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Zum dritten Mal dieses Jahr

Jetzt geht der Apotheken-Streik in die nächste Runde

Biberach / Lesedauer: 5 min

Die Türen bleiben am Mittwoch auch in Biberach erneut geschlossen. So steht es um die Apotheken in der Region.
Veröffentlicht:20.11.2023, 11:50

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  • Schwäbische.de
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Zweimal haben die Apotheken in diesem Jahr schon mit Protesten gegen die aktuelle Gesundheitspolitik für Schlagzeilen gesorgt: Die Apotheker bemängeln die lange ausstehende Erhöhung der Vergütung, die Pläne für Gesundheitskioske und die Medikamentenengpässe.

Es geht um die Zukunft der Apotheken vor Ort.

Andreas Buck

Am Mittwoch wollen die Apotheker aus Baden-Württemberg und Bayern ihrem Ärger bei einer Kundgebung auf dem Schlossplatz in Stuttgart Luft machen. Auch die Apotheken in und um Biberach bleiben deshalb an diesem Tag geschlossen ‐ um ein gemeinsames Zeichen zu setzen. Eine Versorgung ist durch die Notdienst-Apotheke gesichert.

„Es geht um die Zukunft der Apotheken vor Ort“, sagt der Laupheimer Apotheker Andreas Buck, der Beiratsvorsitzender für die Region Ulm-Biberach im Landesapothekerverband Baden-Württemberg ist. Mehr als zehn Prozent der Apotheken in Deutschland würden bereits jetzt in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Eine Folge jahrelanger Sparpolitik der Politik gegenüber den Apotheken: „Unsere Vergütung wurde seit 13 Jahren nicht angepasst“, so Buck. Vielen Apotheken fehle das Geld zur überfälligen Erhöhung der Löhne.

Proteste haben andere Qualität

Deshalb gilt es nun für die Apotheken, weiter zu kämpfen und mit ihren Protesten auf die Situation aufmerksam zu machen. Auch Bernhard Mader, Inhaber der Biberacher Jordan-Apotheke, Stadt-Apotheke und Wieland-Apotheke, lässt am Mittwoch seine Betriebe geschlossen. „Es ist sehr wichtig, dass wir für unsere Forderungen weiter einstehen“, sagt er.

Aus Protest geschlossen. (Foto: Tanja Bosch)

„Nach meiner Wahrnehmung sind auch alle Kollegen in und um Biberach dabei. Jetzt ist endlich ein Zug hinter den Protesten und eine ganz andere Qualität als in der Vergangenheit.“ Denn irgendwann ist Schluss. „Vor allem in den vergangenen drei Jahren, seit der Pandemie, ist vieles durcheinander gekommen“, sagt Mader. „Die laufenden Kosten steigen immer weiter und wir haben seit 20 Jahren keine Anpassung der Vergütung bei arzneipflichtigen Rezepten.“

Unser lieber Herr Lauterbach kämpft zu viel an unnötigen anderen Fronten.

Hans-Joachim Wolf

Ähnlich sieht das auch Hans-Joachim Wolf, Inhaber der Fünf Linden Apotheke in Biberach: „Wir müssen im Gespräch bleiben, um etwas zu erreichen“, sagt er. „Unser lieber Herr Lauterbach kämpft zu viel an unnötigen anderen Fronten.“ Deshalb sei es wichtig, dass nun alle Apothekerinnen und Apotheker gemeinsam an einem Strang ziehen.

Diese Apotheke hat am Protesttag geöffnet

Am Protesttag am Mittwoch kann Hans-Joachim Wolf aber nicht teilnehmen, denn seine Apotheke hat an diesem Tag Notdienst: „Die Versorgung der Menschen muss natürlich trotz Streik an diesem Tag sichergestellt sein.“ Schließlich machen das die Apotheken nicht, um die Bürgerinnen und Bürger zu verärgern, sondern am Ende, um zu überleben.

Aktuell hätten laut Andreas Buck viele Apotheken kaum finanziellen Spielraum, wie sich auch anhand einer Statistik der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zeige: Fast ein Drittel der Apotheken haben im Schnitt ein Betriebsergebnis von weniger als 50.000 Euro brutto im Jahr. „Diesen Apothekern geht es schlechter als in einem Angestelltenverhältnis.“

Dagegen erhält ein Krankenhausapotheker nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst etwa 75.000 Euro. Vom Einkommen der Selbstständigen gingen dagegen noch Investitionen ab. „Wie soll ein Betrieb das machen?“, fragt Buck.

Verärgert über Karl Lauterbach

ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf stellte auf dem Deutschen Apothekertag Ende September in Düsseldorf die düstere Prognose, dass rund 600 Apotheken Ende des Jahres ihre Türen für immer schließen müssten. Die Zahl der Apotheken ist 2023 weiter gesunken und rangiert ‐ mit unter 18.000 Betriebsstätten ‐ auf einem 40-Jahres-Tief.

Dieser Vorschlag ist für uns wie ein Schlag ins Gesicht.

Bernhard Mader

„Unser Gesundheitsminister hat den Ernst der Lage nicht erkannt“, ärgert sich Andreas Buck über den Auftritt von Karl Lauterbach am Apothekertag. Damals hätten die Apotheker um eine Erhöhung der Pauschale für rezeptpflichtige Medikamente gebeten, doch auf diese Forderung sei Lauterbach nicht eingegangen.

Die seit zehn Jahren gleichgebliebene Pauschale von 8,35 Euro pro rezeptpflichtiges Medikament für die Beratung müsste laut Berechnungen der ABDA auf zwölf Euro steigen. „Alles, was seit dem Sommer passiert ist, sind Lippenbekenntnisse. Lauterbach hat sich zwar zu den Apotheken vor Ort bekannt, aber für deren Erhalt tut er nichts“, so Buck.

Stattdessen lenke er von den finanziellen Forderungen ab. Der Vorschlag des Gesundheitsministers: die sogenannten „Apotheken light“, dies wären Zweigstellen, in denen Apotheker nur noch über den Bildschirm zugeschaltet werden.

Apotheken für die Menschen vor Ort

„Dieser Vorschlag ist für uns wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt Bernhard Mader. „Dann eröffnen ortsfremde Unternehmer diese Zweigstellen in den vielen Leerständen in unserer Stadt und die Vollapotheken verlieren am Ende ihre Kunden“, sagt Mader. „Und dann dauert es nicht mehr lange bis alles zusammenbricht und das wollen wir verhindern.“ Schließlich gehe es darum, die Menschen auch weiterhin gut zu versorgen und die Apotheken vor Ort zu erhalten.

„Wenn wir eine qualitativ gute Arzneimittelversorgung wollen, muss man eben auch dafür bezahlen“, sagt Buck. Die Bürgerinnen und Bürger müssten sich indes keine Sorgen machen. Buck betont: Noch gehe es den Apotheken in der Region besser als vielen Branchenkollegen. Immer mehr Apotheken, vor allem in strukturschwachen Regionen, hielten dem finanziellen Druck aber nicht mehr stand. „Wir wollen Solidarität mit den Betrieben zeigen, denen es heute schon schlecht geht.“