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Das soll die Untersuchung gegen Innenminister Strobl bringen – was ihm jetzt droht

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Landtag soll Causa Strobl und Beföderungspraxis bei der Polizei untersuchen
Veröffentlicht:31.05.2022, 17:06

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Der Druck auf Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) wächst weiter. Seit Wochen steht er im Kreuzfeuer der Opposition, weil er einen womöglich vertraulichen Brief an einen Journalisten weitergegeben hat. SPD und FDP im Landtag wollen nun einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Der nimmt noch zwei weitere Themenkomplexe in den Blick.

Was ist Stand der Dinge?

SPD und FDP haben gemeinsam einen Antrag auf Einsetzen eines Untersuchungsausschusses beschlossen. Für einen Untersuchungsausschuss braucht es mindestens zwei Fraktionen oder ein Viertel aller Stimmen im Landtag. Am Mittwoch soll der Landtag den Ausschuss dann beschließen.

Was kann ein Untersuchungsausschuss leisten?

Er dient der Opposition dazu, Missstände oder Affären in Politik und Verwaltung aufzudecken. Er gilt als wichtigstes Mittel der Abgeordneten zur Kontrolle der Regierung. So kosteten Erkenntnisse aus einem Untersuchungsausschuss zur FlowTex-Affäre vor zwei Jahrzehnten etwa den damaligen Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) und seiner Parteifreundin und Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck ihre Ämter.

Worum geht es im aktuellen Untersuchungsausschuss?

Ihren Ursprung hat die Causa Strobl im vergangenen Jahr. Der ranghöchste Polizist im Land soll eine Hauptkommissarin belästigt und ihr Karriere gegen sexuelle Handlungen angeboten haben. Der Polizeiinspekteur wurde daraufhin suspendiert. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt seit November. Danach hat der Innenausschuss des Landtags Akteneinsicht zum Vorfall vom Innenministerium gefordert und auch bekommen – allerdings nur ausgewählte Akten. Der Opposition hinterfragt nun aus diesem Anlass, ob bei Beförderungen in der Landespolizei generell gemauschelt wird.

Der Polizeiinspekteur dient als Beispiel. Schließlich wurde er zum Vizepräsidenten des Landeskriminalamts befördert und wenig mehr als ein Jahr später zum ranghöchsten Polizisten im Land. Neben der Causa Strobl soll es im Untersuchungsausschuss denn um Vorwürfe der sexuellen Belästigung in Landesbehörden insgesamt und speziell um den Fall des Polizeiinspekteurs gehen. Außerdem soll die Beförderungspraxis in der Landespolizei hinterfragt werden. Im Untersuchungsausschuss haben die Abgeordneten weitreichendere Befugnisse als im Innenausschuss – sie können etwa Zeugen vorladen.

Was hat Strobl damit zu tun?

Kurz vor Weihnachten ging in Strobls Innenministerium ein Brief der Anwälte des suspendierten Polizisten ein. Enthalten darin war ein Angebot, sich jenseits des rechtsstaatlichen Verfahrens zu unterhalten. Für Strobl roch das zu sehr nach einer Aufforderung zur Mauschelei – so zumindest erklärt er seine folgenden Handlungen. Eben jenen Brief gab er nämlich selbst oder ein Mitarbeiter in seinem Auftrag an einen Journalisten. Der schrieb im Anschluss darüber. Diese Weitergabe des Briefs begründet Strobl mit dem Wunsch nach „maximaler Transparenz“. Pikant dabei: Nach der Veröffentlichung des Journalisten fragte ein Kollege im Innenministerium nach eben jenem Brief – und blitzte ab. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wollte den Vorgang durchleuchten und wegen möglichen Geheimnisverrats ermitteln. Dafür brauchte die Behörde die Genehmigung des Innenministers – doch Strobl verweigerte diese.

Gibt es dennoch Ermittlungen zu Strobls Verhalten?

Ja, denn inzwischen ermitteln die Staatsanwälte trotzdem, wenn auch wegen eines anderen möglichen Verstoßes. Der Verdacht lautet jetzt auf eine mögliche verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen. Dessen könnte sich der Journalist schuldig gemacht haben, der über den Anwaltsbrief geschrieben hat, meint die Staatsanwaltschaft. Aus Dokumenten eines Verfahrens darf nicht zitiert werden, wenn sie nicht bereits in einer Verhandlung öffentlich wurden. Gegen Strobl und inzwischen auch gegen einen Mitarbeiter ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil sie durch die Weitergabe des Briefs den Journalisten hierzu angestiftet haben könnten.

Außerdem hat der Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink im Auftrag der SPD ein Gutachten erstellt. Darin kam Brink zur Einschätzung, dass die Weitergabe des Briefs Datenschutzrecht verletze und deshalb rechtswidrig sei. Bevor er den Vorgang rechtlich verfolgt, will Brink aber auf das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen warten, wie er sagte. Dann könnte Brinks Behörde eine Warnung oder Verwarnung aussprechen und den Innenminister anordnen, in Zukunft bestimmte Dinge zu tun oder auch zu lassen. Ein Bußgeld darf er indes nicht verhängen.

Was entgegnet Strobl?

Er selbst argumentiert, dass es sich beim Anwaltsbrief nicht um ein amtliches Schreiben gehandelt habe, deshalb habe er bei der Weitergabe gar kein Dienstgeheimnis verletzten können. Zum selben Ergebnis kommt der renommierte Medienrechtsanwalt Christian Schertz, bei dem Strobl ein Gutachten in Auftrag gegeben hat , das er laut Ministeroum aus eigener Tasche beuzahlt hat. Laut Schertz hat Strobl in keiner Weise strafbar gehandelt – ebenso wenig wie der Journalist. Zum einen stützt Schertz Strobls Argument, dass es sich beim Anwaltsbrief nicht um ein amtliches Dokument eines Disziplinarverfahrens gehandelt habe. „Es liegt kein Dienstgeheimnis vor. Das war ein Sammelfax ans Ministerium“, so Schertz am Dienstag vor Journalisten.

Deshalb habe Strobl die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gar nicht erlauben dürfen. Zudem sei die Weitergabe des Briefs im Sinne des Presserechts und der Informationsfreiheit sogar geboten gewesen. Damit kommt Schertz in seiner Abwägung zu einer anderen Einschätzung als Brink, der auch für die Informationsfreiheit im Land zuständig ist. „Datenschutz hat zurückzutreten, weil dieser Fall wie kaum ein anderer Fall in der letzten Zeit in höchstem öffentlichen Interesse steht“, so Schertz. Er verweist zudem auf seinen Kollegen Yves Georg, der in seiner rechtlichen Bewertung des Falls für die „Legal Tribune Online“ zum selben Ergebnis kommt.