Biberach
Dankbar für fast 80 Jahre in Frieden und Freiheit
Biberach / Lesedauer: 3 min

Josef Aßfalg
(aß) ‐ In seiner Gedenkrede zum Volkstrauertag in der Aussegnungshalle auf dem Stadtfriedhof erinnerte Landrat Mario Glaser an Gewaltherrschaften der Vergangenheit und derzeitige Kriege. Schülerinnen des Abiturkurses Deutsch des Wieland-Gymnasiums trugen ihre Gedanken zum Volkstrauertag vor.
„Ein Mann, Anfang Zwanzig, ohne Beine, weggerissen von einer Granate, ein anderer ohne linken Arm, zerfetzt von einem Geschoss, verwundete junge Männer im Krieg Russlands gegen die Ukraine, erlangen in Deutschland mit medizinischer Hilfe ein wenig Leben zurück“. Diese Bilder zählte Landrat Mario Glaser bei seiner Gedenkrede auf. Und: Es seien Bilder, welche die jüngere Generation nur noch aus Erzählungen ihrer Vorfahren kenne. „Erzählungen von verwundeten, traumatisierten Soldaten, von Vätern, Söhnen und Brüdern, die nicht heimkehrten aus einem sinnlosen, grausamen Krieg, der so viel Leid über Millionen Menschen gebracht hat“, so Glaser. Ihm komme in diesen Tagen das Lied vom Liedermacher Reinhard Mey, „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ in den Sinn. Der Musiker hat das Lied 1986 veröffentlicht und seine Kinder waren damals unter 10 Jahren. Marion Glaser zitierte aus einer weiteren Strophe von Mey „Ich werde meine Söhne den Ungehorsam, den Widerstand und die Unbeugsamkeit lehren, nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“. „Als Vater von vier Kindern berührt mich dieses Lied sehr“.
„Wir blicken heute in Deutschland dankbar auf fast 80 Jahre in Frieden und Freiheit zurück, auf Jahre, in denen wir Demokratie mühsam gelernt haben“. Dennoch merkten wir, dass Demokratie, Frieden und Freiheit sehr fragil seien. „Sei es, ein Blick in die Ukraine oder nach Israel, wo die Hamas am 7. Oktober mit einem terroristischen Akt Leid und Tod nach Israel getragen haben“. Die israelische Reaktion führe nun auch dazu, dass leider einmal mehr die unbeteiligte Bevölkerung, Kinder, Mütter, Alte und Kranke besonders leiden und sterben, auf beiden Seiten“, betonte Glaser. Und: Er träume von einer Welt, in der es nicht nötig sei, „ein Land wie unseres ‚kriegstüchtig‘ zu machen“, und spielte damit auf eine Formulierung von Verteidigungsminister Boris Pistorius an.
Bei ihrer Begrüßung ging Karin Walter, Vorsitzende des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, neben den aktuellen Kriegen auf den Antisemitismus ein, „ der in Deutschland seit Jahrzehnten auf einem nicht mehr gesehenen Niveau ist“. Sie erzählte eine Geschichte vom jüdisch-russischen Kinderautor, Samuil Marschak, der Kindern bei einem Spiel zugesehen habe. „Sie gaben Knallgeräusche von sich, schrien, rannten herum und fielen zu Boden. ‚Wir spielen Krieg‘, antworteten die Kinder auf die Frage des Autors, was sie spielen. ‚Krieg ist etwas Schreckliches, Krieg ist schlimm‘, so der Schriftsteller. ‚Spielt lieber Frieden‘. Nach langem Schweigen und Tuscheln trat ein Kind hervor und fragte: ‚Wie spielt man Frieden?‘“ „Ja, wie spielt man Frieden, wie lebt man in Frieden?“, fragte Karin Walter.
Seit vielen Jahren ist es Tradition, dass Schüler der Biberacher Gymnasien Textbeiträge zum Volkstrauertag verfassen und vortragen. In diesem Jahr fiel den Schülerinnen des Abiturkurses Deutsch vom Wieland-Gymnasium mit Lehrer Volker Arnold diese Aufgabe zu.
Als Vertreter der Kirchen sprach der katholische Dekan Stefan Ruf Gebete. Bevor Karin Walter die Totenehrung vornahm, legten die Reservistenkameradschaft Biberach und die Altersabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Kränze am Namensquader vor der Aussegnungshalle nieder. Stimmungsvoll ist die Gedenkstunde vom Musikverein Bergerhausen unter der Leitung von Martin Remke und vom Sängerbund Biberach mit Peter Schenk umrahmt worden