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Private Krankenversicherung bleibt für Beamte Standard

Baden-Württemberg / Lesedauer: 5 min

Gerecht oder zu teuer? In Baden-Württemberg wird über die Krankenversicherung für Beamte debattiert.
Veröffentlicht:25.09.2023, 18:30

Von:
  • Kara Ballarin
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Seit Jahresbeginn können sich Baden-Württembergs Beamte gesetzlich krankenversichern und bekommen vom Land den Arbeitgeberanteil bezahlt. Denn zu diesem Zeitpunkt hat der Südwesten die pauschale Beihilfe eingeführt. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“ hat bisher eine überschaubare Zahl der Landesdiener diese Option gewählt.

Wer als Beamter im Südwesten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wollte, hatte bislang große Nachteile. Für Angestellten müssen Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags zahlen. Staatsdiener müssen diesen Anteil indes selbst stemmen. Für sie hat das Land nämlich bislang lediglich die individuelle Beihilfe zur privaten Krankenkasse (PKV) übernommen.

Zum 1. Januar ist Baden-Württemberg nun dem Hamburger Modell gefolgt. Der Stadtstaat hat bereits 2018 eine pauschale Beihilfe eingeführt, wodurch das Land also den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung pauschal übernimmt. Dieser Schritt steht aber nicht jedem offen. Die pauschale Beihilfe können nur jene wählen, die neu verbeamtet werden, oder die verbeamtet sind, aber schon freiwillig in der GKV waren.

Beamte warnen vor Mehrkosten

Aktuell haben insgesamt 2115 Beamtinnen und Beamte die pauschale Beihilfe seit deren Einführung gewählt. Das erklärt das Finanzministerium auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. 2098 von diesen seien zuvor freiwillig in der GKV gewesen, 17 seien von der privaten Krankenversicherung gewechselt. Der Anteil der Pensionäre, die diesen Schritt gewählt haben, ist überschaubar. 1696 derjenigen, die nun eine pauschale Beihilfe beziehen, sind laut einem Sprecher von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) noch im aktiven Dienst.

Um die Einführung der pauschalen Beihilfe hatte es heftige Diskussionen gegeben. Der PKV-Verband hatte von einem „politischen Angriff“ gesprochen und erklärt, dass die Wahlfreiheit der Beamten eingeschränkt werde. Sie hätten bereits Wahlfreiheit zwischen den beiden Systemen, könnten aber nicht zurück in die PKV, sobald sie einmal die pauschale Beihilfe gewählt hätten. Der Beamtenbund im Land hatte den Schritt als zu kostspielig abgelehnt. Schließlich rechne das Land mit Mehrkosten allein in diesem Jahr von 11,3 Millionen Euro, die sich bis 2060 auf 133 Millionen Euro pro Jahr summiere. „Wir sprechen hier von 2,8 Milliarden Euro bis 2060“, hatte BBW-Chef Kai Rosenberger kritisiert.

Forderung nach Zuschlägen für Beamte an anderer Stelle

Ob die Mehrkosten von 11,3 Millionen Euro in diesem Jahr tatsächlich anfallen, ist noch unklar. Bei der Kalkulation der Zahlen habe man sich an Hamburg orientiert, erklärt Bayaz’ Sprecher. Die prognostizierten Mehrkosten kommen dann zustande, wenn 2000 bislang freiwillig gesetzlich Versicherten die pauschale Beihilfe wählen ‐ dieser Posten ist übererfüllt. Außerdem müssten 1400 neu eingestellte Beamtinnen und Beamten diese Option wählen ‐ wovon die Zahlen bislang noch sehr weit entfernt sind.

Ich kann jedenfalls in der Einführung der pauschalen Beihilfe keinen Erfolg erkennen

Kai Rosenberger

Beamtenbund-Chef Rosenberger bleibt dabei: „Wir hätten es lieber gesehen, wenn diese Mehrkosten in Form von erhöhten Beihilfesätzen für Familien mit mehreren Kindern investiert worden wären oder aber um die Risikozuschläge für körperlich beeinträchtigte Personen oder chronisch Erkrankte abzusenken oder ganz zu streichen“, sagt er. „Ich kann jedenfalls in der Einführung der pauschalen Beihilfe keinen Erfolg erkennen“, so Rosenberger. „Ungefähr die Hälfte der freiwillig gesetzlich versicherten Beihilfeberechtigten verzichten demnach lieber auf den Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung, als durch einen Wechsel zur pauschalen Beihilfe eine Rückkehr zur Kombination von privater Krankenversicherung und Beihilfe für immer aufzugeben.“ Obwohl sie dadurch ja finanzielle Nachteile haben, erklärt Rosenberger.

Warnung: Regeln könnte gegen Verfassung verstoßen

Da es in der Hälfte der Bundesländer ‐ etwa in Bayern ‐ und beim Bund die pauschale Beihilfe bisher nicht vorgesehen ist, berge ein möglicher Wechsel Nachteile. Spannend sei zu beobachten, wie viele neue Beamtinnen und Beamten sich für dieses Modell entscheiden werden, so Rosenberger. „Meine Prognose ist, dass die ganz deutliche Mehrheit, hier meine ich mindestens drei von vieren, auch weiterhin die seit Jahrzehnten bewährte Variante der privaten Krankenversicherung mit Beihilfeanspruch wählen wird.“ Erneut äußert er verfassungsrechtliche Bedenken.

„Irgendwann wird ein Betroffener, der seine Wahl für die pauschale Beihilfe bereut beziehungsweise rückgängig machen will, gegen das Hamburger Modell klagen. Dann werden wir sehen, wie die Judikative darüber urteilt.“ Sollte das Modell als verfassungswidrig eingestuft werden, müssten die Betroffenen dann doch wieder den Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung mit übernehmen.

Gewerkschaftsbund sieht Schritt zu mehr Gerechtigkeit

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) im Land war der Schritt indes überfällig. „Wir haben uns für die pauschale Beihilfe eingesetzt, weil sie eine Gerechtigkeitslücke schließt“, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Maren Diebel-Ebers. Dass bisher lediglich 2115 Landesdiener diese Option gewählt haben, erklärt sie zum einen damit, dass die Diskussion um die Einführung der pauschalen Beihilfe ideologisch aufgeladen diskutiert worden sei. Zum anderen müsse das Modell noch bekannter werden.

Diebel-Ebers verweist auf die Erfahrungen Hamburgs. Bis zur Hälfte der Beamtinnen und Beamten aus den unteren Besoldungsgruppen entschieden sich dort inzwischen für die pauschale Beihilfe. „Insofern erwarten wir, dass die pauschale Beihilfe auch in Baden-Württemberg noch deutlich an Zuspruch gewinnen wird.“ Diese bringe schließlich eine nennenswerte finanzielle Entlastung besonders für jene, die freiwillig in der GKV sind, die bei der Verbeamtung schon älter sind, die mehrere Kinder haben, oder schwerbehindert sind. „Ein Vorteil der gesetzlichen Krankenversicherung ist eindeutig, dass keine Gesundheitsprüfung anfällt“, so Diebel-Ebers.