Tanzverbot
Tanzverbote sollen auf den Prüfstand
Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Getanzt wird viel im Land, häufig auch lang. Nur nicht an allen Tagen. Das „Gesetz über die Sonntage und Feiertage“ verbietet Party-Stimmung rund um die Uhr, etwa am morgen anstehenden Buß- und Bettag. Dieser wird von evangelischen Christen immer am Mittwoch vor dem sogenannten Ewigkeitssonntag gefeiert. 1995 hat er zwar seinen Status als bundesweit geltender gesetzlicher Feiertag eingebüßt. Zur Teilfinanzierung der Pflegeversicherung strich ihn die damalige Bundesregierung aus der Liste. Als „kirchlicher Feiertag“ blieb er aber erhalten. Von drei Uhr bis Mitternacht gilt deshalb ein Tanzverbot.
Als nicht mehr zeitgemäß kritisieren die Grünen im Land die aus ihrer Sicht in Baden-Württemberg besonders strengen Feiertagsauflagen. Deshalb fordern sie die Landesregierung dazu auf, die Zahl der Tage mit Veranstaltungs- und Tanzverboten „auf einige wenige zu reduzieren“. Traditionen einzelner Religionsgemeinschaften dürften nicht mehr zum allgemeinen Gesetz für alle erhoben werden. Bestehen bleiben sollen die Einschränkungen allerdings an Tagen, „die in besonderer Weise für die Religionsgemeinschaften relevant und in der Bevölkerung auch als solche akzeptiert sind“.
Die Suche nach neuen Regeln steht allerdings erst am Anfang. Nach den Grünen hat bislang nur die SPD signalisiert, dass einzelne Bestimmungen auf den Prüfstand kommen sollen. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), bekennender Katholik, zeigte sich vor Kurzem bei einer Tagung mit Vertretern der Diözese Rottenburg-Stuttgart offen für eine Neubesinnung: „Mit der zunehmenden religiösen Pluralisierung kommen auch ganz neue, nicht-christliche Feiertage in den Blick“, sagte er. Gleichwohl baue er auf „einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir als Gesellschaft insgesamt solche Tage der Unterbrechung brauchen“.
Nur an vier Tagen – Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und am ersten Weihnachtsfeiertag – gilt ein totales Tanzverbot. An fünf Tagen, etwa an Allerheiligen, verbietet das Gesetz von drei bis 24 Uhr den Tanzbetrieb. An normalen Sonntagen und weiteren Feiertagen darf in öffentlichen Räumen von drei bis elf Uhr nicht getanzt werden. Theoretisch muss deshalb auch in der Nacht von Silvester auf Neujahr um drei Uhr in der Früh Schluss sein mit dem Treiben auf der Tanzfläche.
Doch das Gesetz schränkt noch mehr ein. Generell verboten sind an Sonntagen und Feiertagen zum Beispiel Treibjagden. Auch organisierter Sport ist nicht täglich rund um die Uhr möglich. Klar geregelt ist im Feiertagsgesetz wiederum, dass „leichte Arbeiten in Gärten, die von den Besitzern selbst oder ihren Angehörigen vorgenommen werden“, sonntags durchaus erlaubt sind.
Kirchen wollen „gute Lösung“
Im Stuttgarter Innenministerium wurde am Montag betont, derzeit läge noch kein Prüfauftrag vor. Die Fraktionen müssten zunächst aktiv werden. Ein Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart stellte klar, die katholische Kirche sei zwar grundsätzlich zu Gesprächen bereit und an einer „guten Lösung“ interessiert. Generell nehme aber die Feiertagskultur bei den Kirchen einen hohen Rang ein. Die „Erinnerung an verbindend-verbindliche Werte“ müsse auch in Zukunft möglich sein. Dringenderen Gesprächsbedarf sehen die katholischen Bischöfe auf einem anderen Themenfeld. So wollen sie am heutigen Dienstag bei ihrem Jahresempfang in Stuttgart die Rolle des Menschen „in den sozialen Medien“ diskutieren. Auch Winfried Kretschmann wird eine Rede halten.