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Unterricht in Gefahr

Gewerkschaft will mehr Lehrer aus dem Ausland

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Die Gewerkschaft Bildung und Erziehung fordert in einer neuen Resolution, mehr Lehrkräfte einzustellen. Warum sie die Unterrichtsqualität massiv bedroht sieht.
Veröffentlicht:25.05.2023, 18:48

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Egal ob Lesen, Schreiben oder Rechnen — Studien zeigen schon seit Jahren, dass sich Schüler im Südwesten in nahezu allen Bereichen verschlechtern. Die Personalversammlungen der vier Schulämtern im Regierungspräsidium Tübingen — Albstadt, Biberach, Markdorf und Tübingen — haben nun eine Resolution verabschiedet. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Südwesten hat sie am Donnerstag öffentlich gemacht. Der Tenor ist eindeutig: Es braucht mehr Geld und mehr Lehrkräfte.

Was steht in der Resolution?

Die Resolution spricht sieben Kernbereiche an. Was sich aber unübersehbar durch das gesamte Papier zieht, ist der Lehrkräftemangel. „Wir brauchen einfach mehr Lehrer“, sagt David Funes, Mitglied im GEW–Kreisvorstand Bodensee–Ravensburg. „Die Tätigkeiten fernab des Unterrichts wie Schülergespräche oder Verwaltungsaufgaben haben massiv zugenommen“, betont er. „Darunter leidet die Qualität in unserem Kerngeschäft: dem Unterricht.“

Bei den rund 600 Schulen in den Bezirken der vier Schulämter im Regierungspräsidium Tübingen gebe es derzeit etwa 16.000 Lehrkräfte, so Funes. Das sei zu wenig. Um dem Personalmangel entgegenzutreten, fordern die Schulämter in ihrer Resolution etwa eine unbürokratische und schnellere Anerkennung zugewanderter Lehrkräfte und mehr Möglichkeiten auf Teil– oder Altersteilzeit.

Außerdem sollten Lehrkräfte eines multiprofessionellen Teams — also Beschäftigte ohne Lehramtsausbildung wie etwa Sozialpädagogen oder Integrationshelfer — nicht mehr befristet eingestellt werden. „Es kostet unfassbar viel Zeit, diese Menschen jedes Jahr neu einzulernen“, sagt Heidi Drews, GEW–Vorsitzende im Kreis Biberach.

Gerade die Möglichkeit zur Teilzeit für Lehrkräfte will das zuständige Kultusministerium unter Ministerin Theresa Schopper (Grüne) aber deutlich einschränken. In ihrem erst am 31. März diesen Jahres vorgestellten 18–Punkte–Plan zur Unterrichtsversorgung im Südwesten heißt es, die voraussetzungslose Teilzeit ab dem Schuljahr 2024/25 nur noch im Umfang von mindestens 75 Prozent zu ermöglichen.

Viele Lehrkräfte arbeiten reduziert, weil sie es gar nicht anders schaffen

Heidi Drews

Das sei der genau falsche Weg, meint Heidi Drews. „Viele Lehrkräfte arbeiten reduziert, weil sie es gar nicht anders schaffen und können bei vollem Lehrauftrag die Qualität gar nicht aufrecht erhalten“, sagt sie. Die Idee des Kultusministeriums mache den Beruf des Lehrers noch unattraktiver. In der Resolution werden zudem mehr ausgebildete Sonderschullehrkräfte für die Inklusion, mehr Entlastungen für Schulleitungen und mehr Ressourcen für die stockende Digitalisierung in den Klassenzimmern gefordert.

Warum geht die GEW mit der Resolution an die Öffentlichkeit?

GEW–Kreisvorsitzende Drews glaubt, dass die Ideen im 18–Maßnahmen–Programm von Bildungsministerin Schopper nicht ausreichen. „Wir wollen mit dieser Resolution über die Probleme im Bildungssystem informieren und zeigen, wo der Schuh überall drückt.“ Ihr GEW–Kollege Funes gibt zu, dass es durchaus zwei, drei gute Punkte im Plan des Kultusministeriums zur Unterrichtsversorgung gebe, wie etwa die Bezahlung befristet angestellter Lehrkräfte in den Sommerferien.

Überwiegend lese er den 18–Punkte–Plan von Schopper aber „wie das Ausquetschen einer Zitrone bis auf den letzten Tropfen.“ Mit der Resolution wolle die GEW auch in der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Thematik schaffen. „Je mehr Aufmerksamkeit das Problem in der Bevölkerung hat, umso größer ist die Chance, auch politisch endlich etwas zu bewirken“, betont Funes.

Wie dramatisch sind die Probleme an den Schulen?

Es fehlt überall an Lehrkräften, erklärt Heidi Drews. Und die Lehrer, die da sind „füllen nur noch Lücken.“ Mittlerweile sei die Belastungsgrenze überschritten. „Das merke ich an der Zahl der Beratungsgespräche mit Lehrern, die ihren Job aufgeben wollen“, sagt sie. Die logische Konsequenz, wenn Lehrer fehlen: Der Unterricht entfällt.

So gebe es in manchen Schulämtern Bildungsstätten, bei denen aufgrund des Lehrermangels für manche Klassen eine Vier–Tage–Woche eingeführt wurde, berichtet Drews. Ihr GEW–Kollege Funes stimmt ihr zu: „Es gibt auch Schulen in der Region, an denen die Hälfte aller Lehrkräfte gar keine Lehramtsausbildung haben.“ So extrem sei der Mangel. „Am Ende fehlt Geld und fehlen eben vor allem qualifizierte Lehrkräfte“, erklärt er.

Was sagt das Kultusministerium zur Resolution?

„Einen Großteil der im Papier genannten Forderungen hat die Landesregierung in ihrem 18–Punkte–Plan zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung bereits aufgegriffen“, sagt Jochen Schönmann, Pressesprecher des Kultusministeriums. So werde etwa die Qualifikation zugewanderter Lehrkräfte beschleunigt oder die Einführung multiprofessioneller Teams vorangetrieben. Außerdem „gibt es keinen isolierten Lehrkräftemangel, sondern einen flächendeckenden Fachkräftemangel über die gesamte Breite der Berufssparten hinweg.

Diese Herausforderungen betreffen keineswegs nur die Schulen und gerade weil das so ist, ist die Situation auch nicht mit einigen wenigen Maßnahmen zu lösen“, so Schönmann. Gleichzeitig würden deutlich mehr Schüler an die Schulen strömen als in den vergangenen Jahren, „allein an den Grundschulen bedeutet das im nächsten Jahr ein Plus von rund 18.300 Kindern, das entspricht etwa 650 zusätzlichen Klassen.“ Das sei nicht zuletzt den hohen Flüchtlingszahlen aus der Ukraine aber auch Fluchtbewegungen aus anderen Konfliktregionen der Welt geschuldet.