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Erneuerbare Energien

Altdorfer Wald: Verwirrung um Hubschrauber und Windräder

Ravensburg/Allgäu / Lesedauer: 5 min

Immer wieder gibt es Theater um den geplanten Windpark Zuletzt hatten Übungsrouten der Bundeswehr das Projekt beinahe kippen lassen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Veröffentlicht:03.02.2023, 05:00

Von:
  • Katja Korf
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Briefe zwischen Ministerinnen, Vorwürfe an die Bundeswehr, wochenlange Verwirrung: die Planung des größten Windparks in Baden-Württemberg geriet ins Stocken.

Übungsrouten der Bundeswehr verhinderten aus Sicht des Landesumweltministeriums möglicherweise den Bau der über 40 Windräder im Altdorfer Wald (Kreis Ravensburg). Nun scheint das Problem gelöst – warum aber dauert das so lange?

Warum überhaupt Windräder im Wald?

Die Flächen, um die es geht, gehören dem Land beziehungsweise dessen Tochter ForstBW und dem Fürstlichen Haus Waldburg-Wolfegg-Waldsee. Weil es nicht leicht ist, ausreichend geeignete Plätze für große Windparks zu finden, lenkte die CDU nach einer längeren Debatte mit den Grünen ein.

Die Vorgaben für den Bau von Windrädern im Wald wurden gelockert. Denn bislang hinkt Baden-Württemberg beim Windkraft-Ausbau bundesweit hinterher. Das soll sich nun unter anderem durch die Freigabe geeigneter Gebiete im Staatswald ändern. Insgesamt sind aktuell rund 4000 Hektar dafür vorgesehen.

Wo liegt das Problem im Altdorfer Wald?

Im Herbst 2022 wendete sich Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) in einem Brief an die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Bundeswehr habe ihre Übungsrouten für Hubschrauber des Geschwaders 64 in Laupheim verändert, ohne das Land in Kenntnis zu setzen. Diese gefährdeten den Bau des Windparks im Altdorfer Wald. In einem je 1,5 Kilometer breiten Korridor links und rechts der Routen dürfen aus Sicherheitsgründen keine Windräder stehen.

Und das Problem betreffe nicht nur das eine Projekt, sondern gefährde den Ausbau der Windkraft im ganzen Land, elf Prozent der Landesflächen seien von den möglichen Bauverboten wegen Flugrouten betroffen.

Die Bundeswehr wies die Darstellung Walkers damals zurück: Man habe gar nichts von dem konkreten Vorhaben gewusst. Die Flugrouten sei auch nicht neu, sondern nur reaktiviert worden. Bis zu einem Vor-Ort-Termin Mitte Januar war damit unklar, ob die Planung durch diese behindert werden würde. Danach gab die Bundeswehr, die bei dem Treffen dabei war, jedoch grünes Licht.

Was passiert vor der Genehmigung eines Windparks im Staatswald?

Zunächst prüft die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) anhand fester Kriterien, welche Flächen im Staatswald wie gut geeignet sind. Dabei spielen etwa bekannte Vorkommen geschützter Arten eine Rolle, Nähe zu Wohnbebauung oder anderes.

ForstBW kontrolliert laut eines Sprechers selbst auch noch einmal, ob Hindernisse vorhanden sein könnten – auch, was Zuwege angeht oder Naturschutz-Gebiete. Man hole auch erste Informationen von Kommunen und Landratsämtern ein. Dann beginnt die Ausschreibung, am Ende erhält ein Investor den Zuschlag – der sogenannte Vorhabenträger.



Im Altdorfer Wald sind das die Stadtwerke Ulm. Die exakten Standorte der Windräder entscheiden sich erst zu diesem Zeitpunkt. Danach geht es ans letztlich entscheidende Genehmigungsverfahren. Das führt das Landratsamt vor Ort durch, es werden Gutachten eingeholt und Beteiligte gehört.

Was passierte im Fall des Altdorfer Walds?

Dazu geben die beteiligten unterschiedliche Auskünfte. ForstBW prüfte wie oben geschildert mit der LUBW. Bei der Bundeswehr ist das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr in Bonn (BAIUDBw) zuständig für solche Anfragen.

Im Zeitraum von 2017 bis 2021 sei die Bundeswehr an rund 2500 Windenergieanlagen-Projekten beteiligt gewesen. Im Jahr 2022 habe man in 95 Prozent der Beteiligungsfälle den Windenergieprojekten zugestimmt. „Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Bundeswehr aktiv an der Energiewende mitwirkt und den Ausbau erneuerbarer Energien ermöglicht, soweit dies aus militärischer Sicht möglich ist“, so ein Sprecher.

Die entsprechenden Karten mit Übungsrouten seien aus Sicherheitsgründen geheim, man würden aber auf Anfragen zu konkreten Projekten antworten. Es gebe dazu sogar ein Formular im Netz.

Von den Plänen im Altdorfer Wald habe man erst aus der Presse im Herbst 2022 erfahren. Die erste offizielle Kontaktaufnahme sei am 24. November 2022 durch den Landkreis Ravensburg aus erfolgt – in Vorbereitung des Vor-Ort-Termins im Januar 2023.

Warum also gab es keine offiziellen Anfrage an die Bundeswehr?

Ein ForstBW-Sprecher teilt dazu mit: „Es wurde gar nicht angefragt, da aus allen bisherigen Erfahrungen dies zu keinem Ergebnis geführt hätte, da die Bundeswehr auf allgemeine Anfragen nicht konkret antwortete. Bisher konnten erst die Projektierer diese Anfrage stellen, unter Angabe der konkreten Windkraft-Standorte. Diese sind ForstBW ja zum Zeitpunkt der Angebotseinholung nicht bekannt.“

Die Antworten auf Voranfragen dauerten außerdem erfahrungsgemäß sehr lange, so das Umweltministerium. Diese Zeit habe man nicht, angesichts der drängenden Probleme bei der Energiewende. 2021, zum Zeitpunkt der Ausschreibung, habe man sich noch auf Bundeswehr-Informationen von 2014 verlassen, von den Änderungen der Übungsrouten habe man erst 2022 durch Hinweise erfahren und dann bei der Bundeswehr um Freigabe gebeten.



Diese hat die Karte nach eigene Angaben im April 2022 ans Land übermittelt. Dabei sei dann aufgefallen, dass sich die betroffenen Flächen von fünf auf elf Prozent mehr als verdoppelt hätten. Um darauf hinzuweisen, habe die Ministerin die Briefe nach Berlin geschrieben. Im November antwortete Verteidigungsministerin Lambrecht, sie lasse die Angelegenheit prüfen. Darauf, so BAIUDBw, habe man auch in Vorbereitung auf den Vor-Ort-Termin Mitte Januar mit der Prüfung begonnen.

Wie geht es weiter?

Im Altdorfer Wald beginnt nach dem OK der Bundeswehr jetzt das offizielle Genehmigungsverfahren mit der Einholung diverser Gutachten, etwa zum Artenschutz. Allerdings könnten die Flugrouten weiter ein Hindernis darstellen, und zwar bei anderen geplanten Windparks.

So teilt die Bundeswehr explizit mit, ihre Freigabe im konkreten Fall bedeute kein generelles OK für den ganzen Altdorfer Wald – in dem weitere Windanlagen entstehen sollen, etwa im Röschenwald südlich von Aulendorf.