Korruptionsprozess
Prozess gegen Regensburgs suspendierten OB Wolbergs vor Urteil
Regensburg / Lesedauer: 5 min

Schwäbische.de
Nach neun Monaten steht der Korruptionsprozess gegen den suspendierten Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs vor dem Abschluss. Am Mittwoch will das Gericht sein Urteil verkünden. Die Einschätzungen der Staatsanwaltschaft und die der Verteidiger könnten gegensätzlicher kaum sein. Die Staatsanwaltschaft will Wolbergs für viereinhalb Jahre hinter Gittern sehen, seine Verteidiger fordern Freispruch.
Zuvor kommen die Beteiligten jedoch kurzfristig erneut im Gerichtssaal zusammen. Am Montag will sich Wolbergs zum letzten Wort des Mitangeklagten Volker Tretzel äußern. Hierfür tritt das Gericht eigens wieder in die Hauptverhandlung ein, die nach den letzten Worten am Dienstag schon abgeschlossen war.
Für den Bauunternehmer Tretzel fordert die Staatsanwaltschaft ebenfalls viereinhalb Jahre Haft. Sie wirft Wolbergs unter anderem Bestechlichkeit und Tretzel Bestechung vor. Diese Vorwürfe hatte die Staatsanwaltschaft bereits in der Anklage erhoben. Das Gericht hatte diese jedoch nicht zugelassen, weil es keinen hinreichenden Tatverdacht dafür sah. Im Plädoyer bekräftigten die Ankläger diese Vorwürfe jedoch.
Für einen früheren Mitarbeiter Tretzels, Franz W., fordert die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft, für den ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, Norbert Hartl, plädierte sie auf eine sechsmonatige Bewährungsstrafe. Die Anwälte der drei Mitangeklagten forderten auch Freispruch für ihre Mandanten.
Revision ist absehbar
Zu welchem Ergebnis die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes auch immer kommen wird: Man darf davon ausgehen, dass eine der beiden Seiten, Angeklagte oder Anklagebehörde, in Revision gehen wird. Insofern wird das Ende dieses Mammutverfahrens wohl eher ein vorläufiges sein. Und wenn es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft geht, muss sich Wolbergs noch drei weiteren Prozessen stellen.
Einige der Vorwürfe im Überblick: Bei dem Verstoß gegen das Parteiengesetz geht es um eine Spende Tretzels an den SPD-Ortsverein Regensburg-Stadtsüden, dem er der Anklage nach zwischen September 2011 und März 2016 rund 475 000 Euro zukommen ließ. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft soll das Geld in 48 Einzelbeträgen zu je 9900 Euro unter anderem über Mitarbeiter Tretzels an die Partei geflossen sein, um die Herkunft des Geldes zu verschleiern und die Grenze von 10 000 Euro zu unterschreiten, bei der nach dem Parteiengesetz Spender öffentlich gemacht werden müssen.
Tretzel dagegen sagt, die Mitarbeiter hätten aus ihrem Privatvermögen gespendet, was als Zeugen geladene Mitarbeiter im Prozess bestätigten. Tretzel habe sie lediglich gebeten zu spenden. Die Spende sei von der Firma vorgestreckt und später vom Gehalt beziehungsweise Provisionszahlungen abgezogen worden. In seinem letzten Wort am Dienstag sagte Tretzel, schon aus der enormen Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg seiner Firma heraus ergebe sich das Interesse der Mitarbeiter an der Wohnungspolitik der Stadt Regensburg . Sein Verteidiger hatte im Plädoyer darauf hingewiesen, die Spenden seien völlig legal gewesen.
Zusammenhang zwischen Spende und Bauprojekt?
Ob die Spenden in Zusammenhang mit der Vergabe des Bauprojektes Nibelungenkaserne im Jahr 2014 an den Unternehmer stehen, war eine der zentralen Fragen des Prozesses. So soll eine Ausschreibung für das Projekt zu Tretzels Gunsten erneuert worden seien. Vor Gericht sagten sowohl die Angeklagten als auch als Zeugen geladene Stadträte unterschiedlicher Parteien sowie Mitarbeiter der Stadtverwaltung, das Angebot Tretzels sei schlichtweg das beste gewesen.
Das Gericht befasste sich auch mit der Frage, ob Tretzel durch Investitionen in den Jahn Regensburg bei der Vergabe profitiert hat. Tretzels Verteidiger sagte, sein Mandant habe seit 1999 etwa zehn Millionen Euro in den Jahn investiert. „Die letzte Kapitalerhöhung soll nun eine Vorteilsgewährung für Wolbergs gewesen sein?“ Tretzel habe durch sein Engagement beim Jahn niemanden in Abhängigkeit halten, sondern der Stadt etwas zurückgeben wollen.
Die Staatsanwaltschaft sieht eine gegenseitige Abhängigkeit bei Wolbergs und Tretzel jedoch als erwiesen an. Sie bezeichnete Tretzel als den „persönlichen Mäzen“ Wolbergs’ und als „spiritus rector“ eines „korruptiven Systems“. Während Wolbergs auf Spenden für den Wahlkampf und den Unterhalt seines SPD-Büros angewiesen gewesen sei, habe sich der Bauunternehmer das Wohlwollen des Politikers bei der Vergabe von Bauprojekten sichern wollen.
Wolbergs erhielt der Anklage zufolge Vorteile durch den Verkauf vergünstigter Wohnungen an Angehörige sowie durch vergünstigte Renovierungsarbeiten, etwa an einem Ferienhaus in der Nähe von Straubing. Dazu sagte Tretzel-Mitarbeiter Franz W., er habe sich beim Kostenvoranschlag verkalkuliert, so dass die Arbeiten letztlich teurer gewesen seien als zunächst angenommen. Wolbergs gab an, nicht gewusst zu haben, dass ihm nicht der volle Betrag in Rechnung gestellt worden sei.
Die Staatsanwaltschaft sah es zudem als gegeben an, dass Wolbergs’ Mutter und Schwiegermutter deutliche Preisnachlässe beim Kauf von Wohnungen bekamen. Dem hielten die Angeklagten entgegen, die Wohnungen seien nicht günstiger gewesen als an andere Kunden verkaufte vergleichbare Wohnungen.
Wolbergs will wieder in die Politik
Für Wolbergs, aber auch für die anderen Angeklagten, steht einiges auf dem Spiel. Sein Leben sei ruiniert, sagte der 48-Jährige in seinem letzten Wort. Sein Ziel ist klar: Er will weiter Politik machen. Aber nicht mehr für die SPD . Aus der Partei ist er ausgetreten und hat mit einigen Mitstreitern den Wahlverein „Brücke“ gegründet. Bei der Kommunalwahl 2020 will er wieder als OB-Kandidat antreten.