Bürger beschweren sich
Darum ist in Biberach nicht jede Grünfläche gemäht
Biberach / Lesedauer: 5 min

Gerd Mägerle
Fortschreitende Verwahrlosung oder neue Ästhetik, achtlose Schlampigkeit oder neues Öko–Bewusstsein: Dass in Biberach auf vielen städtischen Grünflächen, Verkehrsinseln und Straßenrändern Gräser, Kräuter und Blumen schon länger nicht mehr gemäht wurden und deshalb sehr hochstehen, bewegt anscheinend die Gemüter in der Stadt. Die SZ hat nachgefragt, woran das liegt.
Ein erzürnter BürgerIch frage mich, ob die Stadt ihre Stadtgärtnerei aufgelöst hat.
„Schauen Sie sich das selbst doch mal an. Das ist eine Sauerei hoch drei.“ Der Leser am Redaktionstelefon ist aufgebracht. Schon seit Längerem ärgere er sich, dass das Biberacher Stadtbild so ungepflegt aussehe.
„Ich frage mich, ob die Stadt ihre Stadtgärtnerei aufgelöst hat“, meint er ironisch. Das Unkraut stehe an manchen Stellen meterhoch. So ungepflegte Grünanlagen im ganzen Stadtgebiet wie in den letzten Monaten habe er in 60 Jahren nicht erlebt. Zu den Heimattagen im Mai sei dies ein miserables Bild für alle Besucher gewesen.
Der Mann nennt Beispiele: So habe das Grün im Bereich der Einmündung Memminger Straße/Theodor–Heuss–Straße zuletzt eine Höhe erreicht, die verkehrsgefährdend sei, weil man beim Abbiegen den Gegenverkehr nicht mehr sehe.
Und auf der Mittelinsel vor dem alten evangelischen Friedhof sehe man die hübsch bemalten Holzbiber nicht mehr, weil sie schon längst zwischen hohem Unkraut verschwunden seien, sagt der Leser.
Vegetation ist „explodiert“
Markus Merkle, Leiter des Baubetriebsamts, das für die Pflege der meisten städtischen Grünflächen zuständig ist, kennt das Thema bereits. Auch bei ihm hätten sich zuletzt Bürger beschwert, warum denn so wenig oder gar nicht gemäht werde. Es gibt dafür mehrere, zum Teil unterschiedliche Gründe.
Markus Merkle, Leiter des BaubetriebsamtsEs gab innerhalb weniger Tage einen enormen Wachstumsschub.
Da wäre zunächst die Witterung. „Die war für die Vegetation optimal“, so Merkle. „Wir hatten nach den trockenen Wintermonaten ein feuchtes, aber kühles Frühjahr. Es hat lange gleichmäßig geregnet. Als es dann vor Kurzem wärmer wurde, ist die Vegetation förmlich explodiert. Es gab innerhalb weniger Tage einen enormen Wachstumsschub.“
So wie die Bauhofmitarbeiter bei starkem Schneefall nicht überall gleichzeitig räumen könnten, so könnten sie in einer solchen Situation nicht überall gleichzeitig mähen. „Da sieht es dann halt zwei Wochen lang nicht überall so ideal aus."
Lebensraum für Arten
Erschwerend sei hinzugekommen, dass der Unimog mit der entsprechenden Vorrichtung, mit der vor allem die Straßenränder gemäht werden, zu Beginn der Wachstumssaison kaputtgegangen sei und erst repariert werden musste. „Dafür haben wir keinen Ersatz“, so Merkle.
Markus Merkle, Leiter des BaubetriebsamtsWenn technische und personelle Ausfälle zu Beginn der Vegetationsperiode zusammenkommen, ist das der Super–Gau.
Außerdem gebe es auch immer wieder längere Krankheitsausfälle unter den Mitarbeitern. „Wir versuchen dann, die Arbeit intern etwas umzuschichten, aber alles kann man nicht auffangen.“
Kurzfristige Vergaben an Fremdfirmen seien unter diesen Umständen kaum möglich. „Wenn technische und personelle Ausfälle zu Beginn der Vegetationsperiode zusammenkommen, ist das der Super–Gau.“
Es gebe aber inzwischen auch Grünflächen im Stadtgebiet, die bewusst nicht mehr so oft gemäht werden wie in früheren Jahren, so Merkle. Gerade das sogenannte Straßenbegleitgrün lasse man aus ökologischen Gründen länger und höher stehen, um bestimmten Arten mehr Lebensraum zu geben.
„Das lässt sich auch in vielen anderen Städten beobachten“, sagt der Amtsleiter. Gerade der ökologische Aspekt habe in den vergangenen Jahren mehr Bedeutung gewonnen. So setze das Baubetriebsamt seit Jahren bereits keine Unkrautvernichter mehr ein. „Dann wächst halt auch mal etwas am Randstein hoch“, so Merkle.
Prioritäten sind anders
Er könne verstehen, dass das für Menschen, die es früher anders erlebt hätten, ungewohnt sei und zum Teil etwas verwahrlost wirke. „Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute ist die Ökologie im Zweifel wichtiger als die Ästhetik. Man muss da auch seine eigene Betrachtungsweise etwas verändern.“ Die Prioritäten seien anders — „und sie sind zurecht anders“, findet Merkle.
Anders verhält es sich, wenn es um die Verkehrssicherheit geht, wie bei der von dem Leser eingangs beschriebenen Stelle an der Memminger Straße/Theodor–Heuss–Straße. „Das haben uns mehrere Leute mitgeteilt. Zuständig ist hier die Straßenmeisterei des Landkreises. Der haben wir das gemeldet und es wurde dann auch gleich gemäht“, so Merkle.
Markus Merkle, Leiter des BaubetriebsamtsIn zwei bis drei Wochen wird vieles ganz anders aussehen.
Die Mittelinsel mit dem Holzbibern vor dem alten evangelischen Friedhof hingegen werde bewusst nicht gemäht. „Wir warten damit, bis die Frühlingsblumen, die wir dort gepflanzt haben, sich in den Boden zurückgezogen haben, damit sie nächstes Jahr wieder nachwachsen“, so Merkle.
Alles schön zu Schützen
Nicht alle städtischen Grünflächen werden im Übrigen durch das Baubetriebsamt gepflegt. „Es gibt Flächen, darunter auch einige Spielplätze, die an externe Firmen vergeben sind“, so der Amtsleiter. Auf deren Arbeitsabläufe habe er keinen direkten Einfluss.
„Was das Mähen von Spiel– und Bolzplätzen angeht, sind wir aber inzwischen im grünen Bereich“, sagt er und versichert: „Wir sind auch an den anderen Flächen dran. In zwei bis drei Wochen wird vieles ganz anders aussehen.“
Und die Befürchtung des SZ–Lesers, dass die Stadt zum Schützenfest keinen gepflegten Eindruck machen könnte, weist Merkle zurück: „Ich bin guter Dinge, dass wir das wie jedes Jahr schaffen.“