Abfallentsorgung
Abfallentsorgung: Weitere Auflage für Bauherren
Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Wohin mit Bauschutt und Erde? Seit Anfang 2021 müssen Bauherren im Südwesten vor dem ersten Spatenstich bei den Behörden einen Plan vorlegen, wie sie mit solches Abfällen umgehen wollen.
So sieht es eine Regel des grün geführten Landesumweltministeriums vor. Aus Sicht der FDP ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu mehr Wohnraum. Was Bauherrn wissen müssen – und was die Baubranche sagt.
Was genau besagt die neue Regel?
Wer neu baut und dabei mehr als 500 Kubikmeter Boden bewegt, wer ein bestehendes Gebäude abreißt oder kernsaniert, muss ein Abfallverwertungskonzept erstellen. Das gilt für Privatleute wie für Unternehmen. Das Dokument muss auflisten, welche Arten von Abfall voraussichtlich anfallen werden und wie die Bauherren diesen entsorgen wollen.
Es gibt ein zweiseitiges Formular, das ausgefüllt bei der Baurechtsbehörde abgeben werden muss. In einer detaillierten Variante warten fünf Seiten auf Bearbeitung. Darin werden umfangreiche Informationen abgefragt – etwa zu Mengen und möglichen Schadstoffen. Die Angaben müssen wiederum vom Landratsamt geprüft werden.
Was ist das Ziel?
In einer Antwort auf eine Anfrage der FDP nennt das Umweltministerium seine Motive. Auf den Deponien im Land landeten große Mengen unsortierten Bauschutts. Das führe zu Problemen. Ersten sind Deponiekapazitäten knapp und damit teuer. Zweitens hat sich das Land zum Ziel gesetzt, die Kreislaufwirtschaft zu fördern – also möglichst viele Stoffe wiederzuverwerten statt sie endgültig zu entsorgen.
Das schont natürliche Ressourcen und trägt dazu bei, das Deponieproblem zu begrenzen. Außerdem hätten sich viele Bauherren beklagt, weil es durch Probleme bei der Abfallentsorgung zu unerwarteten Kosten und Zeitverzug während des Bauvorhabens gekommen sein. Rainer Mang , Abteilungsleiter beim Verband der Bauwirtschaft im Land, bestätigt das: „Wir haben diese Vorgaben befürwortet. Nicht, um das Bauen bürokratischer und teurer zu machen, sondern im Gegenteil schneller und günstiger.“
Solange zum Beispiel ein Gebäude noch steht, sei es einfacher festzustellen, welche Materialien beim Abriss recycelt werden können und welche entsorgt werden müssen. Richtig teuer werde es dagegen, wenn nicht sortenrein getrennter Bauschutt auf die Deponie müsse. Wer solche Fragen nicht rechtzeitig kläre, erlebe später oft eine böse Überraschung. „Das kann dann richtig kostspielig und teuer werden.“
Was monieren Kritiker?
Für den Wirtschaftsexperten der FDP im Landtag, Erik Schweickert, ist klar. „Die Pflicht zur Erstellung des Abfallverwertungskonzepts ist eine völlig unnötige bürokratische Belastung und ungerechtfertigte Bevormundung der Bauherren und Bauträger in Baden-Württemberg, die zu noch mehr Kosten führt und die ohnehin schon ausgelasteten Abfallrechts- und Bodenschutzbehörden noch weiter beansprucht.“
So ähnlich sieht das auch Otmar Wernicke, Chef des Eigentümerverbands Haus&Grund: „Es fällt leider auf, dass das Land in Sachen Wohnungsbau gerne montags Bürokratieabbau verspricht und freitags etwas ganz anderes macht. Dieses Gesetz ist da ein weiterer Mosaikstein. Es gibt mit Sicherheit andere Vorgaben, die wesentlich mehr Aufwand und Kosten für Bauherren bedeuten.
Aber dennoch ist es eben einmal mehr Ausdruck dieses grundsätzlichen Problems.“ Dem schließt sich der Gemeindetag, die Interessenvertretung der kleineren Kommune im Land, an. „Ein ohnehin komplexes Baugenehmigungsverfahren wurde dadurch mit noch weiteren Nachweis- und Gutachtenpflichten und einer zusätzlichen Behördenbeteiligung erschwert“, so ein Sprecher.
Zwar mache Recycling von Baumaterialien Sinn. „Wir sollten aber nachdenken, ob sich nicht bessere Wege finden lassen, als dafür von den Bauherren ein zusätzliches Konzept einzufordern.“ Tatsächlich gibt das Umweltministerium in seiner Antwort an die FDP zu: „Die Pflicht, ein Abfallverwertungskonzept zu erstellen und der Behörde vorzulegen, ist zwar mit gewissen Zusatzkosten verbunden. Diese Kosten sind allerdings im Verhältnis zu den sonstigen Kosten unwesentlich“.
Was entgegnen Befürworter?
Das Ministerium hält den Aufwand für die Bauherren für überschaubar und gerechtfertigt. Ein Konzept koste je nach Bauprojekt etwa 2500 Euro. Ohne Planung würden später Probleme mit der Abfallverwertung auftreten. Denn egal, wohin man mit dem Müll will, das Material muss von Fachleuten analysiert werden, sonst nimmt es auch keine Deponie an.
Darauf weist auch Rainer Mang vom Verband der Bauwirtschaft hin. „Der Bauherr muss den Bauschutt oder Bodenaushub ohnehin beproben und analysieren lassen. Er muss Möglichkeiten finden, Abfälle entweder zu recyceln oder zu entsorgen.
Um später keine böse Überraschung zu erleben, macht es Sinn, frühzeitig Entsorgungsfachleute mit einem Abfallkonzept zu beauftragen. Das kostet Geld, aber rentiert sich in aller Regel.“ Man gebe das Geld nur früher im Verfahren aus – und besser, so seine Ansicht.
Wie funktioniert das Ganze bislang?
Offenbar nicht allzu schlecht. Weder dem Eigentümerverband Haus&Grund noch dem Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen im Land (BFW) liegen von den Mitgliedern massive Beschwerden vor. „Der Personalaufwand für die Zusammenstellung der Daten und für das Ausfüllen der Unterlagen ist überschaubar und fällt finanziell nicht wirklich ins Gewicht“, so der Chef des BFW, Gerald Lipka.
Kritischer dagegen ist der Vertreter der Bauwirtschaft Mang: „Es funktioniert so leidlich“. Oft seien die vorgelegten Konzepte der Bauherren nicht sehr verlässlich, weil diese keine Fachleute damit beauftragt hätten. Ein grundlegendes Problem ergebe sich durch die sehr strengen Schadstoff-Grenzwarte für Bodenaushub in Deutschland.
„Die Vorgaben sind eben so, wie sie sind. Letztlich gibt es da einen Zielkonflikt: Wenn man möglichst viel Bodenaushub recyclen will, wird das schwieriger, je strenger man bei der Schadstoffbelastung ist“. Ob nun tatsächlich mehr Baumüll recycelt wird, lässt sich laut Umweltministerium nicht sagen.