Rettungshubschrauber Christoph 45
Eilantrag – Notärzte und Gemeinderäte wollen Standortverlegung verhindern
Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

Katja Korf
Ein Bündnis aus Notärzten und Mannheimer Gemeinderäten macht Druck auf das Land Baden-Württemberg ‐ unter anderem wegen der Verlegung des Rettungshubschraubers Christoph 45 von Friedrichshafen nach Deggenhausertal-Wittenhofen (Bodenseekreis). Vor allem aber geht es darum, dass viele Rettungswagen und Notärzte im Land nicht in der vorgegebenen Frist bei ihren Patienten sind.
Im Mai hatte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) die Hilfsfristen aus dem baden-württembergischen Rettungsdienstplan für unwirksam erklärt. Seither hat sich aus Sicht der Kläger zu wenig getan, das Land wende die von den Richtern beanstandete Norm weiter an.
Benjamin ConzenDer Standort des Rettungshubschraubers am Krankenhaus Friedrichshafen ist für die Qualität der Notfallversorgung am Bodensee entscheidend.
Mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Stuttgart verlangen die Antragsteller nun, dass das Land Baden-Württemberg den Richterspruch aus dem Frühjahr ernst nimmt.
Notarzt sorgt sich um Versorgung der Patienten am See
Außerdem verlangt das Bündnis um den Mannheimer Gemeinderat Chris Rihm (Grüne) auch, die Pläne für den bislang in Friedrichshafen stationierten Rettungshubschrauber Christoph 45 zu stoppen. Auch gegen diese ‐ von den Richtern des Verwaltungsgerichtshofs im Rahmen der mündlichen Verhandlung gerügte ‐ Maßnahme richtet sich der Eilantrag.
„Der Standort des Rettungshubschraubers am Krankenhaus Friedrichshafen ist für die Qualität der Notfallversorgung am Bodensee entscheidend“, so Benjamin Conzen, einer der Antragsteller und Notarzt auf dem Rettungshubschrauber Friedrichshafen.
Um die Entscheidung des Landes hatte es lange und heftige Debatten gegeben. Das Stuttgarter Innenministerium stützt sich auf ein Gutachten zur Luftrettung in Baden-Württemberg. Dieses hatte eine Neuorganisation empfohlen.
Neuordnung der gesamten Luftrettung
Im Ergebnis sollen statt bislang acht Rettungshubschraubern zehn Maschinen in Baden-Württemberg verteilt. Eine der neuen Maschinen steht künftig in Lahr (Ortenaukreis), ein weiterer bei Ravenstein (Neckar-Odenwald-Kreis). Der Helikopter Christoph 45 startet in Zukunft nicht mehr vom Klinikum Friedrichshafen aus, sondern von einem neuen Rettungsstützpunkt in Deggenhausertal-Wittenhofen (Bodenseekreis).
Bis dieser einsatzbereit ist, werden laut Stuttgarter Innenministerium aber noch etwa zwei Jahre vergehen. Ebenso verlegt wird Christoph 41, und zwar von Leonberg (Kreis Böblingen) an die BG Klinik Tübingen. Kritiker warfen dem Land vor, etablierte Strukturen zu zerstören und die Versorgung in den von Standort-Verlegungen betroffenen Regionen zu gefährden.
Kläger halten Verlegung des Hubschraubers für rechtswidrig
Im Eilantrag der, der der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt, verlangt das Bündnis: „Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Verlegung des Rettungshubschraubers Christoph 45 vom Klinikum Friedrichshafen an einen Standort, der nicht an einem geeigneten Krankenhaus liegt, rechtswidrig ist.“
Der VGH Mannheim habe bereits im Mai klargestellt, dass eine Verlegung des Rettungshubschraubers vom Klinikum Friedrichshafen nach Deggenhausertal-Wittenhofen ‐ dort nicht an ein Krankenhaus ‐ auf Grundlage der geltenden Rechtslage nicht rechtmäßig möglich sei. Dennoch halte das Land an seinem Plan fest. Noch steht der Helikopter aber am See, eine Änderung der Rechtsgrundlage ist geplant.
Beim Streit um die Hilfsfristen für den Rettungsdienst geht es um Folgendes: Der VGH hatte die Hilfsfristen im Rettungsdienstplan im Mai für unwirksam erklärt. Dieser setzt die im Rettungsdienstgesetz des Landes vorgegeben Anforderungen um. Dieses gibt einen Zeitrahmen von 10 bis höchstens 15 Minuten vor, in denen ein Rettungswagen oder ein Notarzt beim Patienten sein müssen.
Sprecherin von Innenminister StroblDie Hilfsfrist ist kein Qualitätsindikator, da diese derzeit unterschiedslos für alle Alarmierungen gilt.
Genauer ausformuliert wird das Ganze dann im Rettungsdienstplan, der im Herbst 2022 in Kraft trat. Dort heißt es, das gesetzliche Ziel sei erreicht, wenn der Notfallort in 95 Prozent der Fälle in 12 Minuten erreicht wurde. Der VGH monierte, damit habe das Land nicht einmal versucht, die zehn Minuten einzuhalten.
Kläger: „Das Land spielt auf Zeit“
Zu dem nun eingereichten Eilantrag sagte der Sprecher des Klägerbündnisses Chris Rihm der „Schwäbischen Zeitung“, seit dem Richterspruch habe sich nichts getan. „Das Land spielt auf Zeit und versuchen, sich aus der Verantwortung zu stehlen“.
Dabei wisse man aus medizinischer Sicht seit Langem, dass Retter ihre Patienten im Notfall in 10 Minuten erreichen müssten. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand etwa sinke die Überlebenswahrscheinlichkeit pro Minute um zehn Prozent. „Nach zehn Minuten ist der Patienten tot“, so Rihm.
Sprecherin des Innenministers weist Vorwürfe zurück
Eine Sprecherin von Innenminister Thomas Strobl (CDU) wies die Vorwürfe zurück: „Die Hilfsfrist ist kein Qualitätsindikator, da diese derzeit unterschiedslos für alle Alarmierungen gilt, egal wie zeitkritisch der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten im Einzelfall ist.“
Entscheidend seien andere Faktoren, etwa wie viel Zeit bis zum Eintreffen im Krankenhaus vergehen oder ob ein Patient leitliniengerecht versorgt werde.

Ein Tag bei den Rettungsfliegern von Christoph 45
Redakteurin Sandra Philipp hebt ab und begleitet die Luftretter der DRF in Friedrichshafen. Dabei erlebt sie spannende Einblicke und grandiose Ausblicke.
Auch der Vorwurf, das Land missachte die geltende Rechtslage, sei nicht nachvollziehbar. Das Rettungsdienstgesetz gelte im Gegensatz zum Rettungsdienstplan weiter und damit auch der Korridor von zehn bis 15 Minuten.
Das Ministerium habe aber seit dem Richterspruch aus Mannheim zahlreiche Maßnahmen angestoßen, um diesen zu berücksichtigen und umzusetzen. Es brauche aber zunächst neue Rechtsgrundlagen, bis man die alten Vorgaben außer Kraft setzen könne.