Markenzeichen der Region

Die Streuobstwiese ist in Gefahr: Was neue Pläne für die Region bedeuten

Region / Lesedauer: 5 min

Ein Strategiepapier, das der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt, soll zur Rettung des Streuobstes beitragen, für die es einige gute Gründe gibt. Doch warum ist es überhaupt in Gefahr?
Veröffentlicht:13.09.2023, 19:15

Von:
  • Kara Ballarin
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Viel Aufwand, wenig Ertrag: Seit Jahrzehnten geht der Bestand an Streuobst in Baden–Württemberg zurück. Das soll sich ändern, findet die Landtagsfraktion der Grünen — und hat bei ihrer Klausurtagung am Mittwoch einstimmig ein Positionspapier verabschiedet.

Das zuständige Agrarministerium hat derweil eine neue Streuobstkonzeption entwickelt. Beide Papiere liegen der „Schwäbischen Zeitung“ vor. Was nun besser werden soll:

Worum geht es?

Streuobstwiesen sind Brennpunkte der Biodiversität. Sie bieten laut Forschern mehr als 5000 verschiedenen Insekten, Tieren, Pflanzen und Pilzen geeigneten Lebensraum. Mit 7,1 Millionen Bäumen (Stand: 2018) ist Baden–Württemberg Spitzenreiter beim Bestand.

Seit den 1960er–Jahren sind die Streuobstflächen aber um zwei Drittel geschrumpft. Um dem entgegenzuwirken, hat sich die grün–schwarze Regierung 2021 im Koalitionsvertrag eine neue Streuobstkonzeption verordnet nach jenen aus den Jahren 2009 und 2014.


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Schon bisher gibt es unter anderem Fördergeld etwa für die Pflege der Bäume, für die Vermarktung des Streuobsts und für Forschungsprojekte. Das reiche aber nicht, so das Fazit eines Gutachtens im Auftrag von Agrarminister Peter Hauk (CDU) vom April 2022.

Die Politik kann die Marktpreise zwar nicht regulieren, aber sie kann Anreize setzen.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz

Streuobstbesitzern fehle es an Wissen, Organisation und Erträgen. Laut Daten der Initiative Hochstamm Deutschland haben sie in Baden–Württemberg 2022 lediglich 9,90 Euro pro 100 Kilogramm Saftobst von Keltereien und der Getränkeindustrie bekommen — 1,60 Euro weniger als im Bundesdurchschnitt und sogar 6,50 Euro weniger als ihre Kollegen in Bayern.

Welche Strategie gibt es nun zur Trendwende?

Streuobst soll stärker als Wirtschaftszweig etabliert werden, um bei Bauern und Privatbesitzern einen größeren Anreiz zur Pflege der Bäume zu schaffen. Die Grünen wünschen sich einen Erzeugerpreis von 25 Euro pro 100 Kilogramm Obst.

„Die Politik kann die Marktpreise zwar nicht regulieren“, erklärt Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, „aber sie kann Anreize setzen — dafür sorgen, dass die regionalen Streuobstprodukte auf dem Markt besser und wertiger wahrgenommen werden und die Verbraucher bereit sind, angemessene Preise dafür zu zahlen.“

Ihre Ideen habe die Fraktion beim Agrarministerium eingespeist. Grundlage für die Streuobstkonzeption 2030 mit dem Titel „Baden–Württemberg ist Streuobstland“ sei das Gutachten 2022, wie es darin heißt.

Im nächsten Schritt soll sie vom Kabinett beschlossen werden. In der Einleitung heißt es dazu: „Die Streuobstwiesen im Land sollen konsequent geschützt, die Bewirtschaftung attraktiver gestaltet, Fördermaßnahmen ausgebaut und Investitionen in die Verarbeitung, Verwertung und Vermarktung von Streuobst besser gefördert werden.“

Wie soll das Streuobst besser geschützt werden?

Das Land soll, wie im Gutachten vorgeschlagen, in sechs Streuobstregionen eingeteilt werden. Die Region Albvorland etwa reicht von Aalen bis nach Balingen, die östlichen Ausläufer der Region Bodensee–Klettgau reichen bis nach Wangen. Vernetzung sei wichtig, hatte bereits Klaus Schmieder, Professor an der Universität Hohenheim, betont.

Mit einem neuen Qualitätszeichen wollen wir die hochwertigen Produkte aus den Streuobstwiesen auf eine breite Grundlage stellen.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz

Denn überall dort, wo es bereits funktionierende Netzwerke gibt, gebe es beim Streuobstbestand keinen Abwärtstrend. Dafür soll in jeder Streuobstregion eine Geschäftsstelle eingerichtet werden, die sich aus Bewirtschafter– und Erzeugerorganisationen aufbaut und berät. Eine besondere Unterstützung des Landes soll es geben, wenn die Region ein Entwicklungskonzept gemeinsam mit dem Land erstellt, heißt es im Grünen–Positionspapier.

Welche Förderung soll ausgebaut werden?

Die Grünen sehen die Förderinstrumente bereits gut aufgestellt. „Das Land investiert jährlich 5,8 Millionen Euro Landes–, Bundes– und EU–Mittel in den Erhalt der Bestände.“ Eine Förderung für Neupflanzung sei aber dringend notwendig. Auch die Streuobstkonzeption will damit den Schwund an Streuobst stoppen.

„Jährlich soll die fachgerechte Pflanzung von 10.000 Streuobstbäumen gefördert werden, wobei das Pflanzmaterial, die Wasserversorgung, die Anbindung und der Baumschutz bezuschusst werden sollen“, heißt es da. Auch sollen Streuobstbäume stärker bei der Ökopunkteverordnung berücksichtigt werden, was die Wertschöpfung steigern soll. Vor allem neue Pflanzen sollen den Besitzern viele Ökopunkte bescheren.

Wie soll die Vermarktung attraktiver werden?

Besonders viel erhofft sich das Land von der Einführung eines Qualitätszeichens Streuobst aus Baden–Württemberg unter dem Dach der etablierten Qualitätszeichen Baden–Württemberg (QZBW) und BIOZBW. Um dieses tragen zu dürfen, soll Saft mindestens zu 85 Prozent aus Streuobst bestehen.

Diese Toleranz könne für eine „geschmackliche Abrundung“ nötig sein. Säfte, die zu 100 Prozent aus Streuobst bestehen, sollen entsprechend gekennzeichnet werden. „Mit einem neuen Qualitätszeichen wollen wir die hochwertigen Produkte aus den Streuobstwiesen auf eine breite Grundlage stellen“, sagt auch Grünen–Fraktionschef Schwarz. Außerdem soll laut Konzeption eine geplante Kantinenrichtlinie des Landes das Angebot von Streuobst–Erzeugnissen vorgeben und das Kompetenzzentrum für Kleinbrennerei gestärkt werden.

Was ist zudem geplant?

Eine Landeskampagne „Streuobstland Baden–Württemberg“ soll für mehr Beachtung sorgen — unter anderem mit Festen und Veranstaltungen. Ein Streuobstmobil soll landesweit die Streuobstwiesen und ihre Produkte zu den Menschen bringen.

Die Grünen wollen Streuobst in die schulische und außerschulische Kinder– und Jugendarbeit integrieren, „beispielsweise durch Förderung von Streuobstpädagog*innen und Streuobstprojekten mit Jugendlichen“, so das Positionspapier. Der bestehende Forschungsstau, wie es in der Konzeption heißt, soll unter anderem zu den Themen Klimaanpassung, Wasserversorgung, Artenvielfalt und Verarbeitungsverfahren abgebaut werden. Ziel ist ein Forschungsnetzwerk.