Beförderungsstau
Darum bekommen Fachlehrer deutlich weniger Lohn als ihre Kollegen
Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Fachlehrer werden in Baden-Württemberg oft wie normale Lehrer eingesetzt, bekommen dafür aber deutlich weniger Lohn. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) spricht von einem Beförderungsstau und fordert vom Land, diesen endlich abzubauen. Dabei stützt sich der Verband auf eine aktuelle Umfrage, die er heute veröffentlichen will. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) signalisiert Verbesserung.
Seit 40 Jahren arbeitet Rosemarie Mohr als Fachlehrerin, die vergangenen 25 Jahre an der Mittelberg-Grundschule in Biberach. Nach dem Realschulabschluss hat sie ihre Ausbildung zur Fachlehrerin absolviert und unterrichtete danach die erlernten Fächer Textiles Werken und Sport an so ziemlich allen Schularten. Sie wusste, was auf sie zukommen würde, betont sie. „Eigentlich gibt es einen ehrlichen Umgang damit, welche Perspektiven Fachlehrer haben“, sagt Mohr.
Im Gegensatz zu ausgebildeten Lehrern haben Fachlehrer kein Studium absolviert. Sie brauchen den Realschulabschluss oder die Fachschulreife mit abgeschlossener Berufsausbildung. Der Weg zum Fachlehrer führt dann über eine dreijährige Ausbildung. Erlernt werden zwei Fächer: etwa Musik, Kunst, Sport oder Technik. Manche wählen auch die Richtung Sonderpädagogik und arbeiten anschließend in Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), den früheren Förderschulen.
Jahrelanges warten für mehr Geld
„Diejenigen, die eine Ausbildung beginnen, wissen von vornherein, dass sie auf A 9 besoldet werden“, sagt Mohr, die im VBE-Landesverband Referatsleiterin für Fachlehrkräfte ist. „Was aber wirklich schwierig ist, ist der Beförderungsstau.“ Manche Fachlehrer warteten bis zu 13 Jahren, bevor sie in die nächste Stufe A 10 eingruppiert werden. Dabei sieht das Landesbesoldungsgesetz vor, dass Fachlehrer bereits nach einem Jahr die nächste Stufe erreichen könnten. Das lange Warten auf die Beförderung sei eines der Ergebnisse einer VBE-Umfrage unter den Fachlehrern. Repräsentativ ist die Studie nicht, sagte Mohr. Knapp 40 Fachlehrer beteiligten sich. „Ich bin aber aufgrund meiner Berufserfahrung absolut davon überzeugt, dass die Ergebnisse in dieser Form die Realität widerspiegeln.“
An fast allen Schularten sind Fachlehrer auch als Klassenlehrer eingesetzt. Das kann ihnen nützen, um vom Schulleiter eine gute dienstliche Beurteilung zu bekommen. Die ist für den nächsten Karriereschritt nötig. Das heißt, laut Mohr, aber auch, dass eine Fachlehrkraft, die etwa an einer Realschule eine Klasse leitet, bis zu 1600 Euro brutto weniger verdient als der Kollege mit Realschulstudium in A 13 – und zwar bei gleicher Arbeit. Und noch etwas prangert Mohr an: „Es ist nicht in Ordnung, wenn Fachlehrkräfte als Deutsch- und Mathelehrer eingesetzt werden.“ Dafür seien sie schlicht nicht ausgebildet. Ein Sprecher des Kultusministeriums erklärt zwar, dass Fachlehrer gewöhnlich nicht als Klassenlehrer eingesetzt würden, da sie keines der Kernfächer Deutsch, Mathematik oder Fremdsprache als Studienfach mitbrächten, die VBE-Umfrage zeigt indes: Jeder Vierte unterrichtet Deutsch oder Mathe.
Ein baden-württembergischen Phänomen
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert schon lange eine Verbesserung für die Fachlehrer. Das Kultusministerium zählt aktuell 6346. Mit 2700 arbeiten die meisten von ihnen an SBBZ. An Grund-, Haupt- und Werkrealschulen sind es 1600 und an Realschulen rund 1100. Auch an Gemeinschaftsschulen sind sie mit 800 stark vertreten. Dass es so viele sind, ist ein spezielles baden-württembergisches Phänomen, erklärt GEW-Geschäftsführer Matthias Schneider. Auch er kritisiert: „Viele übernehmen Klassenlehrerschaft, verdienen aber deutlich weniger.“ Um den Beförderungsstau abzubauen, müsste das Land entsprechende Stellen schaffen. Schneider schätzt die Kosten dafür auf rund 20 Millionen Euro.
Neben dieser Forderung hat der VBE noch zwei weitere. Fachlehrer sollten generell in der Besoldungsgruppe A 10 starten und spätestens nach drei Jahren in A 11 aufsteigen. Und: Fachlehrer sollten nach 15 Jahren im Dienst einen wissenschaftlichen Aufstiegslehrgang machen können, der weitere berufliche und finanzielle Horizonte eröffnet.
Die Signale aus dem Kultusministerium dürften den Verbänden gefallen. „Unsere Fachlehrer brauchen faire Perspektiven, hier sehe ich durchaus Handlungsbedarf“, erklärt Kultusministerin Eisenmann. „Basierend auf Gesprächen, die ich mit Fachlehrkräften geführt habe, entwickeln wir derzeit für diesen Bereich ein neues Konzept.“ Wie dieses aussieht, lässt sie jedoch offen.