Krieg in der Ukraine

SPD-Mitglieder starten Aufruf gegen Waffenlieferungen an Ukraine

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Zu den Erstunterzeichnern gehört auch die ehemalige Ulmer Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis. Wer noch dazu gehört und was Landesparteichef Andreas Stoch davon hält.
Veröffentlicht:05.06.2023, 17:10

Von:
  • Kara Ballarin
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In der SPD formiert sich Widerstand gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Einen Aufruf mit dem Titel „Diplomatie und Deeskalation“ haben bislang 60 Genossen unterzeichnet, elf von ihnen stammen aus Baden–Württemberg — darunter die ehemalige Ulmer Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis. In der Partei und in Parlamenten haben die meisten von ihnen nichts zu sagen — wie auch SPD–Landeschef Andreas Stoch sagt.

Hilde Mattheis gehört zu den ersten Unterzeichnungen des Aufrufs (Foto: Dre)

Mehrfach forderten Prominente in Deutschland ein Ende desKrieges und hierfür der Waffenlieferungen. Die Linken–Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer etwa hatten im Februar zum „Aufstand für den Frieden“ aufgerufen. Je nach Quelle schlossen sich 13.000 bis 50.000 Menschen der Demonstration in Berlin an.

Nur ein aktiver Abgeordneter

Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs aus dem Südwesten zählen unter anderem der Friedenspreisträger Holger Rothbauer und der Ehrenpräsident des Club of Rome, Ernst Ulrich von Weizsäcker. Auffällig ist, dass außer dem Backnanger Landtagsabgeordneten Gernot Gruber kein weiterer aktiver, sondern nur ehemalige Abgeordnete aus Bundes– und Landtag unterzeichnet haben. Warum? Gruber vermutet, dass der Aufruf erst noch bekannter werden müsse und manch Abgeordneter abwarte, wie die SPD–Führung reagiert.

„Ich maße mir an, meine eigene Meinung zu vertreten“, sagt er. Mit dem Slogan „Mehr Diplomatie wagen“ knüpfe der Anruf an die Ost–Entspannungspolitik in der Tradition von Willy Brandt und dessen Motto „Mehr Demokratie wagen“.

Der Aufruf lässt gleich zu Beginn keinen Zweifel daran, wer aus Sicht der Unterzeichner für den Ukrainekrieg verantwortlich ist. Die Rede ist vom „völkerrechtswidrigen Angriff der russischen Armee auf die Ukraine“, verbunden mit der Forderung: „Die russische Regierung muss ihren Angriffskrieg stoppen und ihre Soldaten zurückziehen.“

Verhandlungen statt Waffenlieferungen

Um dies zu erreichen, brauche es mehr Verhandlungen, die es in Bezug auf Getreideexporte oder Gefangenenaustausche bereits gebe, heißt es im Papier. „Wir lehnen daher die Lieferung von Kampfflugzeugen, Kriegsschiffen, Mittelstreckenraketen und weiteren Kampfpanzern ab.“

Wie die Ukraine sich dann gegen Angriffe Russlands wehren soll, erläutert der Aufruf nicht. Er enthält indes konkrete Forderungen. So sollen Wirtschaftssanktionen gegen Russland wieder fallen, um die Situation zu deeskalieren. Auch sollen „alle Möglichkeiten, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen, (...) genutzt werden“. Die Unterzeichner fordern eine nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung. „Eine Eskalation von Waffenlieferungen ist zu verhindern.“

Es darf keinen Diktatfrieden zulasten der Ukraine geben. Diese klare Aussage fehlt mir in dem jetzt veröffentlichten Aufruf.

Andreas Stoch

Andreas Stoch, SPD–Chef im Land und der Landtagsfraktion, zeigt Verständnis für die Unterzeichner. „Auch ich will, dass der Krieg möglichst schnell endet und die Waffen schweigen“, sagt er der „Schwäbischen Zeitung“. „Aber das ist keine Entscheidung, die wir für die Ukraine treffen können. Es darf keinen Diktatfrieden zulasten der Ukraine geben. Diese klare Aussage fehlt mir in dem jetzt veröffentlichten Aufruf.“

Deshalb komme für ihn ein Waffenstillstand um jeden Preis nicht in Betracht. „So lese ich das auch in dem Aufruf nicht“, sagt er. Die Unterzeichner forderten ja keinen sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen, sondern richteten sich gegen eine Eskalation. „Auch an dieser Formulierung erkennt man, dass sich die Verfasser selbst mit einer Grenzziehung schwer tun.“

Unterstützung für den Kurs des Kanzlers

Stoch bezweifelt, dass der Aufruf viele SPD–Mitglieder mobilisiere, wie er sagt. Die Mehrheit in der Partei und der Gesellschaft unterstütze den Kurs von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht als Bevormunder auftreten

Gernot Gruber

„Deutschland darf nicht in den Krieg hineingezogen und selbst Kriegspartei werden, muss in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen und immer gemeinsam mit den internationalen Partnern handeln. Das sind die drei Prämissen, nach denen Olaf Scholz handelt“, sagt Stoch und ergänzt mit einem Seitenhieb auf die Unterzeichner: „Das wird von niemandem in Frage gestellt, der heute politische Ämter bekleidet.“

„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht als Bevormunder auftreten“, sagt Gruber zum möglichen Vorwurf, der Westen könne die Ukraine zum Frieden zwingen. Es sei aber vertretbar, die Unterstützung für das Land an Friedensgespräche zu knüpfen.