Volksantrag

Volksantrag fordert zwei Lehrer pro Grundschulklasse

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Oberster Elternvertreter startet mit Mitstreiterin Volksbegehren für besser Grundschulen
Veröffentlicht:15.12.2022, 18:00

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Nächstes Ungemach fürs Land in Sachen Bildungspolitik. Noch vor Weihnachten wird den Landtag ein weiterer Volksantrag erreichen. Das Ziel: In jeder Grundschulklasse sollen zwei Lehrer im Tandem unterrichten. Nur so könne die Bildungsmisere gestoppt werden, sagt Michael Mittelstaedt, Landeselternbeiratsvorsitzender und einer der Antragssteller. „Wir müssen jetzt die Qualität in die Grundschulzeit reinbringen.“

Seit Jahren bescheinigen Bildungsstudien dem ehemaligen Musterschüler Baden-Württemberg immer schlechter werdende Leistungen. Zuletzt hatte der Bildungstrend des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) offenbart, dass jeder fünfte Viertklässler im Südwesten nicht mal die Mindeststandards beim Lesen und Rechnen erreicht. Das hat schwere und weitreichende Folgen, hatte der renommierte Tübinger Bildungsforscher Ulrich Trautwein der „Schwäbischen Zeitung“ gesagt.

Wer in der vierten Klasse nicht richtig lesen, schreiben und rechnen könne, werde wohl in der weiterführenden Schule weiter abgehängt und lande langfristig in prekären Arbeitsverhältnissen. Das gefährde unsere offene, demokratische Gesellschaft, so der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats, die das Kultusministerium berät. „Wer beobachten möchte, wie es zu einer gefährlichen Spaltung der Gesellschaft kommt, kann das – quasi in Zeitlupe – anhand der Schulkarrieren der Kinder in Baden-Württemberg beobachten.“

Stufenweiser Ausbau bis 2033

Dem wollen Mittelstaedt und seine Mitstreiterin Dagmar Schäfer nun mit ihrem Volksantrag zu Lehrer-Tandems in Grundschulklassen entgegenwirken. Darin fordern sie eine Doppelbesetzung für jede Klasse, ohne dass an der maximalen Schülerzahl gerüttelt wird. Sie fordern, dies bis 2033, also im Zeitraum von zehn Jahren, stufenweise umzusetzen. Das erzeuge zusätzliche Kosten von etwa einer Milliarde Euro pro Jahr, haben die beiden errechnet.

Bereits im März hat Schäfer eine Online-Petition gestartet. Sie trägt den Titel „Primarstufe in Baden-Württemberg, machen wir Schulen zu guten Orten, Wandel für unsere Grundschulen“. Nun legt sie als Bürgerin, wie sie betont, mit einem Volksantrag nach, „weil das das stärkste demokratische Mittel ist, das wir haben“, wie sie sagt. 40 Jahre hat sie als Lehrerin gearbeitet. Mit dieser Erfahrung sagt sie nun: „Eine Lehrkraft pro Klasse ist überholt. Wenn man das ändert, wird man ganz viele Probleme lösen.“

Bessere Förderung, kein Unterrichtsausfall

Schäfer hat eine lange Liste an Vorteilen der Lehrer-Tandems aufgestellt. Beispiele: Fällt eine Lehrkraft aus, könne die zweite ohne Bruch den Unterricht weiterführen. Unterricht finde dann verlässlich statt. Das entlaste auch die Schulleitung und ermögliche ihr, die Schule zu entwickeln. Ein Lehrer-Tandem könne Kinder viel gezielter fördern, etwa auch beim Spracherwerb, und deren Erfolge besser beurteilen. Auf die Bedürfnisse der Kinder könne auch viel konkreter eingegangen werden. Mittelstaedt macht ein Beispiel: „Wenn ein Kind Nasenbluten hat, kann der Unterricht für die anderen einfach weiterlaufen.“

Dass an Grundschulen der Lehrkräftemangel besonders massiv ist, lässt Schäfer als Gegenargument nicht gelten. Gerade dadurch, dass die Arbeitsbedingungen im Tandem deutlich verbessert würden, steigere das die Attraktivität des Berufs wieder und entlaste die Lehrkräfte. „Ich höre immer mehr von Burnout und Reduzierung“, sagt sie. „Man verliert richtig gute Leute.“ Das würde sich nach ihrer Ansicht ändern. Denn, so Mittelstaedt: „Die Leute wollen mit Kindern arbeiten und nicht Dompteur spielen. Das geht, indem man andere Rahmenbedingungen setzt.“

Kritik an Modellversuchen

Die Pläne von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), ab dem kommenden Schuljahr in Modellversuchen multiprofessionelle Teams aus einer Lehrkraft und einer Fachkraft anderer Professionen zu erproben, seien PR-Aktionen, so Schäfer. „Ich bin selbst Grünen-Mitglied“, sagt sie, „aber die Grünen versuchen nun, mit Einzelmaßnahmen und Modellversuchen ein bisschen was tun. Da muss man aber jetzt flächendeckend und mit großer Kraft etwas tun, sonst verlieren wir weiter Kinder.“

Noch vor Weihnachten wollen die Antragsteller den Volksantrag beim Landtag einreichen und dann im Januar mit der Unterschriftensammlung beginnen. Wenn sie das Quorum von knapp 40.000 wahlberechtigten Baden-Württembergern erreichen, zwingen sie damit den Landtag, sich mit ihrem Antrag zu befassen.