StartseiteRegionalRegion BiberachBauernverband warnt: „Im Süden werden wir dauerhaft Milch verlieren“

Kaum Gewinne

Bauernverband warnt: „Im Süden werden wir dauerhaft Milch verlieren“

Biberach / Lesedauer: 4 min

Wie die aktuelle Situation bei den Milcherzeugern im Raum Biberach/Sigmaringen ist und wieso junge Landwirte wohl nur zu zweit im Betrieb überleben.
Veröffentlicht:01.06.2023, 05:00

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Nach dem Rekordpreis im Jahr 2022 holt die Realität die Landwirte wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn seit Anfang des Jahres bezahlen die Milchwerke wieder weniger Geld.

Preise fallen um 25 Prozent

Waren es vergangenes Jahr bis zu 60 Cent, liegt der Durchschnitt wieder bei rund 45 Cent pro Liter. Große Gewinne lassen sich damit nicht erwirtschaften.

Warum sich zwei junge Männer aus dem Raum Ochsenhausen dennoch für die Milchviehhaltung entschieden haben, erklären die beiden anlässlich des Tages der Milch am 1. Juni.

Diese zwei Junglandwirte haben für sich eine Lösung gefunden

Matthias Heckenberger (32) und Kajetan Hecht (27) stehen in ihrem neuen, hochmodernen, offenen Laufstall. 210 Milchkühe sind dort vor vier Monaten eingezogen. Die beiden wirtschaften konventionell als Betriebsgemeinschaft.

Kajetan Hecht (links) und Matthias Heckenberger (rechts) in ihrem neuen Kuhstall. Die Milchkühe gewöhnen sich nach fünf Monaten daran, allein zur Melkstation zu laufen.
Kajetan Hecht (links) und Matthias Heckenberger (rechts) in ihrem neuen Kuhstall. Die Milchkühe gewöhnen sich nach fünf Monaten daran, allein zur Melkstation zu laufen. (Foto: Milena Sontheim)

Denn allein wäre der Aufwand heutzutage kaum noch finanziell zu stemmen, sagen sie. Im Vordergrund stünden auf ihrem Hof ein hohes Tierwohl nach aktuellen Standards und Kuhkomfort über die Vorgaben von sieben Quadratmeter pro Platz hinaus.



Vorteile einer vollautomatisierten Melkanlage

„Den Damen muss es gut gehen, nur so können wir erfolgreich wirtschaften.“ In dem Hochleistungsbetrieb werden die Tiere vollautomatisch von vier Melkrobotern gemolken.

Die Vorteile dabei: In der Milch erkenne die Hightech–Anlage den Gesundheitszustand der Kühe und messe beispielsweise die Qualität der Milch.

Vier Melkroboter gibt es auf dem Milchhof. Bei denen kann sich jede Kuh selbstständig und automatisiert melken lassen.
Vier Melkroboter gibt es auf dem Milchhof. Bei denen kann sich jede Kuh selbstständig und automatisiert melken lassen. (Foto: Milena Sontheim)

Heute sagen Heckenberger und Hecht: Die Investition von mehreren Millionen Euro sei nötig, um einen landwirtschaftlichen Betrieb zukunftsfähig zu halten. 20 bis 30 Prozent der Kosten habe die EU bezuschusst.

Bauernverband warnt vor Strukturwandel

Auch der Bauernverband Biberach/Sigmaringen weiß um die Herausforderungen für Landwirte und sieht in dem Milchhof in Bebenhaus ein vorbildhaftes Modell. Alexander Keller, Leiter des Fachausschusses Milch, warnt: Der Milchverbrauch sei zurückgegangen, die Verbraucher halten sich zurück und greifen wegen der Inflation eher ins Niedrigpreissegment.

Die Erlöse sind seit der Preisspitze um 30 bis 40 Prozent rückläufig.

Alexander Keller, Leiter des Fachausschusses Milch

Es gibt aktuell viel Milch am Markt, der Absatz stagniert. „Die Erlöse sind seit der Preisspitze um 30 bis 40 Prozent rückläufig“, erklärt Keller. Auf diese Preise könnten nicht alle Faktoren wie Arbeit, Kapital und Boden entlohnt werden.

Enorme Investitionskosten sind für Kleinbetriebe nicht zu tragen

Gleichzeitig steigen die Produktions– und Investitionskosten aufgrund der politischen Auflagen und Vorschriften auf den Höfen, die für kleine Betriebe nicht tragbar seien. Das begünstige das Aussterben kleiner Betriebe. „Der Aufwand hat sich vervielfacht“, sagt Keller.

Viele kleine Landwirtschaftsbetriebe sterben aus, da sie sich die Investitionen nicht leisten können, um die Auflagen und Vorschriften zu erfüllen. Aber auch langfristig befürchtet er: „Im Süden werden wir dauerhaft Milch verlieren.“ Gründe dafür sieht er im beschleunigten Strukturwandel in der Landwirtschaft.

Kühe im Stall von Kajetan Hecht und Matthias Heckenberger.
Kühe im Stall von Kajetan Hecht und Matthias Heckenberger. (Foto: Milena Sontheim)

Folglich werde der Wegfall der kleineren Höfe von Großbetrieben kompensiert. Große Tierhaltungsanlagen fänden jedoch wenig Akzeptanz in der Gesellschaft.

Kreislaufwirtschaft soll das Klima schonen

Teilweise wird die Landwirtschaft als Klimakiller kritisiert. Milchkühe waren 2021 für ein Drittel des Methan–Ausstoßes in Baden–Württemberg verantwortlich, berichtet das Statistische Landesamt Baden–Württemberg. Wobei sich der Bauernverband und die Betriebsgemeinschaft gegen den Vorwurf positionieren. „Wir haben hier eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Die Viehhaltung ist wichtig für unsere Gegend, das Grünland muss bewirtschaftet werden“, sagt Keller.

Das Futter für ihre Kühe bauen die beiden Landwirte selbst an. Grassilage und Maissilage kommen von den eigenen Wiesen und Äckern. Der Futteranbau mit wechselnder Fruchtfolge sei besonders gut für die Erhaltung der Böden. „Der muss auch noch für die nächste Generation erhalten bleiben“, erklärt Heckenberger.

Forderungen an die Politik

Damit Betriebe weiterhin überleben, wünscht sich der Bauernverband mehr Planungssicherheit von der Politik. Eine Lösung wäre ein Bestandsschutz für ältere Höfe und mehr Wertschätzung in der Gesellschaft, damit es auch weiterhin regionale Milch im Supermarkt zu kaufen gibt.