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Rechtsstaat

Karlsruhe plant eine „Residenz des Rechts“

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

In Nachbarschaft zum Bundesgerichtshof soll sich der Rechtsstaat präsentieren. Machbarkeitsstudie vorgelegt
Veröffentlicht:28.12.2017, 19:21

Von:
  • Schwäbische.de
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Es gibt bislang nichts Vergleichbares in Deutschland, auch nicht in angrenzenden Ländern. In Karlsruhe wird derzeit ein völlig neuartiger Typus von Museum entwickelt: Auf dem Areal des Bundesgerichtshofs soll sich künftig der Rechtsstaat präsentieren können – „im Gespräch“ mit den Besuchern, interaktiv, real und auch virtuell. So stellt sich das ein Initiativkreis „Forum Recht“ vor, der jetzt eine Machbarkeitsstudie vorlegte. Auf 75 Millionen Euro lauten erste Kostenschätzungen.

„Wenn nicht jetzt, wann dann.“ So fasste es einer der beteiligten Architekten in dem Initiativkreis jüngst zusammen. Die Keimzelle der Idee und der Gruppierung liegt in der 2004 gestarteten – allerdings damals gescheiterten – Bewerbung Karlsruhes als Kulturhauptstadt Europas. Mit der nordbadischen Großstadt verbinden sich seit vielen Jahren wichtige Grundrechtsentscheidungen – ist Karlsruhe doch bereits seit Anfang der 1950er-Jahre Sitz der höchsten deutschen Gerichte. Jetzt nimmt die Idee eines bundesweit ausstrahlenden Informationszentrums über den Rechtsstaat mit Sitz in Karlsruhe Gestalt an, nachdem bereits im Jahr 2016 zwei beschließende Ausschüsse des Bundestages Gelder für die besagte Machbarkeitsstudie bereitgestellt hatten.

Das multimediale „Informations- und Dokumentationszentrum“ – das Wort Museum scheuen die Initiatoren dabei bei ihrem Vorgehen wohl zu Recht – soll eine Einrichtung des Bundes werden: und „den Rechtsstaat erlebbar machen“, wie es etwa die dem Initiativkreis angehörende BGH-Präsidentin Bettina Limperg formuliert. Das „Forum Recht“ – so lautet auch der bisherige Arbeitstitel der angedachten interaktiven Schauräume – solle alle ansprechen. Besonders im Fokus: junge Menschen, sowohl Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, die zu einer Auseinandersetzung mit dem Rechtsstaat – auch medial kommuniziertem Recht – angeregt werden sollen. Fachpublikum und Familien solle gleichermaßen „ein vielfältiges Angebot erwarten“. Die jetzt vorgelegte Machbarkeitsstudie – die bei rund 250 Seiten drei Teile umfasst, mit Fragen der Gestaltung, der zu präsentierenden Inhalte und der baulichen Aspekte – wurde gemeinsam von Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle und Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) in Stuttgart auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) übergeben; nach vorangehenden Präsentationen in Berlin. Schon im vergangenen Sommer konnte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags, unter derzeitigem Vorsitz von Renate Künast (Grüne), für das Projekt gewonnen werden. Für Ulrich Maidowski, Richter am Bundesverfassungsgericht, soll in dem Zentrum „auch der Rechtsstaat hinterfragt werden können“, Platz auch für solche Fragen sein. Verfassungsrichterin Susanne Baer, die dem Initiativkreis angehört, warb kürzlich in einem Interview für das Projekt: Der Rechtsstaat brauche Verständnis, Wertschätzung, Auseinandersetzung. Die Idee des Forums sei „nicht Musealisierung, sondern Thematisierung des Rechtsstaats“.

Markus Brechtken , stellvertretender Direktor beim Institut für Zeitgeschichte in München, zeigte sich jetzt in Karlsruhe „verwundert“, dass es einen solchen Ort wie das angedachte „Forum Recht“ bislang noch nicht gibt. Für den Historiker stehen vier Dimensionen des neuen Rechtsstaatszentrums im Mittelpunkt: „das Erleben“ und Begreifbarmachen von Recht. Daneben die Geschichte des Rechtsstaats als die „historische Dimension“. Brechtken nennt zudem Fragen der „Ambivalenz“ von Rechtsstaat als Versprechen mit all seinen vielfältigen Entwicklungen und den Zielen Freiheit, Sicherheit, Ordnung – und schließlich Fragen der „Partizipation“. Rechtsstaat betreffe jeden und erfordere Engagement des Einzelnen.

Vier Ebenen geplant

Rund 1000 Quadratmeter Präsentations- und Ausstellungsflächen sind für das neu geplante Haus angedacht – dazu kämen etwa 400 Quadratmeter für temporäre Nutzungen. Das Zentrum soll vier Ebenen erhalten. Auch die bauliche Machbarkeit wurde geprüft: vom früheren Leiter des Staatlichen Hochbauamtes Karlsruhe, Wolfgang Grether. Ein neuer Bautrakt am Rande des BGH-Areals in Karlsruhes Innenstadt – angrenzend an das „Erbgroßherzogliche Palais“, Sitz des Bundesgerichtshofs – soll dafür entstehen.

Eingebunden werden soll der historische, fensterlose und denkmalgeschützte alte Sitzungssaal des höchsten deutschen Zivilgerichts – in dem, auf der Richterbank sitzend, der Initiativkreis jetzt auch die Machbarkeitsstudie präsentiert hat. Eine Kollision mit dem Stadtumbau der Karlsruher „Kombilösung“, bei der Straßenbahnen und Autos in Tunnelbauten verlegt werden, ist dabei nicht ganz ausgeschlossen: Just an der Stelle, an der der Bau „Forum Recht“ entstehen könnte, war vor gerade mal drei Jahren ein etwa dreißig Meter hohes Abluftrohr für den unterirdischen Kfz-Verkehr angedacht. Noch viel wichtiger aber ist: Erst wenn im Bundestag in Berlin neue beschlussfähige Ausschüsse gebildet sind, wird grundsätzlich über das Projekt entschieden – das wird nach der Bildung einer neuen Bundesregierung der Fall sein. Der Neubau soll im Rahmen eines Architektenwettbewerbs realisiert und das Forum könnte im Idealfall im Jahr 2023 eröffnet werden.