Aufregung um Wölfe

CDU fordert Abschuss von Wölfen in Deutschland

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Schon im Frühsommer könnte das erste Wolfsrudel durch den Schwarzwald ziehen. CDU und CSU fordern deshalb drastische Maßnahmen. Sehr zum Missfallen von Naturschützern.
Veröffentlicht:02.02.2023, 05:00
Aktualisiert:01.02.2023, 01:00

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Seit Dienstag ist klar: Schon im Frühsommer könnte das erste Wolfsrudel durch den Südschwarzwald ziehen. Die Jagd- und Agrarpolitiker von CDU und CSU in Ländern, Bund und EU fordern drastische Maßnahmen – unter anderem die Erlaubnis, das bislang streng geschützte Tier jagen zu dürfen.

Nur so könne die Zukunft von Viehzüchtern gesichert werden. Auch artenreiche Regionen wie Wiesen und Weiden etwa im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb sieht die CDU bedroht. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt.

Bereits jetzt leben in Baden-Württemberg drei Wolfsrüden dauerhaft, nun gibt es erstmals den Nachweis eines weiblichen Tieres. Zieht es nicht weiter, dürfte sich bald Nachwuchs einstellen.

Wolf ist international geschützt

Derzeit schützen den Wolf internationale Abkommen sowie das EU-Recht. Er gehört zu jenen Arten, die nicht ohne Ausnahmegenehmigung erlegt werden dürfen, weil nach Auffassung der EU ihr Bestand gefährdet ist. Um das zu ändern, müsste der Bund oder die EU aktiv werden.

Genau das fordern die Unionspolitiker: Sie halten Wölfe in Deutschland nicht mehr für bedroht. Deswegen sei es an der Zeit, den Schutzstatus zu lockern und damit etwa den Abschuss zu erleichtern. Man wolle den Wolf nicht wieder ausrotten, aber seinen Bestand kontrollieren – also auf eine festgelegte Zahl von Tieren begrenzen und den Rest erlegen.

Wenn der Wolf bei diesen hohen Dichten, die wir in Deutschland haben, nicht bejagt wird, verliert er die Scheu vor dem Menschen.

Sarah Schweizer, CDU

Andere Bundesländer beheimaten Dutzende Rudel. 47 und damit bundesweit die meisten streifen laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) durch Brandenburg, in Bayern sind es drei größere Wolfsgruppen. Deutschlandweit registrierte das BfN im Frühsommer 2022 etwa 1100 Tiere im Land, der Bauernverband geht aktuell von bis zu 2200 aus.

Die Zählung ist schwierig, weil Wölfe viel umherziehen. Grundlage der BfN-Zahlen sind Erhebungen der Länder mit Nachweisen etwa durch Genspuren und Kamerafallenbilder.

„Die Folgen können fatal sein“

Wie schnell sich die Tiere ausbreiten, zeigt das Beispiel Niedersachsen. Nach Auftauchen des ersten Rudels 2006 stieg die Zahl bis heute auf 41 Rudel. Jedes davon zählt zwischen fünf und zehn Tiere. In Brandenburg leben laut Unionspapier bereits jetzt mehr Wölfe als im 15-mal größeren Schweden.

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Angesichts der Zahlen fordert Sarah Schweizer, Jagdexpertin der CDU im Südwest-Landtag einen Kurswechsel. Man dürfe nicht eine Art, nämlich den Wolf, über andere Arten wie geschütztes Muffelwild und gegen die Landnutzung etwa durch Viehzüchter ausspielen. „Wenn der Wolf bei diesen hohen Dichten, die wir in Deutschland haben, nicht bejagt wird, verliert er die Scheu vor dem Menschen. Die Folgen können fatal sein“, so Schweizer.

Naturschützer lehnen Abschuss des Wolfs ab

Darauf hatte auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag hingewiesen. Naturschützer betonten immer, dass der Wolf menschenscheu sei. Doch durch fehlenden Jagddruck könne sich sein Verhalten möglicherweise ändern, so Kretschmann.

Forderungen nach einem Abschuss oder der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht sind deplatziert und helfen nicht weiter.

Johannes Enssle, Vorsitzender NABU-Landesverband

Sein Parteifreund Markus Rösler, Naturschutz-Politiker im Landtag, sagt hingegen: „Sollte sich die Wölfin hier niederlassen und sollte es zu einer Paarung kommen, zeigen Erfahrungen außerhalb Baden-Württembergs: Wenn Wölfe fest ansässige Rudel bilden, leben Weidetiere im Regelfall sicherer als in Gegenwart von durchreisenden Einzeltieren.“

So sieht das auch der Chef des Naturschutzbundes Nabu, Johannes Enssle: „Forderungen nach einem Abschuss oder der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht sind deplatziert und helfen nicht weiter. Stattdessen müssen die Weidetierhalterinnen und -halter auch weiterhin bei der Umsetzung des Herdenschutzes unterstützt werden.“ Hier sei Baden-Württemberg vorbildlich.

In 18 Jahren zwei tödliche Attacken auf Menschen

Eine Studie des Norwegischen Instituts für Naturforschung (NINA) zeigte, dass es weltweit immer wieder zu Wolfsattacken auf Menschen kommt, in 78 Prozent der Fälle waren die Tiere mit Tollwut infiziert. Diese ist in Deutschland jedoch nahezu ausgerottet. Laut NINA gab es in 18 Jahren in Europa und Nordamerika 14 von Wölfen angegriffene Menschen, von denen zwei Fälle (beide in Übersee) tödlich waren. Fazit: Attacken seien nicht auszuschließen, in Europa aber unwahrscheinlich.