"Schwach im Tun"

Studie: Südwesten verfehlt seine Klimaziele

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Eine neue Studie bescheinigt dem Land zu geringe Ambitionen im Klimaschutz. Dabei hat eine Expertin konkrete Ideen, wie es doch noch mit null Emissionen bis 2040 klappt.
Veröffentlicht:30.03.2023, 17:45

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  • Author ImageKara Ballarin
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Zu langsam, zu wenig ambitioniert: Aus heutiger Sicht wird Baden–Württemberg seine Klimaziele verfehlen. Zu dieser Erkenntnis kommt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der SPD–Landtagsfraktion. Für Maike Schmidt, Vorsitzende des Klimasachverständigenrats des Landes, ist das nicht neu.

Die grün–schwarze Koalition hat im Klimaschutzgesetz festgelegt, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren. Bis 2040 soll das Land klimaneutral sein — fünf Jahre früher, als es der Bund vorsieht. „Das Land ist ganz stark im Wollen und Wünschen, aber ganz schwach im Tun“, sagt SPD–Chef Stoch bei der Vorstellung der Studie.

Gute, aber zu wenig Förderung

In den Modellrechnungen der Studie zeige sich, dass die Förderungen des Landes in die richtige Richtung gingen, so Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des DIW. Sie seien aber nicht ambitioniert genug.

Die Forscher haben drei Bereiche untersucht. Im Gebäudesektor müsste die Sanierungsrate von bislang einem auf 3,8 Prozent pro Jahr steigen. Der CO2–Ausstoß müsste um jährlich vier statt wie bisher um 0,4 Prozent sinken. Investionskosten für Heizungsaustausch und Sanierungen bis 2030: 70 Milliarden Euro.

Beim Verkehr hat der CO₂–Ausstoß sogar zugenommen. Der mit Benzin und Diesel betriebene Individualverkehr müsse von 86 auf 72 Prozent zurückgehen. Um Mobilität für alle sicherzustellen, brauche es 33 Milliarden Euro an Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, in E–Mobilität und Infrastruktur. Im Bereich Strom und Wärme müsste der CO₂–Ausstoß statt jährlich um 0,8 künftig um sechs Prozent sinken. Der Anteil erneuerbarer Energien müsse drastisch steigen, Fernwärmenetze massiv zunehmen. Hierfür seien 28 Milliarden Euro nötig.

Investitionskosten: 131 Milliarden Euro

Allein für diese drei Bereiche berechnet das DIW also Investitionskosten von 131 Milliarden Euro in den kommenden sieben Jahren, die sich auf Staat, Wirtschaft und Bürger verteilen sollen. Als sehr problematisch bezeichnet Kemfert zudem, dass Fachkräfte fehlten — 110.000 für den Gebäudesektor, 60.000 für den Bereich Strom– und Wärme sowie 15.000 für den ÖPNV–Ausbau.

„Diese Hemmnisse werden nicht adäquat adressiert“, so Kemfert. Genau das habe die Grünen–Fraktion im Blick und arbeite an Vorschlägen, um mehr Menschen von Teil– in Vollzeit zu bringen, Aus– und Weiterbildung zu verbessern und mehr ausländische Fachkräfte zu gewinnen, erklärt Fraktionschef Andreas Schwarz.

Mit diesen Zahlen lässt sich weiterarbeiten.

Fritz Mielert, BUND

Kemferts Fazit: „Die landespolitischen Maßnahmen genügen nicht, sie sind nicht ambitioniert genug und garantieren die Zielerreichung nicht. Hier sind wir uns mit Klimasachverständigenrat einig.“ Dessen Vorsitzende Maike Schmidt hatte sich schon im Februar enttäuscht geäußert, als das Land das Klimamaßnahmenregister (KMR) vorgestellt hat. Es soll die Maßnahmen bündeln, durch die das Land seine Klimaziele erreicht — und stetig fortgeschrieben werden.

„Dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, ist nichts Neues“, sagte Schmidt nun zur DIW–Studie. Gut sei aber, dass die Studie Investitionskosten, Fachkräftemangel und Probleme bei den Lieferketten anspreche. Auch der Naturschutzverband BUND lobt dies als wertvoll. „Mit diesen Zahlen lässt sich weiterarbeiten“, so Fritz Mielert vom BUND–Landesverband.

Bürger können Maßnahmen vorschlagen

„Wir hoffen nun auf Impulse der Bürgerbeteiligung“, sagt Schmidt. Seit dieser Woche ist das KMR auf dem Beteiligungsportal des Landes eingestellt. Jeder Bürger kann bis 8. Mai eigene Ideen einbringen. Die vom DIW berechneten Milliardenkosten für nötige Investitionen sind laut Schmidt gar nicht so hoch, wie sie scheinen.

Wir sollten rauskommen aus der ständigen Diskussion um Ziele und uns mehr um Maßnahmen kümmern.

Raimund Haser, CDU

Es seien jährlich weniger als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes. Wichtig sei, dass das Land die Bürger unterstütze — etwa beim Heizungstausch jenen einen Kredit verschaffe, die bei einer Bank schlechte Karten hätten.

Die Koalition gehe die „Herausforderungen im Land entschlossen und konkret an“, hält der Umweltexperte der CDU–Fraktion Raimund Haser dagegen. Der Klimaschutz im Land habe eine neue Dynamik, auch bei den Bürgern. „Wir sollten rauskommen aus der ständigen Diskussion um Ziele und uns mehr um Maßnahmen kümmern“, betont er — auch in Hinblick auf die Sektorziele zum CO2–Ausstoß im Land, die seine Fraktion grummelnd mitgetragen hat.

Die Ampel–Koalition in Berlin hat die Sektorziele des Bundes diese Woche aufgeweicht. Erreicht ein Sektor sein Ziel nicht, wie regelmäßig der Verkehr, sollen die anderen das Defizit auffangen können. „Der Bund ist aus meiner Sicht umgefallen“, sagt Schmidt.

„Man braucht klare Veranwortlichkeiten, damit klar ist, wer welche Ziele erreichen muss.“ Das betont auch Kemfert. „Man entlässt den Verkehrssektor nun aus der Verantwortung, obwohl es genügend Möglichkeiten gäbe zum Nachjustieren“ — etwa über ein Tempolimit.