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CDU–Politikerin: Jäger sollen Geld für Waschbär–Felle bekommen

Baden-Württemberg / Lesedauer: 5 min

Putzige Pelztiere oder nimmersatte Räuber? Um Waschbären gibt es Streit. Ein CDU–Politikerin will mehr Tiere erlegen lassen, Baden–Württembergs Tierschutzbeauftragte ist dagegen.
Veröffentlicht:07.08.2023, 18:00

Von:
  • Katja Korf
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Putzige Pelztiere oder nimmersatte Räuber? Waschbären sind beides. Auch deshalb gibt es Streit über den Umgang mit ihnen. Eine CDU–Politikerin will mehr Tiere erlegen lassen, Baden–Württembergs Tierschutzbeauftragte hält das für unnötig.

Wie viele Waschbären in Baden–Württemberg leben, weiß niemand genau. Fachleute gehen bundesweit von 1,5 bis 1,6 Millionen Tieren aus. Anhaltspunkte bietet die Jagdstrecke, also die Zahl der erlegten Tiere. Seit 1997 dürfen die Tiere bejagt werden. In den ersten zehn Jahren blieb die Strecke konstant bei weniger als 100 Tieren pro Saison, seither steigt sie stetig.

Laut Wildtierforschungsstelle des Landes (WFS) töteten Jäger in der Saison 2018/2019 etwa 2550 Waschbären, 2021/2022 waren es rund 5800. Die Jagdstrecke sei in 16 Jahren um 2800 Prozent gestiegen — und ein Ende des exponentiellen Wachstums des Bestands sei nicht absehbar.

Waschbär–Junge dürfen erlegt werden

Die Jagd auf Waschbären ist in Baden–Württemberg von Juli bis Mitte Februar erlaubt. Jungtiere dürfen ganzjährig geschossen werden. Waschbären gelten EU–weit als invasive Art. Ursprünglich kommen die Tiere aus Nordamerika. Zur Pelzproduktion importierte man sie im 20. Jahrhundert.

1960 entdeckte man den ersten Waschbären in Baden–Württemberg in freier Wildbahn. Die Tiere sind extrem anpassungsfähig, nisten in Dachböden oder Garage ein und verursachen zum Teil erhebliche Schäden. In Städten fühlen sie sich wegen des reichhaltigen Angebots an Nahrung und Unterschlupf besonders wohl.

„Waschbären sind eine große Gefahr für die Artenvielfalt“

Die CDU–Landtagsabgeordnete Sarah Schweizer hält die Entwicklung des Waschbären–Bestands für problematisch. „Zum einen übertragen die Tieren Zoonosen wie die Staupe oder den Spulwurm. Damit können sich auch Menschen infizieren. Zum anderen sind Waschbären eine große Gefahr für unsere Artenvielfalt. Ich halte die Studienlage da für sehr klar.“

Sie verweist zum Beispiel auf Daten der Goethe–Universität Frankfurt. „Das Zoonoserisiko, die wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen invasiver Säugetiere sind derzeit nur bedingt abschätzbar, da wissenschaftlich fundierte Daten fehlen“, heißt es dort. Deswegen erheben die Wissenschaftler deutschlandweit Daten — auch, um zu klären, ob der Verdacht zutrifft, „für den Rückgang zahlreicher einheimischer Arten mit verantwortlich zu sein“.

„Ungezielte Bejagung ist wenig sinnvoll“

Die Tierschutzbeauftragte des Landes, Julia Stubenbord, mahnt, vor neuen Maßnahmen gegen den Waschbären solche Forschungsergebnisse abzuwarten. „Meiner Meinung nach ist die ungezielte Bejagung zur Bestandsreduzierung wenig sinnvoll bei der bestehenden weiten Verbreitung. Wir dürfen und werden mit den Waschbären leben müssen“, erklärt die Veterinärin.

Der Waschbär werde für das Artensterben verantwortlich gemacht, statt die „wirklichen Gründe wie intensive Landwirtschaft, Pestizideinsatz und Verlust von Flächen“ zu benennen. „Es gibt keine klare Studienlage, die besagt, dass der Waschbär an der Ausrottung von Amphibien oder Bodenbrütern beteiligt ist.“ Der Nachweis sei jeweils von regionalen Gegebenheiten abhängig und sehr schwierig.

Forschungs–Institut hält Jagd für nicht effizient

Sie verweist auf Untersuchungen des Thünen–Instituts. „Inzwischen hat sich gezeigt, dass bei den meisten bekannten Konfliktfeldern präventive Maßnahmen effizienter sind und häufig ein besseres Kosten–Nutzen–Verhältnis aufweisen als letale Maßnahme“, schreiben die Thünen–Experten. Die Bejagung der Tiere habe deutschlandweit kaum etwas an deren explosionsartiger Vermehrung geändert.

Wirksamer und billiger seien vorbeugende Maßnahmen. Dazu gehört zum Beispiel, Vögel, Amphibien oder Reptilien vor dem Waschbär zu schützen — durch Zäune oder sichere Brutkästen. Die Forscher vom Thünen–Institut führten eine Studie in Mecklenburg–Vorpommern durch. Ihr Fazit: Die Räuber gefährdeten Bestände anderer Tiere nicht. Insgesamt gebe es aber zu wenig belastbare Daten für endgültige Aussagen zum Konflikt zwischen Artenschutz und Waschbär.

Vorschlag: Jäger sollen Geld für Waschbären–Pelze bekommen

Auf Initiative von CDU–Expertin Schweizer soll in einem Modellprojekt im Landkreis Göppingen beobachtet werden, wie hungrig der Waschbär ist und was gegen ihn hilft. Das soll in engem Schulterschluss mit Naturschützern geschehen. Aber auch ein weitere Schritt könnte aus Schweizers Sicht helfen: „Wir brauchen noch mehr Anreize für Jäger, die Waschbären zu erlegen — auch wenn die Jagd nur ein Baustein eines ganzen Maßnahmenbündels darstellt. Solche Anreize könnten etwa eine Fallenförderung oder Unterstützung für die Verwertung sein.“

Man müsse Geld für die Pelze der Tiere zahlen. „Ökologischer als Waschbär– oder Fuchsfell geht es nicht. Statt Fell zu nutzen, was ohnehin anfällt, wird mit veganen Handtaschen geworben, die als Mikroplastik unsere Gewässer verseuchen. Niemand will Missstände, wie man sie von irgendwelchen Pelzfarmen kennt.

Aber vorhandene Ressourcen nicht zu verschwenden, macht doch absolut Sinn.“ Sie hat sich zum Unmut von Tierschützern, etwa von Peta, bereits eine Tasche aus Waschbären–Pelz designen lassen. Ein Einzelstück, noch lohnt sich eine größere Produktion nicht. Unter anderem, weil Pelze in Deutschland nach wie vor ein Imageproblem haben.

„Sich mit einem toten Tier zu schmücken, ist nicht mit modernem Tierschutz vereinbar“

Zurecht, erklärt die Tierschutz–Beauftragte Stubenbord. „Sich mit einem toten Tier zu schmücken, ist nicht mit modernem Tierschutz vereinbar. Bevor Steuergeld als Anreiz für eine höhere Jagdstrecke von Waschbären ausgegeben wird, muss erst einmal die Zahl der Tiere in Baden–Württemberg ermittelt werden.“ Statt zunächst die Lage wissenschaftlich zu untersuchen, werde der Waschbär politisch instrumentalisiert.