Gefahr für Ewigkeit

Sorge wegen erhöhter Konzentration von PFAS im Bodensee

Bodenseeregion / Lesedauer: 3 min

Am See ist man alarmiert nach Hinweisen auf eine erhöhte Konzentration der Chemikalien im Wasser. Wie kommt sie da hin? Und vor allem: Wie gefährlich sind die Substanzen?
Veröffentlicht:22.05.2023, 18:00

Von:
  • Author ImageKatja Korf
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Die Bodensee–Anrainer fürchten um die Wasserqualität des Sees. Sie warnen vor hohen Konzentrationen von bestimmten Industriechemikalien, den PFAS (per– und polyfluorierte Alkylsubstanzen). Diese stehen im Verdacht, das Immunsystem besonders von kleinen Kindern zu schädigen. Trinkwasser–Versorger sehen keinen Grund für Panik.

Untergruppe PFOS sind das Problem

Die Warnung kommt von der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB). Darin haben sich die Anrainerstaaten zusammengetan. Sie warnen, die Konzentrationen für einige PFAS lägen im Bodensee „in einem für die menschliche Gesundheit und fischfressende Vögel sowie Säuger relevanten Bereich“.

Konkret geht es um PFOS, eine Untergruppe der PFAS. Sie kommen etwa in Löschschaum und Lacken, Papier oder Textilien vor. Einige dieser Stoffe sind bereits verboten.

Das Problem: Sie gelten als „Ewigkeitschemikalien“ und werden in der Natur nicht abgebaut. Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind nahezu alle Menschen in Deutschland den Stoffen ausgesetzt. Laut Umweltbundesamt gelangen sie auf verschiedenen Wegen ins Oberflächen– und Grundwasser, und die Nahrung.

Gefahren von PFAS nicht abschließend geklärt

Ob die PFAS negative Folgen für Menschen haben, ist noch nicht abschließend untersucht. Das liegt auch daran, dass die PFAS–Gruppe mehrere Tausend einzelne chemikalische Verbindungen umfasst.

Laut UBA und BfR können zu hohe Konzentrationen besonders bei Säuglingen die Wirkung von Impfungen abschwächen, es gibt demnach auch erste Belege für Beeinträchtigungen des Immunsystem bei Erwachsenen. In Tierversuchen gab es Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko, laut UBA haben sich diese jedoch in Untersuchungen bei Menschen bislang nicht bestätigt.

PFAS–Hotspot im Kreis Biberach

Die Landesanstalt für Umwelt Baden–Württemberg (LUBW) kontrolliert seit 2015, ob PFAS in Böden und Gewässern vorkommen. Sie geht davon aus, dass diese PFAS flächendeckend vorhanden sind. Allerdings gilt die Konzentration an neun von zehn Messstellen als sehr gering.

Anders ist das, wenn wie 2007 großen Mengen der Chemikalien in die Umwelt gelangen. Damals brannte das Shredderwerk bei in Herbertingen (Kreis Sigmaringen). Es wurde ein mittlerweile verbotener Löschschaum eingesetzt, 2012 entdeckten Kontrolleure dann in einem Brunnen in Ertingen (Kreis Biberach) PFAS. Der Brunnen wurde stillgelegt, das Grundwasser weiter regelmäßig kontrolliert.

„Keine Gefahr für Verbraucher“

Ein ähnliches Problem gab es auf der Schweizer Seite des Bodensees. Dort floss 2020 beim Verpackungskonzerns Amcor nahe Rorschach Löschschaum in den See. Vor allem in Speisefisch wie dem Felchen könnten sich PFOS anreichern, warnen die Bodenseeanrainer. Was das Trinkwasser angeht, geben Versorger wie die Bodensee Wasserversorgung Entwarnung.

„Durch regelmäßige Messungen in unserem Labor sowie bei anderen Gewässerschutzinstitutionen konnten zu keinem Zeitpunkt Auffälligkeiten im Bodensee beobachtet werden.

Das Labor der Bodensee Wasserversorgung weist im Bodenseewasser ubiquitär (Anm. d. Red: überall) seit Jahren konstant 0,001 bis 0,002 Mikrogramm/Liter PFOS nach. Der Trinkwasser–Leitwert des Umweltbundesamtes beträgt 0,1 Mikrogramm/Liter und liegt somit deutlich über der im Bodensee enthaltenen Konzentration“, teilte eine Sprecherin am Montag mit. Für die Konsumenten habe bislang keine eine Gefahr durch PFAS bestanden.

EU–weite Verbote gefordert

Die IGBK beziehe sich bei ihrer Warnung auf EU-Norm, der mögliche Gefahren durch PFAS für Fische und Vögel ausschließen solle. Die Grenzwerte für Trinkwasser seien andere und nicht vergleichbar.

Wegen der unklaren Gefahrenlage fordern Politiker aller Parteien aber Verschärfungen von Grenzwerten und Verboten. So fordern die Umweltminister der Bundesländer ebenso wie die Bodensee–Anrainer EU–weite Verbote und Regeln.