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Keine Belege für NSU-Helfer im Land

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Untersuchungsausschuss schließt Arbeit ab – Polizistenmord von Heilbronn im Zentrum
Veröffentlicht:03.12.2018, 19:15

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Die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ermordeten in Baden-Württemberg die Polizistin Michèle Kiesewetter , im übrigen Bundesgebiet starben weitere neun Menschen. Zum zweiten Mal hat sich nun ein Untersuchungsausschuss des Landtags mit der Frage beschäftigt, welche Bezüge der NSU zum Südwesten hatte. Im Dezember wird der Abschlussbericht im Landtag debattiert. Was man weiß – und was nicht.

Was macht so ein Ausschuss?

Die Parlamentarier haben dabei besondere Rechte. Sie können Akten anfordern, Zeugen laden und vernehmen. So sollen sie unabhängig von Polizei und Justiz bestimmte Vorgänge untersuchen sowie die Regierung kontrollieren. Sie können bei Gerichten Ordnungsgelder oder Beugehaft gegen Zeugen beantragen, wenn diese nicht erscheinen oder die Aussage verweigern. Strafen kann der Ausschuss nicht verhängen. Im zweiten NSU-Ausschuss wurden in 28 Sitzungen 78 Zeugen in 121 Stunden vernommen und 700 Aktenordner gefüllt, hinzu kommen Tausende digitale Dokumentenseiten. Die Kosten dafür und für eigene Mitarbeiter des Ausschusses belaufen sich auf etwa 2,4 Millionen Euro.

Was hat der erste Ausschuss damals herausbekommen?

Im Fokus stand zum einen der Anschlag auf die Polizistin Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen. Kiesewetter starb, der weitere Beamte überlebte schwer verletzt. Nach heutigem Kenntnisstand begingen ihn die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Beide töteten sich 2011 selbst. Sie stammten aus Thüringen – wie ihr Mordopfer Kiesewetter. Spekulationen, ob dies bei der Tat eine Rolle gespielt haben könnte, hielt der Ausschuss nicht für haltbar. Außerdem deckte er Ermittlungspannen auf. Wichtigen Hinweisen wurde nicht nachgegangen, die Mitgliedschaft von Polizisten im rassistischen Ku-Klux-Klan blieb folgenlos.

Worum ging es beim zweiten Ausschuss?

Nach dem ersten Ausschuss waren Fragen offen. Zum einen, ob der NSU Helfer in Baden-Württemberg hatte. Darauf deuteten einige Umstände hin – etwa, dass Mundlos und Böhnhardt nach dem Mord in Heilbronn eine ungewöhnliche Flucht-route wählten. Die Vermutung: Sie suchten irgendwo Unterschlupf, statt direkt zu fliehen. Zum anderen gab es weitere Spekulationen zu dem Mord: Nach Medienberichten waren am Tattag Mitarbeiter ausländischer Geheimdienste an der Theresienwiese. Eine Rechtsanwältin, die Islamisten verteidigt, sagte dem Ausschuss, sie habe ähnliches gehört.

Was passierte in Heilbronn?

Für die Ausschussmitglieder von Grünen, CDU, SPD und FDP steht fest: Mundlos und Böhnhardt schossen auf Kiesewetter und ihren Kollegen, als diese auf der Theresienwiese Pause machten. Die Dienstwaffen der Beamten wurden später bei dem Trio gefunden, ebenso wie die Tatwaffen und eine Jogginghose mit Blut von Kiesewetter und DNA von Mundlos. Die Medienberichte und auch die Aussagen der Rechtsanwältin zu möglichen Verwicklungen von Geheimdiensten und Islamisten seien widerlegt. Die AfD kommt zu einem anderen Ergebnis. Sie hält es nicht für erwiesen, dass der NSU die Tat beging. Dazu hätten Mundlos und Böhnhardt Helfer im Land gebraucht – da man solche aber nicht habe finden können, sei eine Täterschaft unwahrscheinlich. Die AfD beschäftigt als Mitarbeiter einen jener Hauptzeugen, die zunächst die These von ausländischen Geheimdiensten befeuert hatte. Der Mann hatte für einen US-Geheimdienst gearbeitet, wollte sich aber später nicht mehr an seine Aussagen erinnern. Die AfD betonte, sie habe große Probleme gehabt, juristisch kompetentes Personal zu bekommen.

Hatten die NSU-Terroristen Helfer im Südwesten?

Dafür gibt es keine Beweise. Dabei waren viele Experten davon ausgegangen, darunter der Vorsitzende des Landtagsausschusses Wolfgang Drexler und Clemens Binninger (CDU), Vorsitzender des Bundestagsausschusses. Sicher ist: Vor ihrem Untertauchen 1998 waren Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe mehr als 30-mal in Baden-Württemberg, vor allem in Ludwigsburg. Ob es aber konkrete Hilfe bei Anschlägen gab, lässt sich nicht belegen.

Gab es weitere Behördenpannen?

Zumindest nicht in Baden-Württemberg, so die Sicht der Ausschussmitglieder. Allerdings bemängeln sie die fehlende Zusammenarbeit der Bundesbehörden mit Polizei und Verfassungsschutz im Südwesten. So gaben Bundesbehörden die sogenannte „Garagenliste“ mit Kontakten des NSU nicht an Baden-Württemberg weiter – obwohl darauf Namen aus dem Land standen. Ermittler aus dem Südwesten gaben ihrerseits Informationen weiter, erfuhren vom Bund aber nicht mehr, was damit geschah.

Welche Konsequenzen fordert der Ausschuss?

Zum einen soll die Landesregierung ein Forschungsinstitut gründen, das die rechtsextreme Szene wissenschaftlich untersucht. Außerdem soll rechtsextreme Musik Thema in den Schulen werden. Diese ist für viele Jugendliche der Einstieg in die rechte Szene. Darüber hinaus wollen die Parlamentarier, dass Regeln für Informanten des Verfassungsschutzes geändert werden. Führende Rechtsextremisten wurden vom Verfassungsschutz in Thüringen als V-Leute bezahlt und finanzierten so den Aufstieg des NSU mit.