Ein Abend mit „Dirty Harry“
Mit Video und Fotos: So bringt Harald Schmidt Biberach zum Lachen
Biberach / Lesedauer: 8 min

Gerd Mägerle
Mit einem „unvorbereiteten Abend“ haben TV-Entertainer Harald Schmidt und Schauspieler Bernd Gnann aus Reichenbach am Donnerstagabend rund 800 Besucher in der ausverkauften Biberacher Stadthalle begeistert. Ebenfalls unvorbereitet fand sich SZ-Redakteur Gerd Mägerle dabei plötzlich auf der Bühne wieder. Ein völlig subjektiver Bericht über einen skurrilen Abend.
Ich hätte es ahnen können. Als ich vor einigen Wochen mit Bernd Gnann ein Interview über seinen Auftritt mit Harald Schmidt führte und am Schluss nach einer Pressekarte fragte, um über den Abend zu berichten, meinte er: „Wir sind ausverkauft, aber rufen Sie mich einfach an dem Abend an, dann lasse ich Sie in die Halle und setze Sie neben die Bühne.“

So geschah es am Donnerstag dann auch ‐ mit dem feinen Unterschied, dass mein Stuhl nicht neben, sondern auf der Bühne stand, neben mir noch ein weiterer Journalistenkollege und ein mit Bernd Gnann befreundetes Ehepaar. Zwei Meter vor mir Harald Schmidt, rechts von mir das Publikum in der ausverkauften Halle.
Harald SchmidtWenn uns ein Gast kurzfristig abgesagt hat, kam halt Hella von Sinnen mit der Straßenbahn. Das hat immer super funktioniert.
„Wir wollen die Presse ein bisschen im Blick haben“, frotzeln Gnann und Schmidt vor ihrem Auftritt mit uns. „Aber machen Sie gerne Fotos, ich brauch’ eh ein paar neue“, meint Schmidt zu mir.
Während mein Kollege vor Aufregung kaum reden kann, weil er seinem Talkmaster- und Kabarettidol gegenüber steht, frage ich mich, ob wir auf unseren Stühlchen nun zwei Stunden lang zur Zielscheibe der Schmidt’schen Lästereien werden.
Im Publikum scheint mancher möglicherweise Ähnliches zu hoffen. „Ihr wisst gar nicht, was ihr riskiert, Geld für so einen Abend zu bezahlen“, meint Gnann zu Beginn verschmitzt zum Publikum. Ich habe zwar nichts bezahlt, ein gewisses Risiko sehe ich, angesichts meiner exponierten Lage, aber durchaus.
Mal zynisch, mal schwäbisch-rustikal
Meine Sorgen erweisen sich zum Glück als komplett unbegründet. Stattdessen haben wir Vier quasi Logenplätze und erleben, wie sich Schmidt und Gnann mehr als zwei Stunden durch den Abend blödeln ‐ mal schwäbisch- rustikal, mal in zynischer „Dirty Harry“-Manier wie zu besten „Harald-Schmidt-Show“-Zeiten.
Für ordentlich Schwung im Laden sorgt aber zunächst einmal Gnanns begnadeter Akkordeonspieler Ernst Kies alias „Igor aus Kasachstan“, mit dem Gnann sich den Abend über in einem russischen Kauderwelsch verständigt.
Harald SchmidtDer Marktplatz hier ist toll und auch die vielen inhabergeführten Geschäfte.
Warmlaufzeit benötigen Schmidt und Gnann nicht. Schmidt zieht Gnann mit dessen Tätigkeit als Geschäftsführer eines Theaters in Karlsruhe auf („Was in Karlsruhe gehört dir eigentlich nicht?“), der Oberschwabe Gnann erläutert dem Nürtinger Schmidt, dass der Plural von „Bulldog“ „Bulldög“ lautet und diese in hiesigen Breiten nicht in der Garage, sondern im Schopf stehen.
Bummel über den Jahrmarkt
Aber natürlich wollen alle etwas über den Menschen Harald Schmidt, seine Karriere oder besondere Anekdötchen aus der Showbranche hören. Wie er es mit schlechter Presse, Kritik und Hassmails hält, will Bernd Gnann wissen.

Er halte sich an das Motto der verstorbenen Queen, meint Schmidt: „Never complain, never explain“ („Beschwere dich nie, erkläre dich nie“). Das liege aber auch daran, dass er „Dirty Harry“ sei und nicht „der gute Mensch von Potsdam“, meint der 66-Jährige mit einem Seitenhieb auf Kollege Günther Jauch.
In Biberach hatte sich Herr Schmidt vor seinem Auftritt bereits ausgiebig umgesehen, kam er aufgrund des Bahnstreiks doch schon am Mittwoch hier an. Die Zeit habe er genutzt, um den Jahrmarkt zu besuchen, berichtet er. „Der Marktplatz hier ist toll und auch die vielen inhabergeführten Geschäfte“, lobt er.
Eingekauft habe er dann aber im gut sortierten Rewe. „Dort habe ich ein paar fast abgelaufene Sachen billiger bekommen ‐ ich hab’ auch ein bisschen umetikettiert. Und das internationale Publikum in der Cafeteria dort habe ich auch genossen.“
Schnarch-Nummer geht immer
Gnann und Schmidt spielen sich die Bälle zu, und wenn es todsichere Lacher braucht, hat Harald Schmidt seine Schnacher-Nummer im Gepäck. Er berichtet von seinem Aufenthalt im Schlaflabor („der letzte Ort, an dem echte Männer noch unter sich sind“) und seinem 27-Sekunden-Atemaussetzer, den er dort gehabt habe.
Harald SchmidtWir hatten ja 180 Sendungen im Jahr, da konnte ich es mir nicht leisten, Gäste zu verprellen. Wir mussten jeden nehmen.
Schmidt rutscht dabei auf seinem Ledersessel herum, wirft den Kopf in den Nacken und röchelt ins Mikrofon und das Publikum tobt. „Wenn nichts mehr geht, die Nummer geht immer“, meint er in der Pause grinsend hinter der Bühne zum Zeitungsredakteur.

Bernd Gnann weiß, dass die meisten der Zuschauer den Fernsehstar erleben wollen. Er lässt Schmidt genügend Raum, sich zu entfalten, setzt aber immer wieder eigene Akzente, wenn er vom Landleben zwischen Bauernhof, Wirtshaus und Kirche erzählt oder zusammen mit Igor an der Quetsche russische Weisen mit schwäbischen Texten intoniert, in denen es beispielsweise um einen verstopften „Schüttstoi-Abfluss“ geht. Schlucken muss das Publikum, aber vor allem, als Gnann eine Maß Bier auf ex trinkt. „Alles alkoholfrei“, wie er hinterher versichert.

So war es bei der „Harald-Schmidt-Show“
Als Harald Schmidt dann aus dem Nähkästchen seiner Talkshow plaudert, habe ich auf meinem Stühlchen fast vergessen, dass ich irgendwie gerade selbst in einer solchen sitze. „Wir hatten ja 180 Sendungen im Jahr, da konnte ich es mir nicht leisten, Gäste zu verprellen. Wir mussten jeden nehmen“, meint er.
Harald SchmidtIch habe es immer genossen, rausgeschmissen zu werden.
Dass die Sendung immer in Köln aufgezeichnet worden sei, habe einen einfachen Grund gehabt: „Wenn uns ein Gast kurzfristig abgesagt hat, kam halt Hella von Sinnen mit der Straßenbahn. Das hat immer super funktioniert.“

Die besten Sendungen seien ohnehin immer die gewesen, in denen ihnen eigentlich nichts eingefallen sei. „Für das meiste Aufsehen hat gesorgt, als wir unseren Bandleader Helmut Zerlett im Studio die Reifen an seinem Porsche haben wechseln lassen. Da hat doch jeder gedacht: Was führe ich für eine traurige Existenz, wenn sich sogar der Keyboarder von Harald Schmidt einen Porsche leisten kann.“
Dass er das Aus seiner Show beim jeweiligen Sender meist nicht selbst bestimmt hatte, habe ihm nichts ausgemacht, im Gegenteil: „Ich habe es immer genossen, rausgeschmissen zu werden.“ Letzte Sendungen, bei denen das ganze Team vor die Kamera komme und Blumen überreiche, seien ihm zuwider, so Schmidt.
„Drehort geht vor Inhalt“
Natürlich durfte auch Schmidts aktuelles Engagement beim „Traumschiff“ nicht fehlen. Wie er seine Rollen aussuche, will Gnann wissen. Klare Antwort von Schmidt: „Drehort geht vor Inhalt.“ Südsee oder Oberschwaben seien ihm lieber als Mecklenburg-Vorpommern. Applaus und Johlen im Publikum. Seine künftige Traumrolle: „Der taubstumme Lord wird im Rollstuhl auf seine Terrasse an der Côte d’Azur geschoben.“
Harald SchmidtWas passiert, wenn an Bord einer stirbt? Da heißt es Kühlfach und im nächsten Hafen mit dem Cargoflug zurück nach Frankfurt.
Der bekennende Hypochonder Schmidt macht sich auf dem Schiff aber auch seine eigenen Gedanken. „Was passiert, wenn an Bord einer stirbt? Da ist nichts mit Seebestattung und einer Leiche, die eingepackt über ein Brett ins Meer rutscht und alle salutieren. Da heißt es Kühlfach und im nächsten Hafen mit dem Cargoflug zurück nach Frankfurt.“
Publikum klatscht frenetisch
Er habe es in seiner langen Karriere im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen geschafft, seine Familie komplett aus der Öffentlichkeit rauszuhalten, meint Gnann zu Schmidt: „Niemand kennt deine Frau.“ Schmidt: „Selbst ich kenne sie nur in Bruchteilen.“

Als sich die beiden nach mehr als zwei Stunden mit Gnanns schriller Mireille-Mathieu-Parodie und einem weiteren Mitklatsch-Stück von Igor unter großen Verbeugungen vom frenetisch applaudierenden Publikum verabschieden, habe ich inzwischen ganz vergessen, dass ich auf einer Bühne hocke.

Und für alle, die es interessiert: Harald Schmidt war vor und nach dem Auftritt hinter der Bühne kein bisschen Lästermaul, sondern ein sehr angenehmer, interessierter Gesprächspartner. Wir haben unter anderem über Krankenhausschließungen, die Zeitungsbranche in Süddeutschland, Martin Heidegger und Kirchenorgeln geredet. Er schaue sich gerne Kirchen und vor allem deren Orgeln an, von denen es in Oberschwaben sehr viele beeindruckende gebe, meint der Kirchenmusiker mit C-Abschluss.
Für mich war der Abend eine schöne Erfahrung, aber das nächste Mal sitze ich in der Stadthalle als Berichterstatter auch gerne wieder im Zuschauerraum.