Westrand
Historische Allee in Überlingen gefällt
Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Die historische Allee am Westrand von Überlingen gibt es nicht mehr. Am Montagmorgen um 7.30 Uhr sind die Holzfäller angerückt. Eine Bürgerinitiative hatte die Baumreihe vor allem wegen ihres alten Platanenbestands erhalten wollen. Pläne für die 2020 in Überlingen vorgesehene Landesgartenschau sehen dort aber eine andere Gestaltung vor. Die Allee-Frage hatte über ein Dreivierteljahr für heftigen Streit in der Stadt gesorgt. Der frisch gebackene Oberbürgermeister Jan Zeitler (SPD) hofft nun, dass „sich die Gemüter beruhigen und aus der Landesgartenschau das angestrebte große Fest wird“.
Bis vergangene Woche hatte die „Bürgergemeinschaft für Überlinger Bäume“ (BÜB) noch Hoffnung gehabt. Womöglich gebe es einen Aufschub des Bäumefällens, wurde aus ihren Reihen verlautbart. Hierzu hatte sich die BÜB mit einer Eingabe an den Petitionsausschuss des Landtags gewandt. Sie wollte Zeit gewinnen, um ein Bürgerbegehren über die Zukunft der Allee anstreben zu können. Die Petition wurde jedoch abgewiesen, wie kurz vor dem Wochenende bekannt geworden war. Worauf die Stadt Überlingen rasch reagierte und das Baumfällen für Montag ansetzte.
Abgeholzt wurden 43 Platanen und 21 weitere Bäume. Die Eile hat zwei Gründe. Zum einen läuft die Baumfällzeit ab. Sie endet mit dem Beginn der Vegetationsperiode am 1.März. Danach kann erst wieder im Spätherbst zur Motorsäge gegriffen werden. Des Weiteren ging es darum, klare Verhältnisse zu schaffen. „Wir haben einen Zeitplan einzuhalten“, sagt Oberbürgermeister Zeitler. „Mit der Fällaktion sollte auch verhindert werden, dass sich die Alleedebatte über den Sommer noch ein weiteres halbes Jahr hinzieht.“
Altbekannte Pläne
Zeitler betont, es hätten alle rechtlichen Voraussetzungen für die Fällung vorgelegen. Anfang vergangener Woche war auch vom Landesamt für Denkmalpflege ein Einverständnis gekommen. Dies betrifft neben der Allee auch eine daneben verlaufende rund hundert Jahre alte Trockensteinmauer zur Befestigung des Bodenseeufers. Die BÜB hatte sich ebenso für deren Rettung eingesetzt. Die Mauer und Teile des Baumbestandes werden auf ein ähnliches Alter geschätzt. Sie gehen auf den Bau der Bahnlinie von Sipplingen nach Überlingen um 1900 herum zurück.
Das Konzept für die Landesgartenschau sieht dort aber eine andere Gestaltung vor. Durch das Entfernen der Mauer soll das Ufer zugänglich gemacht werden. Die von der Allee gesäumte Straße wird einige Dutzend Meter landeinwärts an die Eisenbahnlinie verlegt. Die Planungen stammen von der Landschaftsarchitektin Marianne Mommsen. Sie hatte 2012 einen Ideen-Wettbewerb gewonnen. Er war die Basis für weitere Überlegungen. 2013 stimmten bei einem Bürgerentscheid knapp 60 Prozent für den ausgelegten Entwurf.
Öffentlicher Widerstand regte sich erst vergangenes Frühjahr. Trotz der altbekannten Pläne zeigten sich Bürger nach einer Uferbegehung mit Kritikern des Mommsen-Vorhabens alarmiert. Sie beharrten darauf, es sei von massenhaftem Baumfällen nie die Rede gewesen. Die Pläne wurden von ihnen als unübersichtlich bezeichnet. Deshalb habe man darauf weder das Fehlen der Bäume noch der Trockensteinmauer erkannt.
Ein Missverständnis
Hinzu kam ein Missverständnis. So werden im anschließenden Stadtbereich Alleebäume erhalten. Einige Plankritiker verwechselten dies mit der Strecke am Ortsausgang – also mit dem Alleebereich, der nun beseitigt wurde. Sie dachten deshalb, alle Bäume hätten eine Zukunft. Dies wäre aber sowieso nicht der Fall gewesen: Beim Fällen zeigte sich bei einigen Platanen, dass sie morsch waren. Sie hätten eigentlich schon früher entfernt werden müssen.
Die Stadt Überlingen ließ die Arbeiten unter großen Sicherheitsvorkehrungen durchführen. Das Gelände wurde durch Zäume gesperrt. Polizei und ein Sicherheitsdienst standen für den Fall militanter Proteste bereit. „Dies war keine Maßnahme wegen unserer Bürgerinitiative vor Ort“, erklärt Oberbürgermeister Zeitler. Seit Tagen habe es aber im Rathaus einen regelrechten Telefonterror durch sogenannte Baumschützer gegeben. Zeitler verortete einige der Anrufer im Stuttgarter Raum.
Die BÜB wiederum hat laut Oberbürgermeister erklärt, dass sie auf weitere Einsprüche verzichten werde. Dirk Diestel, einer ihrer führenden Aktivisten, teilte in einem Presseschreiben seine tiefe Enttäuschung mit.