Mord
Ku-Klux-Klan rückt ins Visier des NSU-Ausschusses
Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Der NSU-Untersuchungsausschuss will sich möglichst noch im Mai sowohl mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter als auch mit den Verbindungen von Polizei und rechter Szene zu den „European White Knights of the Ku Klux Klan“ (EWK KKK) befassen. Das sagte der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler ( SPD ) der „Schwäbischen Zeitung“.
Der im November gestartete Ausschuss ist arg in Zeitnot, weil sich die Untersuchung des in seinem Auto verbrannten Neonazi-Aussteigers Florian H. dank neuer Erkenntnisse und Entwicklungen länger als erwartet hinzog. Erst am Wochenende war eine 20-jährige Zeugin unerwartet verstorben (wir berichteten), und am Dienstag nahm Ausschuss-Chef Drexler weitere Beweismittel entgegen. Dabei gilt der Komplex H., der den Ausschuss auch am 13. und 20.April beschäftigen wird, eher als Nebenstrang des eigentlichen Themas.
Das ist der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007. Die Tat wird zwar dem NSU-Trio Uwe Böhnhardt (†), Uwe Mundlos (†) und Beate Zschäpe zugeordnet: Doch gibt es Abweichungen zu den vorherigen neun NSU-Morden. Zudem gibt es Indizien für Mittäter: Bis heute unbekannte DNA an den Opfern sowie Zeugen, die blutverschmierte Männer gesehen haben wollen, die weder Böhnhardt noch Mundlos ähneln. Viele, unter ihnen Florian H., hatten Helfer aus der rechten Szene ins Spiel gebracht.
Ministerium widerspricht Bericht
Eine der vielen Seltsamkeiten: Kiesewetters Gruppenführer am Tattag war Jahre zuvor als Mitglied der deutschen Sektion des rechtsextremistischen „European White Knights of the Ku Klux Klan“ (EWK KKK) aufgefallen. Schwerwiegende Folgen hatte die Mitgliedschaft für ihn und einen anderen Beamten, der ebenfalls bei den Kapuzenträgern eingetreten war, nicht: Zwar flog die Mitgliedschaft im Mai 2002 auf. Doch erst Ende 2005 gab es eine Rüge; für Disziplinarstrafen waren da alle Fristen abgelaufen.
Der EWK KKK war im Jahr 2000 in Schwäbisch Hall vom Verfassungsschutz-V-Mann Achim Schmid gegründet worden. In den „Stuttgarter Nachrichten“ erklärt Schmid nun ein erneutes Mal, zehn bis 20 Polizeibeamte hätten sich für eine Aufnahme in den Geheimbund interessiert. Fünf bis sechs Klan-Mitglieder aus Polizeikreisen kenne er persönlich. Zudem schreiben die „Stuttgarter Nachrichten“ von einer Polizeianwärterin, die 2001 in den Klan aufgenommen worden sein soll.
Das Innenministerium widerspricht: „Nach unseren Erkenntnissen gab es zwei Mitglieder. Und das sind die bekannten“, sagt ein Sprecher von Minister Reinhold Gall (SPD). Andere Erkenntnisse, die den bisherigen Berichten an Parlament und Öffentlichkeit widersprächen, habe man nicht.
Es bleibt weniger als ein Jahr
„Rassisten haben bei der Polizei nichts zu suchen“, stellt Nikolaos Sakellariou, SPD-Obmann im NSU-Ausschuss, klar. Allein deshalb müsse man sich mit dem Thema befassen.
Auch Matthias Pröfrock (CDU) hält den Komplex EWK KKK für zentral: „Damit werden wir uns beschäftigen müssen“, sagt er. Pröfrock will auch den früheren V-Mann Schmid als Zeugen laden. Doch fürchtet die CDU, dass sich der Ausschuss mit den Komplexen Kiesewetter und EWK KKK womöglich verhebt – immerhin muss er zur Landtagswahl in weniger als einem Jahr den Abschlussbericht fertig haben. Unter Umständen könne man das Thema zurückstellen und nach der Wahl in einem Folgeausschuss behandeln.
Das lehnt nicht nur die SPD ab, auch die Grünen sind dagegen. Zwar betont auch Grünen-Obmann Jürgen Filius, dass der Ausschuss fast vier Monate nach Arbeitsbeginn bald mit dem Fall Kiesewetter anfangen müsse. Doch der sei womöglich eng verbunden mit dem Thema EWK KKK.
Der Ausschuss will nun den Bericht des Bundestag-Sonderermittlers zum „Fall Corelli“ abwarten, der im Mai kommen soll. Corelli alias Thomas Richter war V-Mann des Bundesverfassungsschutzes, Mitglied des EWK KKK und zumindest Bekannter des NSU-Trios. Richter selbst kann keine Auskunft mehr geben. 2014 wurde der 39-Jährige tot aufgefunden. Todesursache soll eine unerkannte Diabetes gewesen sein.