Hopfenernte
Ausgetrocknet: Hopfenernte in Gefahr?
Baden-Württemberg / Lesedauer: 6 min

Wenn es um Hitze und Trockenheit geht, reihen sich seit Wochen Hiobsbotschaften aneinander. Eine davon betrifft ausgerechnet jenes Getränk, das die Deutschen gerne zur Abkühlung einsetzen: das Bier. Im Vergleich zum Vorjahr dürfte nämlich die Hopfenernte nach jüngsten Schätzungen um bis zu 20Prozent geringer ausfallen. „Tendenz weiter fallend“, sagt Jürgen Weishaupt. Er ist Geschäftsführer des Hopfenpflanzerverbands Tettnang und betrachtet nachdenklich die hochgewachsenen Stauden bei einem Weiler am nördlichen Zipfel des weltweit bekannten Anbaugebiets.
Im nahen Bodensee dürften sich die Wasserratten über die drei rekordverdächtigen Hitzewellen seit Anfang Juli gefreut haben. Hopfen mag solche Temperaturen jedoch nicht. Sie behindern die Ausbildung der Dolden. Auf sie kommt es aber beim Bier an. Andere Hopfenregionen wie etwa die bayerische Hallertau können den Verlust nicht ausgleichen. „Dort“, fährt Weishaupt fort, „steht es teilweise noch schlechter.“ Weshalb der Hopfen teurer werden könnte – und damit auch das Bier. Eine von vielen möglichen Folgen der als Wüstenklima gefühlten Hitzewellen. Auch die nun fürs Wochenende angesagten Regenfälle werden eventuell nur eine Art Tropfen auf den heißen Stein sein.
Manchenorts mag das herbeigesehnte Nass punktuell helfen. So haben Gewitterschauer am Abend des vergangenen Sonntags bei den Tettnanger Hopfenbauern für eine Aufhellung der besorgten Stimmung gesorgt. Neben der geringeren Ernte stand nämlich im Raum, dass bei weiterer totaler Trockenheit die Dolden verdorren und nur noch Strohhopfen bleibt. Landwirtschaftsexperten gehen aber inzwischen von einem bis zu viertägigen Regenbedarf aus – am besten Schnürlesregen, weil er den Boden gut durchfeuchtet. Hier liegt ein Schlüsselproblem.
Folgen des Klimawandels
Der Deutsche Wetterdienst attestiert diversen Landstrichen einen trockenen Boden wie seit 50 Jahren nicht mehr. Folge des Klimawandels und seiner steigenden Zahl von Wetterextremen. Die obersten 60 Zentimeter des Bodens würden manchenorts laut Wetterdienst fast keine Feuchtigkeit mehr enthalten. Es dauert, bis sich dies ändert – zumal es mit dem angekündigten Regen laut Wetterbericht rasch wieder vorbei sein soll. Die große Hitze bleibt dann zwar erst einmal weg, weitere Niederschläge aber ebenso.
Kein Wunder, dass speziell in der Landwirtschaft die Ängste bei vielen augenscheinlich sind. Zwar konnte jemand, der Weizen gepflanzt hat, seine Ernte noch einigermaßen rechtzeitig vor dem Höhepunkt der Hitzewellen einholen. Kirschen sind auch nicht das Problem. Soweit es weniger gibt, liegt dies eher an Frostschäden während der Blüte. Ansonsten sind sie längst gepflückt, gegessen oder für Schnaps ins Fass eingeschlagen. Äpfel könnten dagegen unter Sonnenbrand leiden und kleiner als sonst ausfallen, berichten Obstbauern. Wirklich übel scheint es aber beim Mais zu sein.
„Er ist unser großes Sorgenkind“, meint Ariane Amstutz, Sprecherin des baden-württembergischen Landesbauernverbands. Ähnlich wie beim Hopfen stören Hitze und Trockenheit die Fruchtbildung. Zudem kann die gesamte Pflanze beim Wachstum stark zurückbleiben. Eine Gefahr für die Finanzen zahlreicher Höfe, seit der Maisanbau wegen der lukrativen Biogas-Förderung stark zugenommen hat. Wobei das Problem regional unterschiedlich auftritt.
Die Krisenzonen liegen eher nördlich der Schwäbischen Alb. Im Prinzip reicht es für die Recherche schon, wenn man von Stuttgart aus dem geplagten württembergischen Nationalfluss Neckar Richtung Heilbronn folgt. Als braune Brühe schleppt sich das Wasser bei niedrigem Pegelstand stromabwärts. Sinkt er weiter, dürfen die Schiffe demnächst nur noch mit geringer Ladung fahren. Oder gar nicht mehr. Traditionell rechnet das Wasserwirtschaftsamt im Jahreslauf für Ende August, Anfang September mit niedrigen Pegelständen. Dass sie jedoch bereits jetzt Richtung unterer Grenze gehen, verheißt nichts Gutes. Bei Neckarwestheim kurz vor Heilbronn blickt das Stuttgarter Umweltministerium argwöhnisch auf das dortige Atomkraftwerk. Es erhält Kühlwasser aus dem Neckar – aber nur solange genug Wasser da ist. Im Zweifelsfall muss die Leistung des Reaktors reduziert werden – wie bereits im bisherigen Hitzerekord-Sommer 2003.
Auf den Höhen entlang des Neckartals sind indes schon Maishäcksler am Werk, eigentlich vier bis sechs Wochen zu früh. „Aber sonst verdorrt er uns total“, klagt ein Landwirt, der seinen Hof in dieser Region hat. Raiffeisen-Genossenschaften rechnen mit einem Ertragsrückgang von 40 bis 50 Prozent. Wiesen sind dort seit Wochen trocken wie Zunder. Mancher, der einen altbekannten Bach aufsuchen wollte, fand ihn nicht mehr: ausgetrocknet. In den Wäldern hätte eine unachtsam weggeworfene glimmende Zigarette zur Katastrophe führen können. Bisher ist es jedoch bei einzelnen kleinen Feuern geblieben, die von der Feuerwehr schnell gelöscht wurden.
Dass es südlich der Schwäbischen Alb mit der Trockenheit etwas besser aussieht, hat mit dem Wetter im Mai und Juni zu tun. Während nördliche Landesteile bereits dürsteten, fiel zwischen Donau, dem Bodensee und den Alpen noch ausreichend Regen. Das obere Allgäu bietet nach wie vor grünes Gras für seine Kühe. Stand im Supersommer 2003 zur Diskussion, dass einzelne Hochweiden wegen Wassermangels geräumt werden müssten, scheint dies gegenwärtig kein Thema zu sein. Für Aufregung hat diese Woche im Oberallgäu aber die Behördenankündigung gesorgt, eventuell den als Badesee beliebten Rottachspeicher ein Stück weit abzulassen. Über Rottach und Iller könnte so die notleidende Donau mit Wasser versorgt werden. Im örtlichen Tourismusgewerbe war der Aufschrei groß. Es sah bereits die Badegäste auf dem Trockenen sitzen. Die Entscheidung wurde vertagt.
Mehr als 20 Badetote
Am Bodensee durften die Gäste indes durch 26 Grad warmes Oberflächenwasser schwimmen. „Super, Karibik-Feeling“, hieß es von Einheimischen im Wasserburger Strandbad. Wobei dort die Schwimminsel ungewöhnlicherweise auch für Nichtschwimmer locker erreichbar war. Weiter als bis zum Schulterbereich ging das Wasser nicht. Womit automatisch die Frage im Raum stand, ob Passagierschiffe noch ihre Landungsstege anlaufen können. Zumindest am Obersee sei dies der Fall, verlautbarte die Bodensee-Schifffahrt gelassen. Angespannt ist dagegen die Stimmung bei Rettungsschwimmern und Wasserschutzpolizei. Der Grund: Heuer sind schon über 20 Menschen im Bodensee durch Badeunfälle gestorben – zweimal soviel wie im vergangenen Jahr. Christoph Mandalka, Leiter der Wasserschutzpolizei Friedrichshafen, wurde hierzu folgendermaßen zitiert: Die Verunglückten seien überwiegend älter und gesundheitlich schon angeschlagen gewesen. Solche Menschen würden von der Hitze besonders geplagt. Ihr Organismus käme dann im kühleren Wasser schnell an seine Grenzen.
Eisenbahnschienen verbogen
Aber auch generell ist es so, dass Hitzewellen die Sterblichkeit bei geschwächten Menschen erhöhen. Eine Studie des Deutschen Wetterdienstes geht bei Herzkranken von bis zu 15 Prozent mehr Toten aus. Für den bereits erwähnten Hitzesommer 2003 haben Forscher allein für Deutschland rund 7000 Opfer registriert. Auch der wirtschaftliche Schaden war immens. Er lag bei 1,6Milliarden Euro. Immer wieder findet sich der Schaden auch dort, wo man ihn in einem für Qualitätsprodukte bekannten Land eher nicht vermutet. Im Fränkischen bei Rothenburg ob der Tauber haben sich Eisenbahnschienen verbogen. Ein anderes Beispiel sind die berüchtigten Fahrbahnsprengungen auf Autobahnen, als Blow-ups bekannt. Deshalb verzögert sich bei großer Hitze die Fahrt auf der A 7 zwischen Ulm und Feuchtwangen nicht nur wegen vieler Baustellen, sondern ebenso durch temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen. Sie sollen Unfälle verhindern, wenn ein Auto über einen Blow-up schanzt. Verschiedene Abschnitte der A7 gelten als besonders gefährdet, weil einst beim Bau an der Dicke der Betonplatten gespart wurde.
Was sagte kürzlich auf der dortigen Raststätte Lonetal ein Autofahrer dazu? „Das ist ja wohl ein Witz.“ Leider ist es aber Ernst.