Organisiertes Verbrechen
Mafia-Verdächtiger aus Bad Urach: Kritik an Trägheit der Ermittler
Baden-Württemberg / Lesedauer: 7 min

Katja Korf
Mehr als 170 Menschen in Baden-Württemberg gelten beim Landeskriminalamt (LKA) als mögliche Mafiosi. Zwei davon haben nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums einen kleinen Waffenschein ‐ also die Erlaubnis, Schreckschuss- oder Reizgaswaffen zu tragen.
Eines der mutmaßlichen Mafia-Mitglieder habe diesen mittlerweile freiwillig abgegeben, beim anderen versuchen die Behörden gerade, die entsprechende Erlaubnis wegen der Mafia-Verbindungen zu entziehen.
Bodensee-Region ist Rückzugsraum der Mafia
Deutschlandweit stehen rund 700 Verdächtige im Fokus der Polizei. Gerade die Bodensee-Region zieht viele Mitglieder italienischer Banden an.
Zuletzt sprach dort das Amtsgericht Konstanz ein historisches Urteil: Wohl zum ersten Mal in Deutschland wurde im März ein Mitglied der ’Ndrangheta nicht nur eines Verbrechens wie Drogenhandels schuldig gesprochen, sondern auch wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.
Letzteres ist oft schwer nachweisbar und wird daher selten verfolgt oder zur Anklage gebracht. Der „Capo von Überlingen“, der einst als Kellner im Restaurant seiner Familie in Überlingen servierte, muss nun für mehr als drei Jahre hinter Gitter.
Sascha Binder, SPD-InnenpolitikerEs stellt sich die Frage, wie gut der Austausch zwischen den deutschen und italienischen Behörden tatsächlich funktioniert, wenn erst mit Erlass eines Haftbefehls herauskommt, dass ein seit Jahren in Baden-Württemberg lebender Mann Mitglied der ’Ndrangheta ist.
Im Rahmen der Ermittlungen gab es 2021 Razzien und weitere Untersuchungen, auch in Ravensburg und Friedrichshafen. Deutschlandweit verhaftete die Polizei 80 Verdächtige.
Trotz dieses erfolgreichen Schlags gegen das organisierte Verbrechen wird immer wieder Kritik an Polizei und Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg laut. Der Vorwurf: Die Ermittlungsbehörden seien nicht gut organisiert. So sprach Sandro Mattioli, Vorsitzender des Vereins ‚mafianeindanke‛ von einer „Trägheit im Kampf gegen die Mafia in Baden-Württemberg“.
So bewirtete etwa ein italienischer Gastwirt in Stuttgart jahrelang relativ unbehelligt Promis wie Günther Oettinger (CDU) in der Landeshauptstadt, obwohl der Gastronom längst als mögliches ’Ndrangheta-Mitglied galt.
Innenministerium weist Kritik zurück
Vom aktuellen Fall aus Bad Urach fühlen sich Kritiker bestätigt. Zu ihnen gehört der SPD-Innenpolitiker Sascha Binder. Er erfragte beim zuständigen Ministerium von Thomas Strobl (CDU) die Hintergründe. Vor allem wollte Binder wissen, warum ein Mann, der seit fünf Jahren in Baden-Württemberg gemeldet ist, erst im Herbst 2023 als Mafia-Verdächtiger auffiel.
Aus Sicht des Ministeriums war das aber kein Versäumnis der Polizei im Land. Denn: Die italienischen Behörden hatten den internationalen Haftbefehl gegen den Verdächtigen nur wenige Tage vor der Festnahme in Bad Urach ausgestellt.
„Die Polizei in Deutschland und Baden-Württemberg wird nicht über nationale Haftbefehle anderer Staaten informiert, sondern nur bei europäischen und oder internationalen Haftbefehlen. Die Ausstellung eines solchen obliegt den nationalen Strafverfolgungsbehörden ‐ im betreffenden Fall oblag es den Strafverfolgungsbehörden in Italien. Hierauf haben wir keinen Einfluss“, sagte eine Sprecherin von Strobl der „Schwäbischen Zeitung“.
Sprich: Man habe gar nicht wissen können, dass der Mann in Bad Urach in seiner Heimat Italien unter Mafia-Verdacht stehe.
Darum blieb der Verdächtige so lange unbehelligt
Für den SPD-Politiker Binder reicht das als Begründung nicht aus. „Es stellt sich die Frage, wie gut der Austausch zwischen den deutschen und italienischen Behörden tatsächlich funktioniert, wenn erst mit Erlass eines Haftbefehls herauskommt, dass ein seit Jahren in Baden-Württemberg lebender Mann Mitglied der ’Ndrangheta ist.“
Das Innenministerium betont auf Nachfrage: „Die Polizei Baden-Württemberg hat eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den italienischen Anti-Mafia-Dienststellen, der Polizia di Stato, Carabinieri und Guardia di Finanza, aber auch mit anderen internationalen Partnern.“
Gesuchter soll Rivalen getötet haben
Der Verdächtige aus Bad Urach wird in Italien wegen eines Tötungsdeliktes aus dem Jahr 2000 gesucht ‐ begangen unter rivalisierenden Mafia-Banden. Laut Innenministerium übermittelte die italienische Polizei den internationalen Haftbefehl am 25. August an die Polizei im Land.
Am 30. August griffen die Behörden in Baden-Württemberg zu, in Absprache mit den italienischen Kollegen, die vor Ort Verdächtige festnahmen. Vor dem 25. August lagen dem LKA laut Innenministerium keine Anhaltspunkte dazu vor, dass der Mann aus Bad Urach Mafia-Verbindungen haben könnte. Anfang Oktober wurde er nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft an Italien ausgeliefert.
Kein eigene Ermittlergruppe im Landeskriminalamt
Wie schon nach Bekanntwerden der Mafia-Machenschaften 2021, hält Binder die Polizei für nicht gut aufgestellt in diesem Bereich. Das Innenministerium betont stets, man habe zwar keine eigene Ermittlergruppe im Landeskriminalamt.
Dafür aber seien in jedem der 13 Polizeipräsidien darauf spezialisierte Kollegen im Dienst. Doch genauere Angaben dazu fehlen Binder bislang:
„Offen bleibt auch weiterhin, wie viele Stellen es in den regionalen Polizeipräsidien und im LKA tatsächlich für den Bereich der internationalen organisierten Kriminalität gibt und wie die angebliche Schwerpunktsetzung darauf in der Praxis ausgestaltet ist.“
Kritik an deutscher Rechtslage zur Mafia
Kritik entzündet sich außerdem an der deutschen Rechtslage. Italienische Mafia-Ermittler fordern seit Langem einen neuen Straftatbestand einzuführen ‐ die Bildung einer mafiösen kriminellen Vereinigung. Das würde aus ihrer Sicht die Verfolgung in Deutschland erleichtern.
Baden-Württembergs Landesregierung kann dies nicht selbst anstoßen, sich aber dafür in Berlin starkmachen. Eine solche Initiative sei aber nicht geplant, so das Stuttgarter Justizministerium.

10 Fakten über die mächtigste Mafiaorganisation der Welt
Die ’Ndrangheta ist eine Mafiaorganisation aus Kalabrien, Italien, und gilt als eine der mächtigsten und gefährlichsten kriminellen Vereinigungen weltweit. Hier sind 10 Fakten über die ’Ndrangheta, die ihre Bedeutung und ihre Aktivitäten verdeutlichen:
- Ursprung und Bedeutung: Die ’Ndrangheta entstand im späten 19. Jahrhundert in der Region Kalabrien und hat sich seitdem zu einer globalen Organisation entwickelt. Sie ist heute für den Großteil des internationalen Drogenhandels verantwortlich.
- Struktur: Die ’Ndrangheta ist hierarchisch organisiert und basiert auf engen familiären Bindungen. Sie besteht aus verschiedenen Clans, die als 'Ndrine bezeichnet werden und von einem Boss, dem Capo Crimine, geleitet werden.
- Internationale Präsenz: Die ’Ndrangheta hat ihre Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten stark internationalisiert. Sie ist in über 30 Ländern aktiv und hat enge Verbindungen zu anderen kriminellen Organisationen weltweit.
- Drogenhandel: Der Drogenhandel ist das Hauptgeschäft der ’Ndrangheta. Sie kontrolliert einen beträchtlichen Teil des weltweiten Kokainhandels und hat enge Verbindungen zu südamerikanischen Drogenkartellen.
- Geldwäsche: Die ’Ndrangheta ist auch in großem Umfang in die Geldwäsche verwickelt. Sie nutzt legale Geschäfte wie Restaurants, Immobilien und Baufirmen, um ihre illegalen Einnahmen zu verschleiern.
- Gewalt und Einschüchterung: Die ’Ndrangheta ist berüchtigt für ihre brutale Vorgehensweise gegenüber Konkurrenten, Zeugen und potenziellen Verrätern. Morde, Entführungen und Einschüchterungen gehören zu ihren gängigen Methoden.
- Politische Einflussnahme: Die ’Ndrangheta hat in der Vergangenheit versucht, politische Entscheidungen in Italien zu beeinflussen. Sie hat Verbindungen zu korrupten Politikern und versucht, ihre Interessen durch Bestechung und Erpressung durchzusetzen.
- Wirtschaftliche Auswirkungen: Die ’Ndrangheta hat einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft in Kalabrien. Durch ihre Kontrolle über bestimmte Branchen wie dem Baugewerbe und den Tourismus beeinflusst sie die wirtschaftliche Entwicklung der Region.
- Frauen in der ’Ndrangheta: Anders als bei anderen Mafiaorganisationen spielen Frauen in der ’Ndrangheta eine bedeutende Rolle. Sie sind aktiv an den Geschäften beteiligt und haben oft wichtige Positionen innerhalb der Organisation inne.
- Bekämpfung der ’Ndrangheta: Die Bekämpfung der ’Ndrangheta ist eine große Herausforderung für die italienischen Behörden und internationale Strafverfolgungsbehörden. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und die Stärkung der Ermittlungsbehörden sind entscheidend, um gegen diese mächtige Organisation vorzugehen.
Die ’Ndrangheta bleibt eine der gefährlichsten und einflussreichsten Mafiaorganisationen weltweit. Ihr Einfluss reicht weit über die Grenzen Kalabriens hinaus und stellt eine ernsthafte Bedrohung für die internationale Sicherheit dar. Die Bekämpfung dieser Organisation erfordert eine koordinierte und entschlossene Anstrengung auf nationaler und internationaler Ebene.
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