Statistik
Manchmal hui, selten pfui
Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Schwäbische.de
Irgendwo im Mittelfeld, da liegt Baden-Württemberg – zumindest in den meisten Tabellen im Statistischen Jahrbuch 2014. Der kürzlich veröffentlichte 693-Seiten-Wälzer entlarvt aber auch die Extreme. So verrät er etwa, dass die Zuckerrübenernte im Südwesten im vergangenen Jahr mit 75,39 Tonnen je Hektar so groß war wie in keinem anderen Bundesland. Bundesbester ist Baden-Württemberg ebenso beim Anteil der Schulabgänger, deren Abschluss zum Studium berechtigt: 79 Prozent. Und gemessen am Bruttoinlandsprodukt fließt in keinem anderem Land so viel Geld in Forschung und Entwicklung wie hier (5,14 Prozent).
Der Politik können solche Rankings zugutekommen. „Natürlich schauen wir uns Ländervergleiche an“, sagt ein Sprecher des baden-württembergischen Staatsministeriums. Je nach Thema würden die Ergebnisse auch vermarktet. Doch könnten Bestwerte zu Prahlerei verführen, Konflikte mit anderen Ländern und Neid bei den Kollegen auslösen? Diplomatische Zurückhaltung sei bei solchen Listen nicht nötig, meint der Sprecher.
Zumal Baden-Württemberg keinesfalls immer mittelprächtig bis super abschneidet. Mit 35 Prozent Waldschäden ist die Quote am höchsten. Dabei werden Bäume erfasst, die mehr als ein Viertel ihrer Nadeln beziehungsweise Blätter verlieren oder gravierende Schäden aufweisen. Die Ganztagesquote bei der Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen war sowohl bei den unter Dreijährigen (8,3 Prozent), als auch bei den Drei- bis Sechsjährigen (17,7 Prozent) am niedrigsten. Allerdings erfasst das Statistische Jahrbuch naturgemäß nicht den aktuellsten Stand – die Betreuungsquoten stammen aus März 2013.
Erfasst wird fast alles
Mit anderen Ergebnissen wiederum kann sich Baden-Württemberg brüsten: Die Wahlbeteiligung zur Bundestagswahl 2013 war mit 74,3 Prozent im Südwesten so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Der Anteil der Sechs- bis unter 15-Jährigen an der Bevölkerung ist mit 8,8 Prozent hier und in Niedersachsen am höchsten. Und im Ländle gibt es vergleichsweise die meisten Gemeinden mit Privattheatern: nämlich genau 17. Man sieht: Die Statistiker erfassen so gut wie alles. Und sie helfen ein Stück weit auch bei der Analyse, wie die Menschen so ticken. So scheint sich der viel beschworene Trend zum Single-Haushalt in Baden-Wüttermberg am wenigsten durchgesetzt zu haben. Mit 2,12 Haushaltsmitgliedern ist die Zahl am höchsten.
Zu den klaren Stärken Baden-Württembergs zählt die Wirtschaft. Im produzierenden Gewerbe sind 31,3 Prozent der Erwerbstätigen im Land beschäftigt, sie leisten 33,3 Prozent aller Arbeitsstunden – jeweils Topwerte. Mit 117 000 Euro je tätiger Person ist der Umsatz im baden-württembergischen Handwerk am höchsten. Das zeigt aber auch: Je nach Tabellenspalte variiert die Rangfolge. Denn verglichen nur nach Gesamtumsatz lassen Nordrhein-Westfalen (108,8 Milliarden Euro) und Bayern (99,7 Milliarden Euro) Baden-Württemberg (82,9 Milliarden Euro) hinter sich.
In der Landwirtschaft punktet der Südwesten etwa mit den meisten Strauchbeerenbetrieben (447), der schwersten Baumobsternte (336 652 Tonnen) und der größten Gemüseanbaufläche – Achtung Statistik-Deutsch – „unter hohen begehbaren Schutzabdeckungen“ mit 445 Hektar. Zu Letzterem, so verrät die Fußnote, gehören Gewächshäuser. Zudem zählt Baden-Württemberg mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zu den Bundesländern, in denen die meisten Pferde geschlachtet werden: rund 2000.
Bedürfnis nach Wissen
Doch warum vergleichen wir uns überhaupt? „Dabei geht es um zwei Bedürfnisse: ein positives Selbstbild zu erhalten und sich Wissen über unsere Umwelt anzueignen“, erklärt der Sozialpsychologe Florian Kutzner von der Universität Heidelberg.
Und manchmal verhilft eine Rangliste einfach nur zum Schmunzeln, weil Statistik in all ihrer Vollkommenheit auch Kurioses offenbart. So sortiert das Jahrbuch die voll- und teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen nach Alter. Baden-Württemberg führt dabei zum einen in der Spalte „von 50 bis unter 60 Jahre“ (41,0 Prozent). Zum anderen bei Lehrern „ohne Altersangabe“ (1,3 Prozent).