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Offenheit

Wie die digitale Generation tickt

Aßmannshardt / Lesedauer: 4 min

Unternehmen müssen sich ändern, rät Philipp Riederle beim Neujahrsempfang des Kreises
Veröffentlicht:26.01.2019, 22:15

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Zu Offenheit und Mut im Angesicht des fundamentalen Wandels durch die Digitalisierung hat Philipp Riederle beim Neujahrsempfang des Landkreises Biberach aufgerufen. Der 24-jährige Gastredner gehört zur ersten Generation, „die die Welt nie anders kennengelernt hat“ als eine mit Internet und Smartphone.

Angefangen hat er mit im Kinderzimmer aufgenommenen Erklärvideos über das damals brandneue iPhone . Heute vermittelt Riederle als Redner, Buchautor und Berater „der letzten analogen Generation“, zu der auch die meisten der rund 500 Gäste in der Aßmannshardter Halle zählten, wie digitale Eingeborene ticken – und was das speziell für Unternehmen bedeutet.

Riederle sieht seine Altersgenossen nicht in virtuelle Welten abgetaucht, „wir fliegen mit dem Smartphone ja nicht auf fremde Planeten“. Persönliche Bindungen und Heimat hätten für seine Generation hohen Stellenwert – gerade weil es für sie schon immer möglich war, jederzeit mit der ganzen Welt in Kontakt zu treten. Die ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit von Daten mache sie nicht antisozial. Beides stelle aber neue Anforderungen an die Medienkompetenz, darauf müsse das Bildungssystem reagieren.

Ganz neue Anforderungen sieht Riederle auch auf die Unternehmen zukommen. Nicht von ungefähr vertiefte er diesen Aspekt. Denn beim Neujahrsempfang sind stets alle Bürger willkommen, aber passend zum Leitthema erhalten jedes Jahr wechselnde Gruppen eine persönliche Einladung – dieses Jahr waren dies Betriebschefs und Selbstständige. Und denen gab Riederle mit auf den Weg, dass sie die Art und Weise, wie Zusammenarbeit organisiert wird, ändern müssten. Dass Chefs in Zeiten von immer mehr Heimarbeitsplätzen Führung über Distanz ausüben müssen, ist nur ein Beispiel.

Lkw werden autonom fahren

Automatisierung hält Riederle für unaufhaltsam. Mehr als die Hälfte der heutigen Berufsbilder wie etwa Lkw- und Taxifahrer oder selbst Maurer fallen weg, prophezeit er. Ans Ende der Arbeit glaubt er gleichwohl nicht. Unternehmen müssten im digitalen Zeitalter innovativ und schnell sein. Und da sich parallel die Alterspyramide „vom Dönerspieß zur Urne wandelt“, müssen sie darauf achten, für junge Mitarbeiter attraktiv zu bleiben: Seine Generation sei ehrgeizig und wolle dennoch „nicht mit dem Porsche in die Burnout-Klinik fahren“. Ihre Suche nach Geld, Status und Macht sei nicht so ausgeprägt wie bei Generationen davor, Arbeit müsse ihnen Sinnhaftigkeit, Selbstverwirklichung und ein gutes Umfeld bieten.

Kein Anlass für Angst

Riederle appellierte an alle, die das Internet erst als Erwachsene kennenlernten: „Seid offen. Lasst euch auf die Veränderung ein. Baut Barrieren ab. Und das Wichtigste: habt keine Angst.“

Landrat Heiko Schmid sieht den Landkreis bei der Umsetzung dieser Empfehlungen auf einem guten Weg: Als Dienstherr von 1300 Mitarbeitern; bei der Investition von 30 Millionen Euro ins Breitbandnetz in den nächsten vier Jahren; und als Schulträger, denn „Schlüssel für eine menschliche Gestaltung der Digitalisierung sind Bildung und lebenslanges Lernen“, so Schmid. Er bekannte sich klar zum Ziel, neben dem Berufsschulzentrum Biberach die dezentralen Standorte Riedlingen und Laupheim zukunftsfest zu machen. Noch dieses Jahr wolle der Kreistag zwischen Sanierung oder Teilneubau in Riedlingen entscheiden. Dass sich der Kreis freiwillig für die Hochschulen Biberach und Riedlingen sowie das Innovations- und Technologietransferzentrum Plus engagiert, gehört genauso in das von Schmid skizzierte Bild wie das Mitwirken bei den Digitalisierungszentren, die kleine und mittlere Unternehmen beim Wandel unterstützen sollen.

Schmid: Straßen braucht’s weiter

Datenautobahnen machen in Schmids Augen Straßen als Teil vernetzter Mobilitätskonzepte keineswegs überflüssig. Der Kreis wolle mit der Stadt Biberach dieses Jahr ins Planfeststellungsverfahren für den Aufstieg zu B 30 einsteigen. Freiwillige Vorleistungen des Kreises sollen für mehr Tempo bis zur Genehmigung der B-312-Ortsumfahrungen sorgen und dankbar sei er über die Signale aus Riedlingen für die B-311-Ortsumgehung.

Bevor die Gäste bei Getränken und Häppchen weiterdiskutierten, zeigte das Lukas-Brenner-Trio aus Laupheim bei seiner finalen Einlage, dass der Kreismarsch auch in der Jazzvariante schnittig klingt.

Zusatzinformationen: Schmid ruft zum Wählen am 26. Mai auf – und zum Kandidieren

Landrat Heiko Schmid rief die Gäste des Neujahrsempfangs und alle Bürger auf, bei den Wahlen am 26. Mai ihre Stimme abzugeben. Er bezeichnete jede Stimme als Bekenntnis zur Gemeinschaft und zum Grundgesetz, das just drei Tage vorher 70 Jahre alt wird. Dessen Wert als „Fels in der Brandung“ strich Schmid heraus, gerade angesichts „brachialer Veränderungen“ wie Präsident Trump in den USA, der Wahl „eines Rechtsradikalen“ in Brasilien, des Aufstiegs Chinas, des Brexit und manchem mehr.

Schmid warb um Beteiligung bei der Europawahl, denn Europa garantiere Frieden und könne im Wettbewerb mit den USA und China nur gemeinsam bestehen. Die Zukunft selbst in die Hand könnten die Bürger dank Demokratie und Grundgesetz auch in den Ortschaften, Gemeinden und im Kreis – indem sie ihr Kreuz machen und sich einbringen. Der Landrat appellierte, ernsthaft über eine Kandidatur bei den Kommunalwahlen nachzudenken.