Der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus ( CDU ) hat nach seiner Abwahl im März 2011 Daten aus seinem Computer im Staatsministerium beseitigen lassen. Im Auftrag des Ex-Regierungschefs sei die Festplatte seines Arbeitscomputers ausgebaut und zerstört worden, teilten seine Anwälte am Donnerstag in Stuttgart auf dapd-Anfrage mit und bestätigten damit einen Bericht der „Stuttgarter Zeitung“. Die Daten seien aber auch auf dem Server des Ministeriums gespeichert worden. SPD und Grüne kritisierten die Aktion.
Auf der Festplatte hätten sich „zahlreiche CDU-Dateien, private Dateien unseres Mandanten sowie Dritter“ befunden, hieß es weiter. Die Juristen nannten dies eine „völlig übliche Verfahrensweise“, die Löschaktion sei zudem „kein Geheimnis“ gewesen. An der Aktion sei die Computerabteilung des Staatsministeriums und sowie ein Mitarbeiter beteiligt gewesen. Die Festplatte habe sich aber „zu keinem Zeitpunkt im Besitz unseres Mandaten befunden“, erklärten die Anwälte.
Wie sie auf dapd-Anfrage weiter mitteilten, seien sämtliche Daten, die sich auf der zerstörten Festplatte befunden hätten, über den Server des Staatsministeriums gelaufen und somit dort gespeichert gewesen. „Löschungen auf diesem Server wurden von unserem Mandanten nicht veranlasst“, hieß es weiter.
Daher könnten auch im Zusammenhang mit dem EnBW-Geschäft „keine Daten verloren gegangen sein“. Diese Daten seien ebenfalls über den Server gelaufen. Zudem könnten diese nur von der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz beziehungsweise der beratenden Bank Morgan Stanley gekommen sein. Beide hätten im EnBW-Untersuchungsausschuss aber sämtliche Mails zur Verfügung gestellt.
Das heute von den Grünen geführte Staatsministerium sowie die Stuttgarter Staatsanwaltschaft zeigten sich überrascht, die Regierungszentrale auf dapd-Anfrage gar „irritiert“. Die Vertreter der Regierungsfraktionen im EnBW-Untersuchungsausschuss reagierten empört.
CDU-Landeschef Thomas Strobl verteidigte Mappus hingegen. „Sie werden keinen Regierungschef finden, der bei seinem Weggang nicht seine persönlichen Notizen mitnimmt und seine E-Mails löscht“, sagte Strobl der „Schwäbischen Zeitung“. Sein Vorgehen sei nicht zu beanstanden.
Dass die Festplatte ausgebaut und Mappus zur Verfügung gestellt wurde, war der Regierungsspitze zuvor nicht bekannt gewesen, bestätigte ein Sprecher auf dapd-Anfrage. Inzwischen werde der Vorgang intern geprüft. Die grün-rote Landesregierung hatte nach der Regierungsübernahme nach Unterlagen über den umstrittenen EnBW-Aktienankauf durch Mappus gesucht und kaum Dokumente gefunden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile gegen Mappus im Zusammenhang mit dem Geschäft wegen Untreue. Dazu hatten die Ermittler unter anderem dessen Wohnhaus in Pforzheim sowie zahlreiche Geschäftsräume auch von Beratern durchsucht. Von einer Durchsuchung des Staatsministeriums hatte die Behörde laut der Zeitung aber abgesehen, da Mappus dort keinen Arbeitsplatz mehr hat.
Zwtl.: Ermittler wollen Daten wiederherstellen lassen
Die Ermittler haben bereits Kontakt mit dem Staatsministerium der aktuellen Regierung aufgenommen, um eventuell gelöschte Daten wieder herzustellen. Das Staatsministerium will nach eigenen Angaben dabei helfen, gelöschte Computerdaten mithilfe einer forensischen Software wiederherstellen zu lassen.
Der Obmann der Grünen im EnBW-Untersuchungsausschuss, Uli Sckerl, nannte den Vorgang skandalös. „Dass es Stefan Mappus nicht reichte, die Daten einfach zu löschen, sondern gleich die ganze Festplatte zerstören lässt, schürt den Verdacht, dass uns immer noch Korrespondenz vorenthalten wird, die Licht auf die noch dunklen Flecken des Deals werfen könnte“, erklärte er. Es sei systematisch vertuscht worden.
SPD-Obmann Andreas Stoch rief die CDU auf, zur Aufklärung darüber beizutragen, welche Daten gelöscht wurden. Er sei sich sicher, dass damalige Akteure aus Mappus' Umfeld darüber etwas wüssten. Es sei außerdem nicht nachvollziehbar, dass Beamte im Staatsministerium von der Zerstörung der Festplatte wussten, die Hausspitze jedoch nicht davon unterrichteten, obwohl bekannt gewesen sei, dass fieberhaft nach Unterlagen zum EnBW-Deal gesucht wurde, erklärte Stoch.
Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Mappus hatte im Dezember 2010 für knapp 4,7 Milliarden Euro einen Anteil von rund 45 Prozent an der EnBW vom französischen Stromkonzern EdF zurückgekauft. Das am Parlament vorbei eingefädelte Geschäft wurde vom baden-württembergischen Staatsgerichtshof im Nachhinein für verfassungswidrig erklärt. Der Rechnungshof rügte zudem zahlreiche Rechtsverstöße. Die Staatsanwaltschaft ermittelt neben Mappus auch gegen zwei Ex-Kabinettsmitglieder wegen Untreue, ebenso gegen den Investmentbanker Dirk Notheis wegen Beihilfe zur Untreue.