Wasserforum
Die Stadt Stuttgart will ihr Wasser wieder haben
Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Schwäbische.de
Im Schatten des Widerstands gegen Stuttgart 21 feierte in diesen Tagen eine andere Bürgerbewegung einen großen Erfolg. Jahrelang hatte das Stuttgarter Wasserforum gefordert, der Verkauf der städtischen Wasserversorgung an den Energieversorger EnBW müsse rückgängig gemacht werden. Nach einem Bürgerbegehren schloss sich der Gemeinderat nun diesem Ziel an.
Von unserem Redakteur Armin Kübler
Als die Stadt Stuttgart 2002 ihre gesamten Energieaktien für über zwei Milliarden Euro dem Energieunternehmen EnBW verkaufte, habe er gar nicht „geschnallt“ was das bedeutet, sagt Werner Weber. Doch dann sei ihm klar geworden, dass so nicht nur die Strom- und Gasversorgung, sondern auch die Wasserversorgung in die Hände eines privaten Unternehmens gelangten. Wütend sei er geworden, sagt der 68-jährige Elektroingenieur. „Die verkauften das wichtigste Gut der Daseinsvorsorge.“ Er wollte darauf aufmerksam machen und gründete 2003 mit anderen Mitstreitern das Stuttgarter Wasserforum.
Um zu verstehen, wie es letztlich zum Verkauf der Wasserversorgung kommen konnte, setzte Weber sich hin und zeichnete. Mit Kästchen und Pfeilen vollzog er nach, wann welche Anteile an wen verkauft wurden und wie aus den Technischen Werken der Stadt Stuttgart 1997 die Neckarwerke Stuttgart wurden, und wie diese dann schließlich 2002 in der EnBW-Tochter EnBW Regional aufgingen.
Doch nicht nur Weber „schnallte“ zu Beginn nichts. Als das Wasserforum begann, Flugblätter zu verteilen und Bürger anzusprechen, hätten viele nicht glauben wollen, dass die Wasserversorgung nicht mehr „städtisch“ ist. Auch viele Mitglieder des Gemeinderats hätten nicht gewusst, was sie da beschlossen hatten, sagt Weber.
Für das Wasserforum tat sich schnell ein zweites Betätigungsfeld auf. Die Initiative hatte bemerkt, dass die Stadt dabei war, nach und nach Teile der städtischen Infrastruktur an amerikanische Investoren zu verkaufen, um sie anschließend mit langfristigen Verträgen zurückzumieten. Als Cross-Border-Leasing ging das Modell in die Geschichte ein. Für Kläranlagen, Abwasserkanäle und Straßenbahnen waren die Verträge schon unterschrieben. Als die Stadtverwaltung 2003 auch noch Schulen an US-Investoren verkaufen wollte, organisierte das Wasserforum den Widerstand. „Es gab auch eine Menschenkette um eine Schule“, sagt Weber. Nach und nach hätten die Fraktionen im Gemeinderat dann vom Cross-Border-Leasing Abstand genommen. Wieder mussten viele Stadträte bekennen, dass ihnen nicht klar war, was sie beschlossen hatten.
Bei der Wasserversorgung musste die Bürgerinitiative länger auf den Erfolg warten. Letztlich ausschlaggebend war ein Bürgerbegehren. Das Wasserforum sammelte im vergangenen Jahr 27 000 Unterschriften. Ein möglicher Bürgerentscheid wurde aber hinfällig, da der Gemeinderat vor zwei Wochen dem Bürgerbegehren zustimmte. Die EnBW habe das Netz tadellos betrieben, sagt Weber. „Das wichtigste Lebensmittel“ müsse aber in öffentlicher Hand bleiben.
Der Konzessionsvertrag für das Stuttgarter Leitungsnetz läuft Ende 2013 aus. Laut Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) werden die Verhandlungen mit der EnBW über einen Rückkauf frühestens Anfang 2011 beginnen. Spannend wird es beim Wasser selbst. 2002 übertrug die Stadt auch ihre Mitgliedschaft in der Bodenseewasserversorgung und der Landeswasserversorgung an die EnBW. Stuttgart bezieht sein Wasser je zur Hälfte aus diesen Fernwassernetzen. Die Mitgliedschaften sind nicht über die Konzession geregelt, hier ist Verhandlungsgeschick gefragt.