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Bildungsplan

Kretschmann hält am Bildungsplan fest

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Missverständnisse sollen ausgeräumt werden – Zeitplan könnte aber ins Wanken kommen
Veröffentlicht:11.03.2014, 19:05

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Trotz heftiger Kritik steht Grün-Rot zum Bildungsplan. Das hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart klargestellt. „Deswegen werden wir mit Sicherheit nichts verschieben“, sagte er mit Blick auf den Widerstand gegen einzelne Passagen des Papiers. Bis zur Sommerpause will die Regierung überarbeitete Pläne für die einzelnen Schularten vorlegen. Diese waren zuletzt vor zehn Jahren geändert worden.

Insbesondere der Ansatz, fächerübergreifend das Thema der sexuellen Vielfalt zu behandeln, sorgt seit Wochen für emotional aufgeladene Debatten. Kretschmann hielt sich allerdings eine Hintertür offen. Das Ziel sei sehr ambitioniert, die Reform in der „erforderlichen Qualität“ so schnell hinzubekommen. Letztlich müsse diese Frage das von Andreas Stoch (SPD) geführte Kultusministerium beantworten. „Es ist schon möglich, dass es bis Sommer aus vielen anderen Gründen nicht reicht.“ Ein Jahr aber benötigt die Verwaltung Zeit, um die Schulen auf die neuen Inhalte einzustellen.

Bislang war geplant, zum Schuljahr 2015/2016 die neuen Bildungspläne in Kraft zu setzen. Diese werden derzeit laut Kultusministerium an 60 Schulen und in verschiedenen Klassenstufen erprobt. Wissenschaftliche Begleitung sei dabei Pflicht, die Erfahrungen würden in die weitere Arbeit an den Plänen einfließen. Voraussetzung für die Teilnahme an den Tests waren die Zustimmung sowohl der Gesamtlehrer- als auch der Schulkonferenz, in der Eltern vertreten sind.

Reizbegriff soll weg

Nach den Protesten gegen das Thema sexuelle Vielfalt – zweimal schon fanden in Stuttgart Demonstrationen von Gegnern und Befürwortern des Bildungsplans statt – hatte zunächst die Gewerkschaft GEW vorgeschlagen, die Reform um ein Jahr zu verschieben. Eine vertiefte Diskussion sei unbedingt erforderlich. Vorgeschlagen wurde auch, als ein neues Leitprinzip die „Anerkennung gesellschaftlicher und kultureller Unterschiedlichkeiten“ zu formulieren – anstatt des Reizbegriffes der sexuellen Vielfalt. Auch CDU und FDP drängen auf eine Verschiebung.

Die grüne Bildungsexpertin Sandra Boser riet zuletzt ebenfalls dazu, sich mehr Zeit zu gönnen. Eine guter Bildungsplan sei ihr wichtiger als ein schneller. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) wiederum hatte sich voll hinter den Zeitplan gestellt. Nachdem auch Kretschmann nach einer Tagung an der Akademie in Bad Boll so interpretiert worden war, er plädiere für eine Auszeit, platzte am Montag SPD-Fraktions-chef Claus Schmiedel der Kragen. Die „Kakofonie“ im Lager der Grünen müsse beendet werden. Die Reform sei ein gemeinsames Projekt und nicht das der SPD . Schmiedel hatte zuvor schon beklagt, dass die Bildungspolitik viel zu sehr mit dem Abbau von Lehrerstellen in Verbindung gebracht werde. Die Größenordnung von 11600 Stellen hatte aber Kretschmann als erster genannt.

„Es gibt keine Kakofonie bei den Grünen“, betonte dieser am Dienstag. Kretschmann gab zwar zu, dass einige Formulierungen des vom Kultusministerium Ende des vergangenen Jahres in Umlauf gebrachten Arbeitspapiers zu Missverständnissen geführt hätten. Diese könnten aber ausgeräumt werden. „So schwierig ist das nicht.“ Derzeit wertet das Kultusministerium Stellungnahmen von Fachverbänden, Kirchen und der Wissenschaft aus. „Aber ein Teil der Vorwürfe war auch haltlos und abwegig“, grollte Kretschmann. Unter anderem hatten aufgebrachte Kritiker den Grünen vorgehalten, diese wollten die Jugendlichen umerziehen und für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften werben. So tauchte in dem Papier an 36 Stellen der Begriff Sex auf. In der Endfassung „wird das nicht der Fall sein“, stellte Kretschmann klar. Er sei tief besorgt, dass die Diskussion „Formen eines Kulturkampfes angenommen“ habe. Unter anderem wird er Ende März mit einer Gruppe von Evangelikalen über die Pläne diskutieren, „ich werde versuchen, aufklärend zu wirken“. Die Befürchtungen seien nicht begründet wie auch die Scheu vor dem Thema. „Wer Angst hat, dass man vielleicht schon schwul wird, wenn man nur darüber redet, dem kann ich auch nicht helfen.“

„Schlossplatz-Mob“

Schärfe in die Diskussion hatte zuletzt auch die Grüne Jugend gebracht. Diese appellierte an die Landesregierung, nicht dem „homophoben Schlossplatz-Mob“ nachzugeben. Das rief am Dienstag CDU-Fraktionschef Peter Hauk auf den Plan. „Bürgerinnen und Bürger, die für ihre Überzeugung und aus Sorge um ihre Kinder auf die Straßen gehen und ihre demokratischen Rechte wahrnehmen“, dürften nicht so tituliert werden. „Diese Äußerungen sind unerträglich.“

Das Online-Dossier zum Thema:

schwaebische.de/schulpolitik