden und Politik

Falls die Behörden das Interesse an Rückmeldung und Verbesserung hätten, wäre eine direkte Kommunikation mit dem Arbeitgeber abschließend noch sein Wunsch und Anliegen. Denn es gäbe sicherlich noch viele wie Musa Njie, die durch eine Nichtigkeit Lohn und neue Heimat verlieren würden, obwohl sie fleißig wären und gebraucht würden, richtet sich Maximilian Martin fordernd an die Behörden und auch die Politik.