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Klamme Kassen

Kein Geld mehr für Laptops: Digitalisierung von Schulen steht auf der Kippe 

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Das Geld aus dem Digitalpakt Schule ist aufgebraucht. Wer jetzt für Lehrer-Laptops und ähnliches zahlen soll, ist noch nicht klar. Es droht die Rückkehr an die Kreidetafel.
Veröffentlicht:17.11.2023, 05:00

Von:
  • Kara Ballarin
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Die Digitalisierung der Schulen in Deutschland hat während der Coronapandemie einen massiven Schub erfahren. Nun versiegen die Bundesmittel aus dem Digitalpakt. Wer zahlt also künftig für Lehrer-Laptops und für die Wartung der Schul-IT?

Während etwa Bayern schon Regelungen getroffen hat, tobt in Baden-Württemberg ein Streit. An diesem Freitag gehen Kommunen und Land in die nächste Runde ‐ die Zeit drängt.

Nach den Milliarden des Bundes, die Baden-Württemberg zum Teil aufgestockt hat, sieht es recht gut aus an den Schulen im Land. Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber dank des Geldes haben viele Schüler, nach Schätzungen des Städtetags gut 70 Prozent der Lehrkräfte ein digitales Arbeitsgerät bekommen.

Wer neu eingestellt wird, hat indes Pech ‐ die Mittel sind seit Mitte des Jahres aufgebraucht. Zudem läuft zum Jahresende die Finanzierung der Administration dieser Geräte aus.

Warten auf den Digitalpakt 2.0

Wie es danach weiter geht, ist noch völlig offen. Die Länder erwarten vom Bund einen Digitalpakt 2.0, wie die Ministerpräsidenten bei ihrer jüngsten Konferenz beschlossen haben. Diesen sehe ja auch der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vor.

Vor 2025 ist aus Sicht von informierten Beobachtern damit aber nicht zu rechnen. Südwest-Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hat einem Nachtragshaushalt zudem eine klare Absage erteilt. Und ohne Nachtrag kein frisches Geld für die Schuldigitalisierung.

Außerdem sieht das Land die Kommunen in der Pflicht. „Die Verantwortung für die schulische Ausstattung liegt beim Schulträger“, erklärt ein Sprecher von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne). Es handle sich bei Laptops und Tablets für Lehrer um Leihgeräte, die den Schulen und nicht den einzelnen Lehrkräften zugeordnet seien. Außerdem reiche der Digitalpakt bis zum Ende des Jahres 2024.

Kein Geld für neue Geräte

Das will Städtetagsdezernent Norbert Brugger nicht gelten lassen. Zum einen sei der Fördertopf für Lehrergeräte leer. „2024 geht gar nichts“, sagt er. Kein beschädigtes Gerät könne ersetzt, kein neues gekauft werden. Und: „Schulträgerschaft besteht darin, Schulen auszustatten, aber nicht die Lehrkräfte. Sonst müssten wir auch die Taschenrechner der Mathelehrer finanzieren.“

Das sieht auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft so. „Formal hat Herr Brugger recht“, sagt Landesgeschäftsführer Matthias Schneider. Allerdings: „Alle müssen sich darum kümmern, dass es professionelle Arbeitsplätze gibt an den Schulen ‐ da sehen wir die Schulträger ebenso in der Pflicht.“

Aufgrund seiner Berechnung, dass rund 70 Prozent der Lehrkräfte einen Dienst-Laptop haben, hat der Städtetag eine Kostenkalkulation für die nächsten vier Jahre gemacht. Bleibe es bei diesen rund 70 Prozent, fielen Kosten in Höhe von 173,2 Millionen Euro. Sollen alle Lehrer ausgestattet werden, steige die Summe auf 241,4 Millionen Euro. Aus Sicht des Ministeriums sind diese Zahlen zu hoch angesetzt.

Wartung der Schul-IT ab 2024 ungeklärt

Völlig unklar ist auch, wer künftig die Wartung und Administration der Geräte für Schüler und Lehrkräfte, für die gesamte Schul-IT trägt. Die Finanzierung über Bundesmittel endet zum neuen Jahr. „Eine Fortführung durch Bundesförderung ab Mitte 2024 und darüber hinaus im Rahmen des Digitalpakt 2 ist seitens der Länder angestrebt“, erklärt Schoppers Sprecher.

Zudem unterstützt das Land die Administration bislang mit 500 Lehrerstellen. Diese Stellen stehen auch auf dem Prüfstand, erklärt Schoppers Sprecher. Sie seien für pädagogische Aufgaben bestimmt und würden „neu justiert“.

Wir erwarten keine definitive Entscheidung am Freitag, aber die Ankündigung fürs kommende Jahr, in welche Richtung das Land geht.

Norbert Brugger

Die Stellen seien historisch gewachsen, sagt Brugger. Er verstehe, dass die Lehrkräfte für den Unterricht gebraucht würden. „Aber wenn 500 Deputate umgewandelt werden, müssen auch diese Gelder umgewandelt werden.“ Laut Städtetag fallen pro Jahr zwischen 15 und 20 Millionen Euro für die Administration an. 175 Euro pro Gerät und Jahr sind die Grundlage dieser Berechnung.

Auch das zieht das Kultusministerium in Zweifel und verweist etwa auf Hessen, das von 112 Euro ausgeht. Brugger verweist derweil auf Bayern. Dort hat die Staatsregierung das Schulfinanzierungsgesetz geändert und wird ab 2025 dauerhaft die Hälfte dieser Kosten tragen. Das sei auch richtig, sagt Brugger. Die Kommunen wollten sich nicht bereichern, „sondern wir wollen einen nachvollziehbaren und fairen Weg der Finanzierung“.

Showdown am Freitag

Um diese Themen wird der zuständige Ausschuss des Städtetags am Freitag mit Kultusministerin Schopper ringen. Ob es dann eine Einigung gibt? Unwahrscheinlich. „Wir erwarten keine definitive Entscheidung am Freitag, aber die Ankündigung fürs kommende Jahr, in welche Richtung das Land geht“, sagt Brugger.

Was wir uns alle dringend wünschen würden, ist, dass die Ausstattung nachhaltig und die Administration gesichert ist über den Schulträger.

Elke Ray, Gymnasial-Rektorin

„Wenn keine Einigung erzielt wird über das weitere Vorgehen, dann ist das auch eine Einigung: Es geht erstmal nicht weiter.“ Danach sieht es aus. Schoppers Sprecher erklärt: „Es handelt sich um eine turnusgemäße Sitzung, nicht um einen Verhandlungstermin.“ Über Finanzfragen des Landes entscheide schließlich der Landtag.

Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, zeigt sich erschüttert. So schnell und umfassend wie kaum ein anderes Bundesland habe Baden-Württemberg die Mittel aus dem Digitalpakt abgerufen. Dadurch sei die Digitalisierung der Schulen massiv vorangegangen. „Jetzt gehen wir auch, aber leider wieder rückwärts“, sagt er.

Schulen dringen auf nachhaltige Ausstattung

Für die Schulen selbst ist der Finanzstreit ärgerlich, sagt Elke Ray, Direktorin des Gymnasiums in Ochsenhausen im Kreis Biberach. „Was wir uns alle dringend wünschen würden, ist, dass die Ausstattung nachhaltig und die Administration gesichert ist über den Schulträger“, sagt sie.

Andere Bundesländer seien hier weiter. „Dort gibt es Stellen in der Kommune, die sich um die Administration der Schul-IT kümmern.“ Es brauche eine Fachkraft, die sich mit dem System an den Schulen auskennt und sich in der Not auch aus der Ferne zuschalten kann.