StartseiteRegionalBaden-WürttembergWie bitte? Diese Allgäuerin herrscht in einem Fantasie-Staat am Mittelmeer

Prinzessin Nina I.

Wie bitte? Diese Allgäuerin herrscht in einem Fantasie-Staat am Mittelmeer

Kempten / Lesedauer: 7 min

Nina Menegatto aus Kempten regiert als Nina I. in Seborga. Ein Mikrostaat, der kein Staat ist, aber sein will. Mit Hymne, Nationalteam und Währung. Nur Realsatire? Nicht ganz.
Veröffentlicht:09.10.2023, 20:02

Von:
  • Ralf Müller
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Es gab einen kurzen aufregenden Moment in den 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, da drohte zwischen dem Fürstentum Seborga und der Republik Italien ein ernsthafter Grenzkonflikt. Giorgio I., Fürst von Seborga und von Beruf Blumenhändler, versuchte an der Stadtgrenze höchstpersönlich, einreisende Autos zu kontrollieren.

Die Episode war allerdings schnell vorbei, bevor es ernsthaftere Verwicklungen mit dem umgebenden Italien geben konnte, schildert Giorgios Nachfolgerin Principessa Nina I. Die geborene Kemptenerin ist seit dreieinhalb Jahren gewählte Fürstin des Mikro-Fürstentums in der ligurischen Provinz Imperia und übt ihr Amt mit Überzeugung, aber auch mit Augenzwinkern aus.

Seborga lässt seine Besucher nicht im Zweifel, dass sie kein normales Dorf betreten. (Foto: Ralf Müller)

„Ich glaube an die Sache“, sagt Nina Menegatto, die im November 2019 von den knapp 300 Einwohnern des bislang nicht anerkannten Mikrostaates zur Nachfolgerin ihres inzwischen geschiedenen Ehemanns Marcello I. gewählt wurde.

Prinzessin zahlt Amt aus eigener Tasche

„Die Sache“ ‐ das sind Argumente dafür, dass das Fürstentum Seborga nicht nach Recht und Gesetz Teil der Republik Italiens geworden ist. Der 2009 verstorbene Blumenhändler und erste Fürst der Neuzeit, Giorgio Carbone, stöberte in mehreren Archiven des Landes und fand heraus, dass das Fürstentum Seborga im Jahre 1729 nicht wirksam an das Herrscherhaus Savoyen übertragen worden sein soll.

Die Leute glauben dran. Nichts ist unmöglich.

Prinzessin Nina I.

Beim Wiener Kongress 1815 wurde Seborga demnach nicht als Teil Italiens erwähnt, auch nicht bei der Gründung des italienischen Staates und 1946 nicht im Vertrag zur Gründung der Republik Italien. In der Neuzeit soll eine italienische Richterin sogar in einer Zivilsache die Unabhängigkeit Seborgas berücksichtigt haben. Dem Vernehmen nach ist diese Sicht der Dinge der Juristin nicht gut bekommen.

Seborga, ganz im Westen Italiens gelegen. Tagestouristen kommen gern hierher. (Foto: Schwäbische.de)

Diejenigen Richter in Luxemburg, auf die es ankommt, zeigten sich bisher allerdings ungnädig. Eine Klage der seborghinischen Wahlmonarchie beim Europäischen Gerichtshof scheiterte ‐ aus formalen Gründen, wie die Principessa betont.

Jetzt arbeiten Anwälte an einem zweiten juristischen Vorstoß. Das tun sie ebenso ehrenamtlich, wie das ganze Fürstentum bisher funktioniert: Aus eigener Tasche legen die Prinzessin und ihr Kabinett drauf. Dem gehören Minister für alle Ressorts an, die ein Land so braucht: Äußeres, Inneres, Tourismus, Wirtschaft und so weiter.

Prinzessin lebt und arbeitet in Monaco

Auch ein Verteidigungsminister ist dabei. Der kann allerdings nur auf vier ehrenamtliche Wachmänner zurückgreifen. Es gab auch eine berittene Polizei, doch die musste aber aufgelöst werden, weil das Pferd nach Spanien umgesiedelt worden war.

Das ist ein Stück weit Realsatire, aber nicht nur: „Die Leute glauben dran. Nichts ist unmöglich“, sagt die Prinzessin, die einen Kindertraum lebt: „Welches Mädchen möchte nicht Prinzessin werden?“

Nina Menegatto, Prinzessin aus Kempten und geborene Döbler, lebt gleichzeitig in zwei Fürstentümern. Im 30 Kilometer entfernten Monaco geht sie ihrer Geschäftstätigkeit als Immobilienverwalterin nach. Ihre vier Jahre alte Tochter Maya besucht dort die Vorschule.

In Seborga widmet sich Nina I. ihrem Ehrenamt als Fürstin. Gut vereinbar ist das, weil die italienischen und französischen Verkehrsplaner in weiser Voraussicht beide Fürstentümer mit einer Autobahn verbunden haben.

Das offizielle Foto der Principessa: Nina I. von Seborga im Thronsaal. Die Prinzessin Nina Menegatto, geborene Döbler, stammt ursprünglich aus Kempten im Allgäu und lebt in Monaco. (Foto: Principato di Seborga)

Ihre Eltern besucht die Fürstin zwei-, dreimal im Jahr. Aber zurückkehren ins Allgäu, das kommt für Nina Menegatto nicht in Frage. Schon mit 14 Jahren hat sie die Heimat verlassen, studierte in Montreux und an der Universität von Monaco. Das Fürstentum der Reichen und Schönen ist seit nunmehr 26 Jahren ihr Zuhause. Aber: „Deutschland wird immer meine Heimat sein“, bekennt die gewählte Monarchin.

Hymne und Fußballnationalmannschaft inklusive

Ihre seborghinische Regierung residiert im „Palazzo Governo“, der wiederum der Immobilienfachfrau gehört. Von dem für örtliche Verhältnisse recht stattlichen Gebäude erreicht man in wenigen Gehminuten das Rathaus, in dem die „Konkurrenz“ angesiedelt ist, wie Nina augenzwinkernd die bürgerliche Dorfregierung nennt.

Überall zu sehen: Blau-weiße Flaggen. Die Nationalfarben Seborgas. (Foto: Ralf Müller)

Man tue sich gegenseitig nicht weh, und es wird vom Fürstentum auch akzeptiert, dass auf dem bürgerlichen Rathaus eine italienische Flagge weht. Aber nur dort. Ansonsten bekennen sich die Seborghini durch das Hissen der blau-weiß gestreiften Fahne zum Fürstentum.

Natürlich gibt es auch eine Hymne und sogar eine Fußball-Nationalmannschaft. Die italienischen Behörden lassen die Seborghini gewähren und erlauben ihnen sogar, ein zweites Kennzeichen an ihren Autos anzubringen ‐ mindestens 20 Zentimeter vom italienischen entfernt.

Abhänigkeit von Italien lähmt den „Mikrostaat“

Man darf vermuten, dass die monarchistisch eingestellten Seborghini der deutschen Geschäftsfrau bei der Wahl der Fürstin auch deshalb den Vorzug vor einer einheimischen Mitbewohnerin und Tochter von Giorgio I. gaben, weil sie sich davon eine Belebung von Handel und Wandel erwarteten. Tatsächlich ist ihre Principessa rührig und kümmert sich um alle möglichen kleinen Attraktionen, um Besucher zu locken und die Attraktivität Seborgas zu steigern.

Das funktioniert auch. Als die Kunde von einem nach Selbstständigkeit strebenden Fürstentum die Runde in der internationalen Presse machte, kamen die Touristen sogar busseweise, teils aus Japan, erzählt die Regentin. Inzwischen ist der Zustrom zumindest außerhalb der Urlaubssaison etwas abgeebbt. Man sucht nach neuen Ideen.

Einer von vier ehrenamtlichen Wachleuten am Ortseingang von Seborga. (Foto: Ralf Müller)

Nina I. ist dabei treibende Kraft. Sie ist nicht Principessa geworden, um sich bei besonderen Anlässen mit Krone auf dem Haupt und mit illustren Besuchern ablichten zu lassen.

Wichtigstes Projekt der Immobilienexpertin ist ein 80-Betten-Luxushotel, das auf dem Hoheitsgebiet von Seborga in 500 Metern Höhe und mit weitem Blick „auf vier Staaten“ ‐ nämlich Seborga, Italien, Frankreich und Monaco ‐ entstehen soll. Das Grundstück haben Investoren schon erstanden, doch die italienischen Behörden zeigen sich wenig flexibel, und so geht im Augenblick nichts voran.

Steuern sollen niedrig sein

Doch Nina I. will nicht locker lassen, denn es mangelt dem aufstrebenden Fürstentum an standesgemäßen Unterkunftsmöglichkeiten, so dass es in der Regel bei Ein-Tages-Besuchen bleibt, wenn man nicht von einem der örtlichen Bed&Breakfast-Angebote Gebrauch macht.

Übrigens kommen die meisten ausländischen Touristen des kleinsten Fürstentums Europas aus Deutschland. So hat sich die Wahl der deutschen Prinzessin für ihre Untertanen schon ausgezahlt. Die verdienten bis zum Renaissance des Fürstentums vor allem in der Landwirtschaft ihr Brot. Bekannt ist Seborga für den Export von Mimosen, die zu Zierpflanzen kultiviert wurden.

Der örtliche Andenkenladen, in dem Briefmarken, Münzen, Personalausweise und Führerscheine aus Seborga feilgeboten werden, leistet einen kleinen Beitrag zur Finanzierung der Monarchie. Neuerdings sind sogar Geldscheine mit dem Konterfei der Regentin mit eigenwilligen Werten im Umlauf: Drei „Luigini“ sind 15 Euro wert, sofern man ein Geschäft findet, das sie annimmt.

Eine eigene Währung gibt es schon. Darauf zu sehen natürlich die Prinzessin Nina I. 3 "Luigini" - wie die eigene Währung genannt wird, sind umgerechnet 15 Euro. Einen Abnehmer muss man aber selber finden. (Foto: SZ)

Konkrete wirtschaftliche und monetäre Vorstellungen für den Fall der vollständigen Unabhängigkeit gibt es auch schon: Für völlige Steuerfreiheit wie in Monaco ist die Regierung der Principessa nicht, wohl aber für niedrigere Steuern als in Italien.