Drohbrief
Vorsitzender des NSU-Ausschusses persönlich bedroht
Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Ein Drohbrief an den Ausschussvorsitzenden, Sicherheitsbedenken rund um einen Zeugen, massive Polizeipräsenz im Landtag: wer sich den Morden des rechtsextremen NSU widmet, bewegt sich auch zehn Jahre nach der Verbrechensserie auf sehr heiklem Terrain.
Es ist bereits der zweite Untersuchungsausschuss, in dem sich Landtagsabgeordnete mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ beschäftigen. Sie beleuchten vor allem, welche Verbindungen die drei Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe in die rechte Szene Baden-Württembergs hatten. Das Trio hat nach jetzigen Erkenntnissen zwischen zehn Menschen aus fremdenfeindlichen Motiven getötet.
Zwei Neonazi-Größen geladen
Am Montag nun hatte der Ausschuss zwei ehemaligen Neonazi-Größen aus Thüringen vorgeladen. Tino Brandt, 43, und Sven R. Brandt war eng mit dem Terrortrio befreundet, traf sich regelmäßig mit ihnen, bevor sie 1998 in die Untergrund gingen. Er zählte sich und das Trio zu den führenden Figuren der Szenen in Ostdeutschland. R. wird verdächtig, die Rechtsterroristen mit Waffen versorgt zu haben.
Die prominente Zeugenliste war nach Ansicht des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) einigen ein Dorn im Auge. „Offenbar gibt es Menschen, denen es nicht passt, dass wir hier diese Kaliber einladen“, sagte Drexler. Sein Büro hatte am Morgen einen Drohbrief erhalten. Außerdem hatten Sicherheitsbehörden in Thüringen einen „Vorfall“ im Umfeld von R. nach Stuttgart vermeldet. Dem Vernehmen nach wurde eine Patrone gefunden.
Sitzungssaal gesichert
Beides zusammen besorgte die Polizei dermaßen, dass sie mit einem ungewöhnlich großen Aufgebot den Stuttgarter Landtag sicherte. Alle Besucher wurden durchsucht, Polizisten sicherten zeitweise den Sitzungssaal.
Dort sagte am Montag doch nur Brandt aus, R. meldete sich krank. Brandts Rolle rund um den NSU ist bereits bekannt, unter anderem sagte er im Prozess gegen Beate Zschäpe in München aus. Brandt spielte lange ein Doppelspiel. Er war nicht nur wichtiger Organisator und Kontaktmann der Szene, er arbeitete außerdem für den Thüringer Verfassungsschutz .
Verfassungsschutz finanzierte Terrorismus
An diesen gab er nach eigenen Angaben Informationen über die Kameraden weiter. Dafür kassierte er umgerechnet rund 100.000 Euro von der Behörde. „Hinzu kamen auch noch Auslagen“, so Brandt am Montag. Der Freistaat haben Reisen rechten Kundgebungen ebenso gezahlt wie Anwaltskosten. Und nicht nur das: „Natürlich wusste das Landesamt, dass ich auch Geld an das Trio weiter gab.“ Sprich: Der Verfassungsschutz finanzierte die Aktivitäten der NSU-Terroristen. Ein bekannter, aber immer wieder bezeichnender Fakt, der das Behördenversagen rund um die NSU belegt. Der Fall hatte nicht umsonst eine Debatte um den Einsatz von V-Männern durch Sicherheitsbehörden ausgelöst.
Wenig Erhellendes trug Brandt zur Frage bei, ob und wenn ja welche Unterstützung das Terror-Trio aus Baden-Württemberg hatte. Brandt gab zwar zu, ein Haus bei Heilbronn gekauft zu haben. Ermittler hatten vermutet, es könne dem Trio als Unterschlupf gedient haben, etwa nach dem Mord an der Heilbronner Polizistin Michelle Kiesewetter. Brandt dementierte, näheres über das Haus zu wissen. Er habe es im Auftrag eines Bekannten erworben. Was dieser damit gemacht habe, habe er nicht mitbekommen. Er selbst sie mehrfach in Baden-Württemberg gewesen, etwa zu Kundgebungen und Mahnwachen. Doch engere Kontakte in die Südwesten habe es nicht gegeben.