Bahnprojekt
S-21-Kritiker planen vor Wahl Kampagne gegen „Stuttgart 21-Prinzip“
Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Schwäbische.de
Vor der Bundestagswahl will das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 verstärkt für die Beendigung des Bahnprojektes werben. Bei einer Sommerkampagne nehmen die Kritiker des Milliardenvorhabens das von ihnen diagnostizierte „ Stuttgart 21-Prinzip“ in der deutschen Politik ins Visier, sagte Matthias von Herrmann, Sprecher der am Aktionsbündnis beteiligten Gruppe „Parkschützer“, am Montag in Stuttgart. Das Schema bestehe aus Beschlüssen für Prestigevorhaben wie Stuttgart 21, Berliner Flughafen oder Elbphilharmonie aufgrund geschönter Zahlen, Kriminalisierung von Gegnern und dem „organisierten Wegschauen“ bei Problemen.
Bei der 175. Montagsdemo kritisierten laut Polizei 1500 und nach Veranstalterangaben 2500 Demonstranten das Milliardenvorhaben. Am kommenden Samstag ist eine große Demonstration in Stuttgart geplant; dazu werden mehr Menschen als bei den Montagsdemos erwartet. Im Juli findet in der Landeshauptstadt ein internationales „Forum gegen unnütze Großprojekte“ statt. Einen Tag vor der Wahl am 22. September wollen die S-21-Gegner erneut zum Protest in Stuttgart aufrufen. Man wolle Grünen, SPD und CDU nicht den Gefallen tun, Stuttgart 21 im Wahlkampf totzuschweigen, sondern sie dazu bewegen, ihrer Verantwortung bei dem Thema gerecht zu werden.
Aktionsbündnis fordert Reaktion der Landesregierung
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse rasch dem „Trauerspiel“ des geplanten Tiefbahnhofes mit Anbindung nach Ulm ein Ende setzen. Von Herrmann riet Baden-Württembergs First Lady Gerlinde Kretschmann, die Bitte nicht zu erfüllen, Patin für den S-21-Fildertunnel zu werden. „Sich für so ein Projekt herzugeben, würde von fehlendem Fingerspitzengefühl und Realitätsverlust der Frau des Ministerpräsidenten zeugen“, sagte er. Bei der Montagsdemo wurde ihr Mann Winfried Kretschmann (Grüne) unter dem Motto „Nichtstun kann jeder“ auf einem Banner mit Karotten in den Ohren, Tomaten auf den Augen und einem Schnuller im Mund dargestellt.
Eisenhart von Loeper vom Aktionsbündnis forderte die Landesregierung zu sofortigem Handeln auf. Sonst drohe ein „unerträgliches Horrorszenario“, wenn die Pläne von Bahnchef Rüdiger Grube aufgingen, bauliche Fakten zu schaffen und das Land erst in einigen Jahren zur Beteiligung an Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro zu zwingen. „Grube spielt auf Zeit.“ Deshalb müsse das Land mit einer Feststellungsklage absichern lassen, dass es im Notfall nicht mehr als die bislang vorgesehenen 930 Millionen Euro zahlen müsse. „Der Weiterbau von S 21 ist eine hochriskante Reise ins rechtliche Niemandsland.“ Durch eine gerichtliche Überprüfung des S-21-Finanzierungsvertrags könne diese Reise gestoppt werden.
S-21-Gegner sehen Parallelen zu Protest in Türkei
Die Gegner des Bahnprojektes sehen Parallelen zum Protest in der Türkei: Nach dem Schutz von Grünflächen in Istanbul gehe es jetzt um den Erhalt von Bürgerrechten und Demokratie, erläuterte der Landesvorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, bei der Montagsdemo. Die Menschen, die sich gegen Polizeiübergriffe, die Bevormundung durch ihre Regierung und eine nahende Diktatur in der Türkei wehrten, brauchten die Unterstützung der Bewegung für mehr Bürgerrechte rund um Stuttgart 21.