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Am Bodensee Spenden für PKK gesammelt?

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Am Bodensee Spenden für PKK gesammelt?
Veröffentlicht:01.12.2015, 19:04

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Teilnahme an einer Mahnwache vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Organisation von Versammlungen am Bodensee und einer Demo in Stuttgart. Das Mitführen von 325 Euro Bargeld und eines Notizblocks in Hannover. Was Oberstaatsanwalt Alexander Hauser dem Angeklagten Ali Ö. vorwirft, hört sich wenig spektakulär an.

Doch der laut Ausweis 47-jährige Mann mit dem grauen Bart, der an diesem Dienstagmorgen in Handschellen im Stuttgarter Oberlandesgericht vorgeführt wird, soll ein Terrorhelfer sein. Nicht Bauarbeiter, wie er über sich sagt. Sondern hauptamtlicher Funktionär der Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK . Die kämpft im Südosten der Türkei für einen eigenen Kurdenstaat oder zumindest für mehr Autonomie. Und ist deswegen als terroristische Vereinigung in Deutschland seit 1993 verboten.

Mit dem Thema PKK drängt die Weltpolitik in den fensterlosen Gerichtssaal des Gerichtsklotzes an der Stuttgarter Olgastraße. Es wird in diesem Prozess um mehr gehen als die Frage, was Ö. in Stuttgart und am Bodensee gemacht hat.

Die Verteidiger werden auch die Frage stellen, wie der deutsche Rechtsstaat die kurdische Organisation sieht? Weiter als Terrorverein, der die staatliche Ordnung der Türkei wegsprengen will und nach offiziellen Angaben seit 1984 etwa 40000 Menschen auf dem Gewissen hat? Und wie verträgt sich diese Haltung mit der deutschen Unterstützung für die Kurden, die im Nordirak für ihren eigenen Staat und gegen die Terroristen des IS kämpfen? Gibt es – je nach Geografie – gute und schlechte Kurden?

Debatte über PKK-Verbot

Zuletzt hatte es im Südwesten immer wieder Solidaritätsadressen mit der PKK gegeben, die von einigen als „Retterin der Jesiden“ im Nordirak gesehen wird: 2014 demonstrierten in Heilbronn etwa 400 Personen unter dem Motto „Solidarität mit Kobane! Weg mit dem PKK-Verbot“. Die Linkspartei hat sich die Forderung zu eigen gemacht.

Gleich für mehrere Verhandlungstage haben die fünf Berufsrichter des sechsten Strafsenats Beamte des Bundeskriminalamts geladen, die über Strukturen und Aktionen der PKK berichten sollen. Und über die Bedeutung des mehrfach vorbestraften Ö., der mindestens seit dem Jahr 2010 unter dem Decknamen „Dijwar“ PKK-Gebietsleiter in Deutschland gewesen sein soll.

Zunächst in Kiel, danach in Sachsen, ab Juni 2013 in Stuttgart, und ab Mitte 2014 am Bodensee. Am 12. Februar 2015 wurde Ö. in Villingen-Schwenningen festgenommen. Offenbar hatte die Handy-Ortung seinen Standort verraten. Ö. hatte bei seiner Aufgabe wohl viel zu telefonieren. Seit Februar ist das vorbei, Ö. sitzt in Stammheim in Untersuchungshaft. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Einen PKK-Gebietsleiter muss man sich laut Anklageschrift wie einen Angestellten im mittleren Management vorstellen: viel Papierkram, viel Organisation. Gebietsleiter sind den PKK-Leitern von „Räumen“ oder Stadtteilen übergeordnet, sammeln Spenden und Berichte und berichten ihrerseits an übergeordnete Sektionsleiter. „Ab Mitte 2014 widmete sich der Angeschuldigte in großem Umfang den alltäglichen organisatorischen Aufgaben, wie der Organisation von Versammlungen und Zusammenkünften sowie dem Sammeln von Spenden, deren Verwaltung und Weiterleitung“, heißt es in der Anklageschrift.

Ein wichtiger Posten, denn die Organisation braucht Geld: Der Verfassungsschutz schätzt, dass in Deutschland jährlich mehrere Millionen Euro für die Ausbildung und Ausstattung von PKK-Kämpfern gesammelt werden. Dabei ist die PKK im Südwesten nach Einschätzung des Verfassungsschutzes „überdurchschnittlich aktiv“. In Baden-Württemberg leben schätzungsweise 1100 der insgesamt etwa 14000 PKK-Anhänger in Deutschland.

„Ich bin Kurde“

Ö. will sich zu den Vorwürfen selbst gerne äußern, aber dazu kommt er an diesem ersten Verhandlungstag nicht. Dabei blitzt sein Kampfgeist schon bei seinen wenigen Wortmeldungen durch. Auf die Frage nach der Staatsangehörigkeit antwortet er: „Ich bin Kurde“, obwohl er als Türke amtlich erfasst wurde.

Und als er nach einer kurzen Verhandlungspause in Handschellen in den Gerichtssaal zurückgeführt wird, reckt er die zusammengeketteten Hände zum „Victory“-Siegeszeichen empor.

Doch an diesem Dienstag bleibt Ö. eine Rede versagt, denn seine Verteidiger drängen auf eine Pause: Weil zwei der fünf Richter der Strafkammer kurzfristig gewechselt hatten, will das Anwaltsduo aus Heidelberg und Berlin zunächst die Rechtmäßigkeit des Gremiums prüfen. Danach soll der Prozess weitergehen.