Lecker!
Älperschokolade und Beaufort-Käse: Das sind die Delikatessen der Alpen
Region / Lesedauer: 6 min

- Robin Halle
Dies ist eine Geschichte, bei der Sie Hunger bekommen sollen. Sie lesen von Älperschokolade aus dem Bregenzerwald. Süßwassersardinen aus dem Comer See. Buchweizenhonig aus Obstplantagen. Beaufort-Käse aus Albertville. Dies ist auch eine Geschichte, bei der man lernen kann.
Wie brät man Weißfisch im Alpenraum? Woher stammen Sulmtaler Hühner? Was ist Kubebenpfeffer? Wo grast die Bergziege „Capra griga“ mit ihrer leckeren Milch? Gib’s noch Bodenseekaviar? Es geht um schmackhafte, traditionelle und regionale Delikatessraritäten. Es geht um das kulinarische Erbe der Alpen.
Der Schweizer Foodscout, Autor und Ernährungsforscher Dominik Flammer beantwortet all diese und andere Fragen in seinem gleichnamigen Bestseller. Flammer kommt am 9. November auf Einladung der Bodenseetourismus GmbH nach Tettnang, um 140 Bauern und Gastronomen zusammenzubringen.
Unter dem Titel „Produzentenarena“ will Flammer die hiesigen Bauern ermutigen, raffinierte Nischen im Obst- und Gemüseanbau und bei der Viehzucht zu besetzen, damit Leckereien in den hiesigen Gaststätten (noch) leckerer werden.
„Es wäre wünschenswert, wenn auch in Baden-Württemberg ein Murnau-Werdenfelser-Rind mit seinem schmackhaften Fleisch und intermuskulärem Fett auf die Teller kommt und nicht nur in Bayern“, sagt Flammer im Gespräch mit Schwäbische.de.
Leckereien aus dem Alpenraum
Bleiben wir beim wässrigen Mund. Flammer schwärmt unter anderem vom Buchweizenhonig, den der Imker Johannes Gruber in Österreich herstellt. Er gewinnt den Honig der Bienen in Weinlandschaften und Gebirgswäldern, insbesondere im Frühherbst.
Thema Käse: „Bitto storico“ gehöre laut Flammer zu den ältesten Labkäsen in Mitteleuropa. Die Familie Manni melkt 35 Milchkühe und 50 Ziegen zweimal täglich per Hand, käst täglich und lässt den Käse fünf bis zehn Jahre im Keller der Bitto-Käserei reifen.
Dominik FlammerGeschmack überwindet jede Grenze und bleibt in Erinnerung wie der erste Kuss.
Laut Flammer gehören die aus Rohmich gefertigten Beaufort-Käse von Robert Perret, die er auf seiner Alp hoch über Albertwill produziert, in Frankreich zur absoluten Spitzenklasse. In geringen Mengen seien sie beim französischen Käsehändler Hervé Mons erhältlich.
„Geschmack überwindet jede Grenze und bleibt in Erinnerung wie der erste Kuss“, sagt Flammer ‐ und er stellt lächelnd die Frage: „Beißen Sie lieber in ein Stück Alpenkäse oder in ein mit Wachs ummanteltes Käslein vom Fließband?“
Welche Traditionen es bei der Produktion gibt
Der Weinbauer und Hühnerzüchter Anton Koschak sei im österreichischen Heimschuh berühmt für seine Sulmtaler Hühner. Sie werden idealerweise zu einer Eierspeise serviert und mit steierischen Kürbiskernöl gewürzt.
„Ein unglaublich schmackhaftes Produkt“, so Flammer. Ebenfalls schmackhaft sind laut Flammer auch Appenzeller Spitzhauben. Die alte Hühnerrasse, früher nur Spitzhauben genannt, sollen seit dem 15. Jahrhundert in den Klöstern des Alpenraums gezüchtet worden sein. Heute sind sie in der ganzen Schweiz angesiedelt.
Das Fleisch der Murnau-Werdenfelser-Rinder werde heute fast ausschließlich am Münchner Viktualienmarkt angeboten. „Pschorr-Wirt Jürgen Lochbihler züchtet die urbayrischen Rinder auf seinem Hof im oberbayrischen Warngau. „Es ist Fleisch auf dem weltweit bekannten Kobe-Rind-Niveau“, schwärmt Flammer.
Der Mut zur Nische
Das Murnau-Werdenfelser-Rind gehört zu den Beispielen, die Flammer bei der „Produktarena“ in Tettnang anspricht. Anwesend sind unter anderem Gastronomen der Restaurants Tettnanger Krone, Speiserei (Friedrichshafen) und Mangold (Lochau), die ihr Angebot um raffinierte Spezialitäten aus dem Alpenraum erweitern möchten.
Das Problem dabei: Viele landwirtschaftliche Betriebe haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf Massenproduktion eingestellt, nicht auf Nischenprodukte. Flammer hält dagegen: „Wer einfach Standortwurst aus Schweinefleisch produziert, kann mit den Großen nicht mithalten. Unsere Bauern sollten den Mut fassen, Nischen zu besetzen. Die Nischen sind in der Gastronomie ein riesiger Markt.“
Zu den Nischen zählt Flammer auch den Obstanbau im Alpenraum. Apfelsorten wie Ananasrenette, Bohnapfel oder Bornsdorfer Renette würden in der Region prächtig gedeihen. Stark nachgefragt würden auch Wurzelgemüse wie Yaconwurzeln und Kerbelrüben. Eine Produzentin spricht in Tettnang über Lupinen ‐ eine Pflanzengattung in der Unterfamilie der Schmetterlingsblütler, aus denen sie Flocken macht und Lupinenkaffee herstellt.
Ein Musterbeispiel für regionale, nachhaltige und nachgefragte Produkte sei der Betrieb der Familie Bentele in Tettnang. Er ist bundesweit bekannt für den Tettnanger Aromahopfen, dem Hauptzusatz bei der Gerstensaftherstellung. Der Hopfen sei auch deshalb so schmackhaft, weil er nach Bio-Standards hergestellt wird.
Bodenseekaviar ist beliebt
Wichtig ist Flammer, dass alle Produzenten wissen sollten, wie sich die Bodenbeschaffung in den vergangenen Jahrtausenden entwickelt hat. Während der kleinen Eiszeit habe der Getreideanbau rund um München den Weinbau verdrängt, weil Getreide kälteresistenter sei als Trauben. Deshalb habe sich die bayerische Hauptstadt zur Biermetropole entwickelt.
Zurück zu den Spezialitäten im Alpenraum: Wolfgang Ribi ist einer der letzten Gangfisch-Fischer auf dem Bodensee. Er seit laut Flammer berühmt für seinen Bodenseekaviar. Bevor das Fangen von Felchen verboten wurde, kamen bei Ribi in den Wintermonaten einige Hundert Weibchen in den Rauch. Als Delikatesse gilt vor allem ihr Roggen, auch Bodenseekavier genannt, den man nach dem Räuchern mit gebutterten Toastbrot genießt.
Dominik FlammerWenn man sie zerhackt und brät, schmelzen die Gräten.
Flammer sagt: „Das Thema Felchen ist wegen der Schonzeiten sehr heikel. Inzwischen haben Weißfische wie Rotaugen, Rotfedern, Brassen oder Schleien das Felchen ersetzt.“ Flammer rät, die Weißfische als Knusperli, Backfisch oder Fischburger zu veredeln. „Wenn man sie zerhackt und brät, schmelzen die Gräten.“
Und noch ein Fisch-Tipp, der aus Erfahrungen der Kulinarik im Alpenraum resultiert. Flammer: „Wenn die Süßwasserfische der voralpinen Seen gebraten werden, hat die Butter meist Vorrang. In Österreich und der Schweiz verwendet kaum jemand pflanzliches Öl.“ Süßwassersardellen aus dem Comersee werden getrocknet genossen, ähnlich wie Maifische in Deutschland.
Vorgänger der Maultasche?
Älplerschokolade wird im österreichischen Vorarlberg aus der Molke hergestellt, die nach dem Käsen übrig bleibt. Das Leckere daran: Wenn der Molkenzucker karamellisiert, wird er mit Sahne und Butter vermischt. Das Bonbon „Gsig“ aus Älplerschockolade gehöre zu den seltensten und eigentümlichsten Delikatessen im Alpenraums. Zunächst schmecke es süßlich, bevor es in eine leichte Säure übergeht und dann einen salzigen Abgang preisgibt.
Genießen kann man das Produkt auch als „Gsig-Parfit“ oder „Gsig-Mousse“. Kubebenpfeffer wird zwar nicht im Alpenraum angebaut, findet sich aber in vielen Delikatesshändlern. Der Pfeffer erinnert geschmacklich an Piment. Die „Capra griga“ oder graue Bergziege stammt aus Graubünden und Tessin.
Eine klassische Zweinutzungsziege. Sie eignet sich für die Muttergeißhaltung und als Milchziege. Dank der Bemühungen der Schweizer Organisation Pro Specie Rara haben sich die Bestände etwas erholt.
„Herrgotts-Bescheißerle“ sind den meisten Schwaben bekannt – ein anderes Wort für Maultaschen, das früher verwendet wurde, um Fleisch in der Fastenzeit „zu verstecken“. Weniger bekannt ist, dass die Tradition auf das Gericht „Laubfrösche“ zurückgeht. So wurden Krautrouladen im Alpenraum genannt, in denen sich gehacktes Rindfleisch hinter Mangold oder Spinat verbarg
Eine kulinarische Tradition, die später von Basel nach Baden-Württemberg überschwappte. Das kulinarische Erbe der Alpen.