Grenzort
Grenzorte leiden unter Kontrollen
Kiefersfelden / Lesedauer: 4 min

Über die vermeintlichen Erfolge der Grenzkontrollen zu Österreich spricht die bayerische Staatsregierung gerne – die Schattenseiten spart sie dabei aus. So verkündete Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kürzlich stolz, dass die Polizei im vergangenen Jahr allein 286 Schleuser festgenommen habe. Mehr als 11 000 Personen, nach denen gefahndet wurde, seien kontrolliert worden. 2000 davon wurden nach seinen Angaben gleich ins Gefängnis gebracht. Besonders wichtig für den Minister: 14 650 unerlaubte Einreisen wurden laut Polizeistatistik entdeckt. In diesem Zusammenhang wiesen die Beamten gut 7000 Personen an der Grenze zurück. Laut Herrmann rechtfertigt dies die Kontrollen. Die Zahlen sprächen sogar für ihren Ausbau.
Kontrollen seit Herbst 2015
Die negativen Auswirkungen der Grenzwacht nennt die Staatsregierung nicht, beispielsweise in Kiefersfelden im bayerischen Inntal. Am Ortsrand der 7000-Seelen-Gemeinde beginnt bereits die Gemarkung der Tiroler Stadt Kufstein. Wie bei Passau und dem südostbayerischen Freilassing gibt es dort seit Herbst 2015 auf der deutschen Autobahnseite permanente Grenzkontrollen. Hinzu kommen temporäre Checkpoints auf Bundes- und Landesstraßen rund um Kiefersfelden. „Wir spüren die Kontrollen im Ort sehr stark – und zwar negativ“, sagt Bürgermeister Hajo Gruber von der Unabhängigen Wählerinitiative. Wie der Kommunalpolitiker erklärt, hängt dies mit den täglichen Staus auf der Autobahn zusammen.
Der Besuch im Inntal zeigt, dass auch außerhalb von Stoßzeiten Staus auf Tiroler Seite entstehen. Zumindest kommt es zu zähfließendem Verkehr. An der Kontrollstelle gleich am Beginn der A 93 werden die Fahrzeuge auf Schritttempo heruntergebremst. Bundespolizisten machen erst einmal Gesichtskontrollen. Wer verdächtig wirkt, wird unter eine provisorische Dachkonstruktion gewunken. Dort schauen sich Beamte die Menschen genauer an. Osteuropäer oder Italiener mit älteren Kleinbussen haben besonders gute Chancen, herausgewunken zu werden.
Auf Kiefersfelden wirken sich diese Kontrollen auf zweierlei Art aus. „Es gibt einen Ausweichverkehr von der Autobahn her in den Ort. Unsere Straßen sind dann zu“, berichtet Bürgermeister Gruber . Zudem würde der Einzelhandel leiden. Speziell die Laufkundschaft aus dem angrenzenden Kufstein bleibe teilweise weg. „Die Leute“, meint Gruber, „wollen doch nicht im Stau stehen, wenn sie kurz mal einkaufen gehen.“ Er glaubt, dass sich ein riesiges Problem entwickeln könnte. Das größere Kufstein und das kleinere Kiefersfelden seien seit dem österreichischen EU-Beitritt vor 23 Jahren praktisch zusammengewachsen. „Meine beiden Buben gehen beispielsweise in Kufstein aufs Gymnasium. Da können wir keine Grenzkontrollen brauchen“, sagt der Bürgermeister.
Es gibt an der Grenze eine Vereinbarung, dass Kinder aus Kiefersfelden und weiteren grenznahen bayerischen Orten für den Besuch weiterführender Schulen hinüber auf Tiroler Seite dürfen. Der Grund: Die nächste entsprechende Lehranstalt auf deutschem Boden steht rund 25 Kilometer im Hinterland. Christine Pfeiffer, Betreiberin des Hotel-Gasthofes zur Post, erklärt, ihre Tochter ginge auch in Kufstein zur Schule. „Es ist doch schön, dass dies geht“, betont sie. Die Kontrollen der Bundespolizei in der Region findet sie hingegen grenzwertig. Ähnlich wie der Bürgermeister meint sie: „Wenn auf der Autobahn der Verkehr steht, ist auch hier bei uns alles dicht.“
Lebensqualität leidet
Bei Passau sind die Erfahrungen weniger extrem, weil die Autobahn weitab der Stadt die Grenze überschreitet. Im Fall von Freilassing vis-á-vis von Salzburg verläuft die Fernverkehrsstraße aber am Ort. Die Grenzgemeinde hat ähnliche Erfahrungen wie Kiefersfelden gemacht. Täglich stillstehender Verkehr auf der dortigen Autobahn schädigt das örtliche Geschäftsleben und schränkt zumindest entlang der Straßen mit Ausweichverkehr die Lebensqualität der Anwohner ein. Nicht nur Lärm spielt eine Rolle, wie an einem Beispiel in Kiefersfelden deutlich wird. An der Hauptortsdurchfahrt erzählt ein älterer Herr: „Ich habe es immer mehr auf den Lungen. Der Arzt sagt, dies käme durch die vielen Autos.“
Beim Bahnhof der Gemeinde finden sich auf einem kleinen Straßenfest aber dann doch noch Einheimische, die den Kontrollen mehr Gutes als Schlechtes abgewinnen: „Die Polizei erwischt dort schon viele – Kriminelle und Flüchtlinge“, erklärt Rentnerin Frieda Dausch. Es könne schließlich nicht jeder nach Deutschland kommen. Auch für Kiefersfelden seien die Kontrollen gut. Auf die Frage, ob zuvor der Ort unsicherer gewesen sei, antworten die Rentnerin und ihre Begleiter einhellig: „Nein, eigentlich nicht.“ Ein Eindruck, den die örtliche Polizei bestätigt.
Frieda Dausch ergänzt: „Immer den Ausweis zeigen wie früher will ich eigentlich auch nicht.“