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Mehr Bürokratie

Umsatzsteuer an Schulen: Warum der Staat jetzt den Kuchenverkauf besteuert

Baden-Württemberg / Lesedauer: 5 min

Schulen müssen ab 2025 Umsatzsteuer zahlen. Auf zwölf Seiten geht es allein um Kuchenverkauf. Was Schulleiter aus der Region davon halten.
Veröffentlicht:20.11.2023, 18:00

Von:
  • Ulrich Mendelin
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Ein Kuchenbuffet, der Auftritt der Theater-AG oder der Verkauf von Selbstgebasteltem in der Vorweihnachtszeit: An Schulen wechseln immer wieder Geldbeträge den Besitzer, oft sind es nur ein paar Euro. Unter Umständen müssen Schulen dafür bald Steuern zahlen.

Grund ist eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Ab spätestens 1. Januar 2025 unterliegen auch viele staatliche Stellen, darunter Schulen, der Umsatzsteuer. Allein beim Regierungspräsidium in Tübingen werden zwei Leute dafür abgestellt, um Fragen von Schulleitern zu dem Thema zu beantworten.

Und das baden-württembergische Kultusministerium hat eine elf Seiten umfassende Handreichung herausgegeben, ergänzt um zwölf Seiten Anlage ausschließlich zum Kuchenverkauf an Schulen.

„Die insbesondere bei den Schulleitungen teilweise entstandene Verunsicherung nehmen wir sehr ernst“, heißt es in einem Schreiben aus dem Haus von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) an die Schulen in Baden-Württemberg, das der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt.

Mit der beigefügten Handreichung versucht das Ministerium den Schulleitern bei der Umsetzung der neuen Vorgaben zu helfen. Ein ähnliches Merkblatt gibt es auch vom bayerischen Kultusministerium.

„Organe der Schule“ steuerpflichtig

Entscheidend ist demnach künftig, wer das Geld kassiert: Tritt die Schule selbst als Verkäuferin von Tortenstückchen oder Theatertickets auf, fallen 19 Prozent Umsatzsteuer an. Das gilt auch, wenn Elternbeirat, Schülermitverwaltung oder Theater-AG zur Kasse bitten. Diese gelten jeweils als „Organ der Schule“.

Steuerrechtliche Themen haben wir in der Ausbildung nicht vermittelt bekommen.

Elke Ray

Zu beachten ist außerdem, ob ein Verkauf dem Schulbetrieb zugutekommt und zum Beispiel für eine Klassenfahrt verwendet wird. Dann ist das Land steuerpflichtig. Wenn hingegen ein neues Klettergerüst für den Schulhof angeschafft werden soll, muss der Schulträger Steuer zahlen, also die Kommune.

In der Praxis wird das nicht so leicht, ahnt Elke Ray, Vorsitzende der Direktorenvereinigung Südwürttemberg und Leiterin des Gymnasiums Ochsenhausen. „Es wird eine große Herausforderung, das zuzuordnen“, sagt die Pädagogin.

„Steuerrechtliche Themen haben wir in der Ausbildung nicht vermittelt bekommen.“ Sie ist froh, dass das Regierungspräsidium Tübingen eigens zwei Ansprechpartner zur Verfügung stellt.

Anleitung zur Steuervermeidung

In weiten Teilen liest sich die Handreichung des Kultusministeriums indes wie eine Anleitung zur Steuervermeidung. Denn die Umsatzsteuer kann man umgehen.

Beispiel Schülerzeitung: Wird sie von einer AG erstellt, muss die Schule Steuern zahlen ‐ wenn eine Schülergruppe sie in Eigenregie herausgibt, aber nicht. Steuerfrei bleibt auch der von einer Klasse selbstständig und einmalig organisierte Kuchenverkauf, der die Kasse fürs Schullandheim aufbessern soll.

Viele Schulen haben außerdem einen Förderverein. Auch dessen Aktionen sind für die Schule steuerlich irrelevant.

Womöglich müssen Fördervereine deswegen künftig häufiger als Veranstalter einspringen, wo bisher die Schule tätig wurde. Am Biberacher Wieland-Gymnasium war das in diesem Jahr bereits bei einem Konzert der Fall ‐ während der Heimattage traten ehemalige Schüler mit ihren Bands auf.

Ähnliche Konzerte wurden bislang von der Schülermitverwaltung veranstaltet, nun erstmals von zwei Fördervereinen. Denn in Biberach gelten die neuen Regeln schon seit Januar.

Die Stadt hat im Gegensatz zu den meisten kommunalen Schulträgern auf eine Übergangsfrist bis Anfang 2025 verzichtet, unter anderem weil sie andernfalls steuerliche Nachteile für ein anderes städtisches Projekt, das Innovations- und Technologietransferzentrum, fürchtete.

Größere Anstrengungen

„Vieles kann man umgehen, indem eben ein anderer Veranstalter auftritt“, sagt Ralph Lange, Leiter des Wieland-Gymnasiums und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Biberacher Schulleiter, mit Blick auf steuerliche Pflichten der Schule.

„Aber das sind schon größere Anstrengungen.“ Zumal dann mehr Arbeit an den Ehrenamtlern im Förderverein hängen bleibt. Zudem gibt es Schulen, die gar keinen Förderverein haben.

Wir müssen jedes Mal prüfen, wer der Veranstalter ist und wem die Steuerpflicht zuzuordnen ist

Ralph Lange

Und auch sie müssen aufpassen. Das Finanzamt verschont einen Förderverein nur dann, wenn seine unternehmerische Tätigkeit die Schwelle von 22.000 Euro im Vorjahr oder voraussichtlich 50.000 Euro im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet.

Allein mit dem Verkauf von Blechkuchen dürfte der Betrag schwer zu erreichen sein, doch gerade bei Fördervereinen größerer Schulen „gehen schon größere Summen über die Konten“, wie die Ochsenhausener Rektorin Ray sagt. An ihrem Gymnasium unterstütze der Verein etwa die Leseförderung und die Ausbildung der Schüler an der Tastatur, das Schreiben mit zehn Fingern.

Man gewöhnt sich dran

In Biberach hat sich Schulleiter Lange nach fast einem Jahr zwar an die neuen Vorgaben gewöhnt. Der zusätzliche Aufwand aber bleibt. „Wir müssen jedes Mal prüfen, wer der Veranstalter ist und wem die Steuerpflicht zuzuordnen ist“, sagt Lange.

Er hätte sich eine weniger bürokratische Lösung gewünscht. „Bei den ursprünglichen steuerlichen Überlegungen hatte man die Schulen vermutlich nicht im Blick.“

Zu viel Bürokratie für die Schulen durch die neuen Regeln beklagt auch der Tuttlinger CDU-Landtagsabgeordnete Guido Wolf. „Es fehlt mir nicht an notwendiger Selbstkritik, einzuräumen, dass letztlich alle Parteien, auch meine, an dem Bürokratiedickicht, in dem wir uns heute verheddern, mitgewirkt haben“, sagt der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag, bei dem auch das Thema Bürokratieabbau angesiedelt ist.

„Aber solange wir nur über die Notwendigkeit des Bürokratieabbaus reden, tatsächlich aber täglich neue Regeln erfinden, wird das nicht funktionieren.“ Es brauche mehr Eigenverantwortung und „einen echten und ehrlichen Abbau von Bürokratie“.

Kaffeekasse bleibt steuerfrei

Das Stuttgarter Kultusministerium hält für sein pädagogisches Personal allerdings auch eine gute Nachricht bereit: Die Kaffeekasse im Lehrerzimmer bleibt steuerfrei, solange die Lehrer sie in Eigenregie organisieren.

Die Umsätze, heißt es in der Handreichung, seien dann nicht der Schule zuzurechnen, sondern der „Lehrergemeinschaft bzw. kaffeetrinkenden Personengemeinschaft (Kaffeegemeinschaft)“.