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Postpaket

Spezial-Staatsanwälte gegen Schleuser und Dealer

München / Lesedauer: 3 min

Zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität gibt es in grenznahen Staatsanwaltschaften nun spezialisierte Ermittler
Veröffentlicht:28.04.2021, 18:00

Von:
  • Schwäbische.de
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Postpakete mit Drogen, Lkw mit Flüchtlingen und gestohlene Luxuswagen – über die zu normalen Zeiten offenen Grenzen Bayerns zu Österreich und Tschechien rollt so manches herein oder auch hinaus, an dem sich Dunkelmänner im Ausland eine goldene Nase verdienen. Im Kampf gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität wurde 2018 die erste Sondereinheit einer grenznahen Staatsanwaltschaft gebildet, nämlich am Landgericht Traunstein. Am Mittwoch meldete Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) den Lückenschluss. Jetzt gibt es für jeden Abschnitt der Außengrenzen des Freistaats, vom Flughafen Memmingen über die Alpenregion bis zum Grenzübergang Waidhaus in der Oberpfalz, eine Sondereinheit der Staatsanwaltschaft nach dem „Traunsteiner Modell“.

Die Sondereinheiten umfassen jeweils zwischen vier und zehn Staatsanwälte und widmen sich ausschließlich der grenzüberschreitenden Kriminalität. Sie sind vernetzt mit den Dienststellen der Bundes- und der bayerischen Grenzpolizei und pflegen Kontakte zu den Staatsanwaltschaften der Nachbarländer sowie zu den europäischen Verbrechensbekämpfern von Eurojust und Europol . Zum Gesamtkonzept zur Bekämpfung organisierter Kriminalität gehört auch eine „Zentralstelle zur Koordinierung der Vermögensabschöpfung“, die bei der Generalstaatsanwaltschaft München eingerichtet ist.

Die klassische „Kundschaft“ der Sondereinheiten bilden Schleuser, Drogendealer, Callcenter- und Enkeltrick-Betrüger sowie Einbrecher- und Autoschieber-Banden aus dem Ausland. Seit Beginn der Pandemie, die die Grenzen zeitweise schwerer passierbar machte, habe sich der Drogenhandel auf den Postweg verlagert, berichtete Eisenreich. Allein im Bereich der Staatsanwaltschaft Hof seien 2020 in 574 Post-Paketen Drogen wie Ecstasy, Amphetamine und LSD sichergestellt worden. Eine Gesetzesinitiative Bayerns , die Postdienstleister zur Auskunft über verdächtige Pakete zu verpflichten, hat der Bundestag bereits in erster Lesung verabschiedet.

In der als erste gegründeten Traunsteiner Spezialeinheit sind fünf Staatsanwälte tätig. Die größte derartige Einheit bilden die Staatsanwaltschaften Landshut, Deggendorf und Passau mit zehn Strafverfolgern. Zug um Zug entstanden weitere spezialisierte Gruppen bei den Staatsanwaltschaften Kempten (sechs Staatsanwälte), Regensburg (sieben), Hof (vier), Memmingen (sechs), Amberg (sieben), Weiden (sechs) und bei der Staatsanwaltschaft München II (vier Staatsanwälte). In die Zuständigkeit der Ermittlergruppen von Landshut fällt der Münchener Flughafen während sich die Memminger um ihren internationalen Airport kümmern.

Die Ermittlungen der Staatsanwälte sind so international wie die Umtriebe der Rechtsbrecher, sagte der Leiter der Traunsteiner Sondereinheit Martin Freudling. So habe man mit Sicherheitsbehörden in Australien, Kolumbien, Serbien, Nigeria, Großbritannien und den Libanon kooperiert. In einem Fall seien zwei Millionen Euro aus einer Betrügerei mit Covid-19-Masken sichergestellt worden. In die Schweiz zurück gingen 1,6 Millionen Schweizer Franken aus dem Überfall auf einen Geldtransport.

Die Hofer Ermittler hatten es nach Angaben ihres Chefs Uwe Demuth nicht nur mit zahlreichen Drogenpaketen, sondern auch mit einer polnischen Autoschieberbande zu tun, die es unter Anwendung spezieller elektronischer Nachschlüssel auf in Deutschland zugelassene Mercedes Sprinter abgesehen hatte. Allein in diesem Fall entstand ein Schaden von zwei Millionen Euro.

Schon seit 2015 ist man in Weiden nach den Worten von Oberstaatsanwalt Christian Härtl mit Menschenhändlern konfrontiert, die Migranten vorwiegend aus Syrien, Afghanistan und dem Irak über die Balkanroute und den größten tschechisch-bayerischen Übergang Waidhaus nach Deutschland schmuggeln. Im Februar 2018 wurden noch in Tschechien 35 Migranten auf den Ladeflächen zweier Lkw entdeckt. Die Angaben der festgenommenen Fahrer führten zur Festnahme zweier Hintermänner in London und in Griechenland, die unlängst zu Freiheitsstrafen von neun beziehungsweise neuneinhalb Jahren verurteilt wurden.