Ende der Landwirtschaft?

Minister: "Landwirtschaft in Biosphärengebieten wird unmöglich" Stimmt das?

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Dürfen Landwirte in Biopshärengebieten ihre Felder noch bestellen? Agrarminister Hauk spricht vom Aus, das Umweltministerium kontert.
Veröffentlicht:24.08.2023, 19:00

Von:
  • Kara Ballarin
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Bedeuten neue EU–Regeln das Ende der Landwirtschaft in Biosphärengebieten? Diese Sorge hat Baden–Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) geschürt. Mit einem Faktenblatt will das Umweltministerium gegensteuern. Die Verunsicherung ist groß.

Oberschwaben soll Biosphären–Gebiet bekommen

Zwei Biosphärengebiete (BG) gibt es im Südwesten — eins im Schwarzwald, das zweite auf der Schwäbischen Alb. Dieses wird gerade erweitert. Ein drittes Gebiet ist von der Landesregierung für den Raum Oberschwaben–Westallgäu angedacht. „Derzeit befindet sich der Prozess in der Beteiligungsphase“, erklärt das Umweltministerium.

Bis 2024 gibt es Workshops mit Interessensvertretern vor Ort. „Die Erkenntnisse sind Teil der Grundlage für eine Entscheidung für oder gegen ein Biosphärengebiet Oberschwaben–Allgäu“, so eine Sprecherin von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne).

Bislang dürfen Land– und Forstwirte Teile der Gebiete bestellen

Ein Biosphärengebiet besteht aus drei Zonen: Den Nukleus bildet auf mindestens drei Prozent der Fläche die Kernzone. Hier muss die Natur sich selbst überlassen werden. Hinzu kommt eine Pflegezone auf mindestens zehn Prozent, für die Naturschutz–Auflagen gelten. Diese Zone bilden in der Regel bereits bestehende Schutzgebiete. Den größten Anteil hat die Entwicklungszone, in der Bauern Felder und Wälder bewirtschaften dürfen. Nachhaltiges Wirtschaften soll hier gefördert werden.

Mit Aussagen in der „Schwäbischen Zeitung“ hatte Agrarminister Hauk vor allem Landwirte und Waldbesitzer in den Gebieten verunsichert. „Es sind auf EU–Ebene gerade Bestrebungen im Gange, wonach beispielsweise kein Pflanzenschutzmittel in Biosphärengebieten oder FFH–Gebieten mehr ausgebracht werden darf“, hatte er jüngst erklärt. „Zudem gibt es die Idee, dass in solchen Gebieten die Natur bis zum Jahr 2050 wieder in die Form des Jahres 1950 hergestellt werden soll.“

Wenn das mit den Pflanzenschutzmitteln kommt, können wir die Landwirtschaft in diesen Gebieten abhaken.

Peter Hauk

Als klarer Unterstützer der Reservate habe er vor der Gründung des BG Schwäbische Alb auf Landwirten eingewirkt, sich keine Sorgen vor Auflagen zu machen. Jetzt aber würden Regeln doch verändert, kritisierte er. „Nun fühle ich mich persönlich verraten und verkauft“, so Hauk. „Wenn das mit den Pflanzenschutzmitteln kommt, können wir die Landwirtschaft in diesen Gebieten abhaken. So einfach ist das.“

Kritik an Aussage von Hauk

Das Problem an dieser Aussage: Sie stimmt so nicht. Es gibt zwei Pakete, die die EU–Kommission vorgelegt hat. Zum einen das Renaturierungsgesetz. Im Juli verabschiedete das EU–Parlament diese Vorgaben, dem müssen aber noch die Mitgliedsstaaten zustimmen. Änderungen sind programmiert. Das Paket sieht vor, gefährdete Ökosysteme wiederherzustellen — etwa ursprüngliche Mischwälder aufzuforsten und trockene Moore zu vernässen.

Zum anderen gibt es die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Sie hat das EU–Parlament noch nicht passiert. Hiergegen gibt es heftige Widerstände der Mitgliedsstaaten — gerade auch aus der Landesregierung. Die Pläne seien viel zu weitreichend, hatte etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben.

Aufregung in Oberschwaben und auf der Alb

Hauks Äußerungen haben nun für Nervosität gesorgt. „Nach dem Presseartikel sind viele Personen auf uns zugekommen mit der Frage, ob tatsächlich ein Verbot von Pflanzenschutzmittel für das gesamte Biosphärengebiet kommt und was das für den Prozess bedeutet“, sagt etwa Lisa Polak vom Prozessteam Biosphärengebiet des Landkreises Ravensburg.

Ähnliches berichtet Gebhard Aierstock, Vorstand des Landesbauernverbands, Kreisbauernvorsitzender in Reutlingen und Mitglied im Lenkungskreis des BG Schwäbische Alb. „Es gibt viel Irritation, die kommt bei mir an“, sagt Aierstock. „Das kann ich so nicht stehen lassen.“ Deshalb habe er seinem Parteifreund Hauk geschrieben — die Antwort stehe noch aus.

Wenn er für den Erweiterungsprozess des Reservates Gemeinden besuche, sei Landwirtschaft stets Thema.„Die zentrale Befürchtung ist immer: Gibt es weitere Einschränkungen? Bisher war das nicht der Fall.“ Aktuell herrsche unter Landwirten ohnehin große Verunsicherung wegen wachsender Anforderungen und neuer Vorgabe. „Wenn dann noch solche Infos dazu kommen, fördert das die Stimmungslage entsprechend.“

Umweltministerium: EU hat sich bereits anders geäußert

Um die Gemüter zu beruhigen, hat das Umweltministerium ein Faktenblatt erstellt und verteilt. Der Landkreis Ravensburg etwa hat dieses auf seiner Homepage verlinkt. Darin heißt es, es sei „faktisch ausgeschlossen“, dass die Pläne der EU in ihrer bisherigen Form Realität würden. „Wenn der Entwurf 1:1 umgesetzt würde, würde das Verbot auf 100 Prozent der Landesfläche gelten.“ Ein Verbot von Pflanzenschutzmittel solle laut dem Entwurf für „sensible Gebiete“ gelten. „Klar ist aber, dass die Biosphärengebiete schon jetzt nicht als naturschutzrelevante Kategorie in den sensiblen Gebieten genannt sind“, so das Faktenblatt.

Zwar müssten die Sorgen der Betriebe ernst genommen werden, dass Gesetzgeber Restriktionen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beschließen könnten. Konkret für Biosphärengebiete sei diese Sorge aber Stand jetzt unbegründet. Und dann? Damit hat sich auch schon das Prozessteam im Kreis Ravensburg beschäftigt, wie Polak erklärt. „Wir sind gerade dabei auszuarbeiten, welche Möglichkeiten es gäbe, aus einem Biosphärengebiet auszusteigen, wenn sowas kommen würde.“

Sprecher von Hauk: „Noch nichts entschieden“

Und Minister Hauk? Bleibt er bei seinen Aussagen? Ein Sprecher des Agrarministeriums rudert zurück. „Die Auswirkungen der möglichen EU–Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) lässt sich derzeit noch nicht absehen“, erklärt er. Entschieden sei noch nichts.