Südbahn
Der Fernverkehr bleibt der Südbahn fern - Wie sich das ändern könnte
Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Am Hauptbahnhof Ulm halten seit Dezember deutlich mehr ICEs. Grund ist die neue Schnellfahrstrecke nach Wendlingen. 90 statt bisher 70 Fernzüge sind dort täglich unterwegs. Allerdings nur auf der Achse Stuttgart – München. Dabei ist auch die Südbahn, die in Ulm Richtung Bodensee abzweigt, vor einem Jahr elektrifiziert und für schnellere Züge ausgelegt worden. Trotzdem gibt es in Oberschwaben so gut wie keinen Fernverkehr. Warum eigentlich nicht? Ein Überblick.
Die Ausgangslage: Gerade einmal zwei Fernzug-Paare fahren täglich auf der Südbahn. Der Intercity „Bodensee“ verbindet Innsbruck mit dem Ruhrgebiet – durch Oberschwaben geht es in beide Richtungen jeweils um die Mittagszeit. Und der Railjet „Bregenzerwald“ der österreichischen ÖBB ist zwischen Frankfurt und Wien unterwegs – Reisende aus Oberschwaben können morgens Richtung Süden, abends Richtung Norden zusteigen. Den Intercity gibt es schon länger, den Railjet seit einem Jahr.
Recht häufig sind zwischen Friedrichshafen und Ulm Regionalzüge unterwegs: Die Endpunkte der Südbahn sind im Halbstundentakt verbunden. Hinzu kommen auf Teilabschnitten Regionalbahnen mit noch mehr Haltepunkten.
Der Bedarf: Im Gegensatz zum Regionalverkehr, den die Bundesländer organisieren, handelt die Deutsche Bahn beim Fernverkehr auf eigene Rechnung. „Die DB gestaltet ihr Fernverkehrsangebot nachfrageorientiert und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten“, teilt eine Bahn-Sprecherin mit. „Dabei prüft sie kontinuierlich Chancen für Angebotsausweitungen.“
Aus Sicht von Wolfgang Heine , Geschäftsführer des Interessenverbands Südbahn, hat der Regionalverkehr klar die erste Priorität. „Die zweite Priorität ist dann, die DB Fernverkehr darauf aufmerksam zu machen, dass sie wohlwollend prüfen sollte, ob in einer so bedeutenden Tourismus- und Messeregion nicht mehr gehen würde.“ Auch von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben heißt es, ein guter Regionalverkehr sei am wichtigsten. Tatsächlich seien dessen Qualität und Pünktlichkeit aber immer wieder unbefriedigend, bedauert Bettina Wolf, IHK-Referentin für Regionalentwicklung. „Daher haben wir durchaus Forderungen von Unternehmen nach mehr Fernverkehr auf der Südbahn, weil diese sich davon zuverlässigere, schnellere Verbindungen in attraktiveren Zügen versprechen.“ Vom Stuttgarter Verkehrsministerium heißt es, man stehe in regelmäßigen Austausch mit DB Fernverkehr und setze sich aktiv für einen Angebotsausbau im Fernverkehr auf der Südbahn ein.
Die Kombi-Idee: Der Fahrgastverband Pro Bahn wirbt für eine ungewöhnliche Idee: Der getaktete Regionalexpress könnte in Einzelfällen durch einen Fernzug ersetzt werden. Zur selben Zeit, in der in den Stunden davor oder danach ein Regionalzug fährt, würde dann ein Intercity verkehren. Er würde die Halte des RE anfahren und nach dem Endpunkt der RE-Linie als regulärer Intercity weiterfahren. Nahverkehrstickets wären auf dem Streckenabschnitt, auf dem der IC den RE ersetzt, gültig.
Für Ulrich Arndt von Pro Bahn würden so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: „Die Bahn hat Interesse, die Peripherie an den Fernverkehr anzubinden, das Land hat Interesse an einem gut ausgebauten Regionalverkehr.“ Würde man einen Intercity anstelle eines Regionalexpresses aufs Gleis stellen, wäre das Angebot in der Region genauso gut wie zuvor – mit einem Zusatznutzen.
Ein ähnliches Konzept existiert in Baden-Württemberg bislang nur auf der Gäubahn, zwischen Stuttgart und Singen sind Intercitys mit Nahverkehrstickets nutzbar. Die Kosten seien aber hoch und der Gestaltungsspielraum begrenzt, sagt ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „So gibt es im Fernverkehr beispielsweise keine Lösung für eine adäquate Fahrradmitnahme, die gerade am Bodensee eine große Rolle spielt.“
Die Tourismus-Idee: Aus Sicht von Christian Jung, Verkehrsexperte der FDP im Stuttgarter Landtag, müsste das Land gegenüber der Bahn stärker den touristischen Nutzen zusätzlicher Fernzüge an den Bodensee hervorheben: „Hier fehlt mir auch der Ansporn aus dem für Tourismus zuständigen Wirtschaftsministerium“, sagt er. Vorstellbar seien auch zusätzliche Züge nur im Sommer. Gerade Urlauber mit großem Gepäck würden umsteigefreie Verbindungen schätzen. Als positives Beispiel nennt er Oberstdorf, das – obwohl am Ende einer eingleisigen, nicht elektrifizierten Stichstrecke gelegen – per Intercity umsteigefrei mit Hamburg und dem Ruhrgebiet verbunden ist.
Dem Landesverkehrsministerium gilt gerade die Oberstdorf-Strecke dagegen eher als abschreckendes Beispiel: Die Intercitys hätten den Nachteil „dass diese durch ihre langen Laufwege im überlasteten deutschen Schienennetz oft Verspätungen einschleppen“, so der Ministeriumssprecher – die Reisenden im Nahverkehr würden darunter leiden.
Die Hindernisse: An einigen Bahnhöfen zwischen Ulm und Friedrichshafen könnten ICEs schon deshalb nicht halten, weil die Länge und die Höhe der Bahnsteige nicht ausreichend seien, erläutert die Bahn-Sprecherin.
Für Züge von und nach Österreich ist außerdem der Abschnitt zwischen Friedrichshafen und Lindau ein Nadelöhr – der ist zwar jetzt elektrifiziert, aber weiterhin eingleisig. Angesichts der ohnehin hohen Auslastung bleibt dort wenig Spielraum. Wolfgang Heine vom Interessenverband Südbahn weist in dem Zusammenhang auf eine Machbarkeitsstudie hin, die das Landratsamt Ravensburg in Auftrag gibt. Sie steht in Zusammenhang mit den Plänen für einen Ringzug, der württembergisches Allgäu, Schussental und Bodensee umsteigefrei verbinden soll.
Bei der Untersuchung geht es auch um die Frage, wie Engpässe behoben werden können, mit anderer Signaltechnik oder mehr Doppelspurabschnitten etwa. Dies sei nicht nur für den geplanten Ringzug von Belang, betont Heine: „Wenn man den Kapazitätsengpass Friedrichshafen-Lindau behebt, ergeben sich auch für den Fernverkehr mehr Möglichkeiten.“
Die Konkurrenz: Die ÖBB wird nicht in Eigenregie mehr Züge auf die Südbahn schicken. „Grenzüberschreitende Verkehre werden immer in Abstimmung beider Länder vereinbart“, heißt es aus der ÖBB-Zentrale in Wien. Für Planung und Betrieb in Deutschland sei die DB zuständig.
Der private Anbieter Flixtrain betreibt bereits Züge auf den Strecken Berlin-Stuttgart und Hamburg-Stuttgart. Könnten diese bis an den Bodensee verlängert werden? „Gerade mit dem neuen Durchgangsbahnhof in Stuttgart ab 2025 ergeben sich für Anbieter neue Möglichkeiten für weiterführende Linien“, sagt Unternehmenssprecher Sebastian Meyer. Darüber werde intensiv diskutiert – spruchreif sei aber noch nichts.