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Schlechte Bildungsergebnisse in BaWü: Kretschmann vom Ruf nach mehr Lehrkräften genervt

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Pädagogenmangel sei nur ein Problem – Landesregierung will sich Ende November vertieft mit Bildung befassen
Veröffentlicht:25.10.2022, 15:29

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Im Streit um die Gründe für schlechte Leistungen baden-württembergischer Grundschüler hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag nachgelegt. Einfach nur nach mehr Lehrern zu rufen „kann nicht die Lösung sein“, sagte der gelernte Lehrer in Stuttgart.

Zuvor hatte ihm Gerhard Brand , Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung, vorgeworfen, von heutigem Unterricht ungefähr so viel zu verstehen „wie ein Ziegelstein vom Schwimmen“ .

Auslöser des Streits ist die jüngste Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. Demnach erreicht fast jeder fünfte Viertklässler im Südwesten die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht.

Experten monieren gravierenden Lehrkräftemangel

Im Ranking der Länder liegt der Südwesten lediglich im Mittelfeld. Bildungsverbände nennen verschiedene Gründe hierfür – vor allem den Lehrkräftemangel. Die Gewerkschaft GEW verweist auf das bundesweit schlechteste Verhältnis Grundschullehrkraft pro Schüler und darauf, dass die Grundschule die einzige Schulart sei, die keine Stunden zur individuellen Förderung von Kindern zugewiesen bekomme.

Es ist ja klar, wenn Unterricht ausfällt, kann er auch nicht gut sein.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)

Auf Kretschmanns Aussage vergangene Woche, dass die Lehrerverbände stets „die alte Leier“ des Lehrkräftemangels spielten, reagierten viele empört – nicht nur VBE-Landeschef Brand.

Tatsächlich ist der Mangel seit Jahren immens, trotz vieler Gegenmaßnahmen wie Einstellung von Pensionären und Aufstockung von Studienplätzen. Auch Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte zum Schuljahresstart Anfang September: „Die größte Herausforderung ist die Unterrichtsversorgung und die Lehrkräfteversorgung.“

Wir werden das wahrscheinlich nicht gut gelöst bekommen, wenn man nur nach mehr Lehrer ruft.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)

„Es ist ja klar, wenn Unterricht ausfällt, kann er auch nicht gut sein“, räumte Kretschmann nun am Dienstag ein. „Das bestreitet ja niemand, dass der Lehrermangel ein gravierendes Problem ist.“ Allerdings rechnete er auch vor, dass zwischen 1980 und 2019 die Zahl der Schülerinnen und Schüler im Südwesten um 16 Prozent gesunken und die der Lehrkräfte um 27 Prozent gestiegen sei.

„Daran sieht man doch, dass man allein mit quantitativen Zahlen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer es gibt, nicht alles erklären kann“, betonte er. „Wir werden das wahrscheinlich nicht gut gelöst bekommen, wenn man nur nach mehr Lehrer ruft.“

Kretschmann sucht nach wahren Gründen

Fachkräftemangel gebe es in jeder Branche. Die Industrie behelfe sich mit Künstlicher Intelligenz dort, wo dies möglich sei, und setze Fachkräfte für das Notwendige ein. Dank guter Lernprogramme auf Tablets werde sich zunehmend auch in Schulen die Frage stellen, „wo tritt der Lehrer noch in Aktion“, prognostizierte der Regierungschef. „Die Frage wird sich generell stellen, weil wir in der Anzahl gar nicht genug Lehrkräfte haben werden. Jedes Jahr wird nur der Mangel beklagt, damit werden wir das Problem nicht grundsätzlich lösen“, sagte er.

In einem Kabinettsabend, zu dem auch Experten eingeladen werden, will sich Kretschmann mit seinen Ministern Ende November über das weitere Vorgehen Gedanken machen. „Darum geht es, wirklich zu eruieren, was die Gründe sind.“ Das habe etwa mit der frühkindlichen Bildung in den Kitas zu tun und damit, dass Baden-Württemberg nach Bremen das Land mit dem größten Anteil an Kindern mit ausländischen Wurzeln sei.

„Das hat sehr viele Ursachen, dem muss man genau nachgehen“, so Kretschmann. „Der Kabinettsabend soll dazu führen, dass man nicht nur immer die alten Kamellen erzählt.“ Zu sagen, dass sich die Situation bis zum Höhepunkt der Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation 2025 nicht bessern werde, wie dies Brand verlangt hatte, gehe auf keinen Fall.