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Dorfladen

Den Laden im Dorf lassen

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Wo Supermärkte schließen, springen immer häufiger Ehrenamtliche ein – Justizminister will den Hobby-Gründern die Arbeit erleichtern
Veröffentlicht:13.11.2015, 07:00

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Die Bevölkerung in vielen Dörfern schrumpft, Geschäfte schließen. Manche Bürger helfen sich, indem sie Dorfläden gründen – in eigener Verantwortung. Nach Ansicht des baden-württembergischen Justizministers Rainer Stickelberger (SPD) wird ihnen das oft unnötig schwer gemacht: Es fehle an einer Rechtsform, die den Bedürfnissen der ehrenamtlichen Gründer entspricht.

Es geht um die Zukunft von Dörfern wie Inzigkofen im Landkreis Sigmaringen: 1300Menschen leben hier; es gibt einen Arzt, eine Apotheke, drei Grundschulen – und einen Lebensmittelladen. Der allerdings wird demnächst geschlossen.

„Kommunikationszentrum“

Richard Hunsicker , Sprecher einer Gruppe von Ehrenamtlichen, will den Laden retten. Er wünscht sich, dass die Inzigkofener, und möglichst auch Menschen aus den umliegenden Dörfern, dort nicht nur ihre Einkäufe erledigen. Der Ort soll für die Bürger ein „Kommunikationszentrum“ werden, ein Treffpunkt, wo man gerne hingeht. Die Dorfladen-Gründer starten das Projekt nicht blauäugig: In einer Umfrage sei das Interesse der Bürger an einem Laden abgefragt worden, sagt Hunsicker, viele hätten Interesse signalisiert, sich mit dem Kauf von Anteilen an der Finanzierung beteiligen zu wollen. Auch eine Rechtsform hat er schon ins Auge gefasst: „Es wird sehr wahrscheinlich eine Genossenschaft werden.“

Damit kommen allerdings einige Kosten auf die Dorfladen-Gründer zu (siehe Kasten) – zu hohe, findet Justizminister Stickelberger. Er spricht von „aufwendigen Verfahren“ und „hohen Gründungskosten“. Deswegen hat er das Thema auf die Tagesordnung der Justizministerkonferenz am Donnerstag in Berlin gebracht. Das Gesetz muss der Bund ändern, im Haus von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sollen jetzt Vorschläge erarbeitet werden.

Auch Wolfgang Gröll hält das Genossenschaftsrecht für „kompliziert und schwerfällig“. Der Unternehmensberater aus dem Landkreis Starnberg hat nach eigenen Angaben 150 Dorfläden in ganz Deutschland mit aufgebaut – und ist mit den Genossenschaftsverbänden gar nicht zufrieden. „Die behandeln den Dorfladen wie den Großkonzern Edeka“, moniert er. So würde Dorfladen-Betreibern vorgeschrieben, auf ihren Waren sogenannte Europäische Artikelnummern, die bekannten Strichcodes, zu führen. „Die hat ein kleiner Imker aber nicht auf seinen Honiggläsern“, sagt Gröll. Dabei hätten viele Dorfläden doch gerade auch das Ziel, regionale Produkte zu vermarkten.

Ein weiteres Beispiel: Nach Genossenschaftsrecht dürfte der gewählte „Aufsichtsrat“ des Dorfladens nicht im Geschäft mitarbeiten, sagt Gröll. Eine Regel, geschaffen für Großunternehmen, die bei den ehrenamtlichen Initiativen unsinnig sei: „Da ist man ja meistens froh über jeden, der mit anfasst.“

Auch Frank Sauter hat sich von Wolfgang Gröll beraten lassen, als er mit Gleichgesinnten 2011 einen Dorfladen im 895-Einwohner-Dörfchen Aßmannshardt, einem Teilort von Schemmerhofen (Landkreis Biberach), gegründet hat. Er hat sich für eine „Unternehmergesellschaft“ entschieden – und den Schritt nicht bereut. „Zum einen ging die Gründung schneller, zum anderen war sie günstiger, ebenso wie die Folgekosten.“ Für die Registrierung hätten vier Mitglieder des Ortschaftsrates gereicht; 80 weitere Aßmannshardter sind sogenannte „stille Gesellschafter“ . Ein System, das aus seiner Sicht gut funktioniert.

Dem Scheitern vorbeugen

Der Genossenschaftsverband widerspricht indes der Darstellung, eine Gründung sei zu kompliziert. Es werde lediglich geprüft, ob ein Projekt wirtschaftlich tragfähig sei, sagt Verbandssprecher Thomas Hagenbucher. „Schließlich ist keinem gedient, wenn die Gründung möglichst einfach ist, das Projekt dafür aber nach kürzester Zeit scheitert.“

Richard Hunsicker, der angehende Dorfladen-Gründer von Inzigkofen, lässt sich von den künftigen Hürden nicht abschrecken: „Wir haben keine Bedenken, eine Genossenschaft zu gründen.“ Die jährlichen Kosten für die Prüfungen seien zwar ein Nachteil. „Aber wir gehen davon aus, dass wir die hereinwirtschaften können.“