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Protest

Wangener Apotheken machen am Mittwoch dicht

Wangen / Lesedauer: 3 min

Alle fünf Apotheken bleiben am Protesttag geschlossen. Die Betreiber fahren zur Demo nach Stuttgart. Weshalb sie das machen und wo ein Notdienst zu finden ist.
Veröffentlicht:20.11.2023, 07:00

Von:
  • Ingrid Kraft-Bounin
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Wer am kommenden Mittwoch Medikamente braucht, steht zumindest in Wangen vor verschlossenen Apothekentüren. Denn alle fünf Apotheken in der Stadt bleiben aus Protest zu. Sie beteiligen sich am landesweiten Protesttag und fahren zur Kundgebung nach Stuttgart. Dazu hat der Landesapothekerverband in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal aufgerufen. Er bemängelt eine Unterfinanzierung, zu viel Bürokratie und Personalmangel und will dagegen auf die Straße gehen. Deshalb fahren die Wangener Apotheker zur Demo.

Apotheker kämpfen mit Kostensteigerungen

Pirmin Burth, Inhaber der Staufen-Apotheke und der Apotheke im Gesundheitszentrum, fährt gemeinsam mit Kollegen und einigen seiner Angestellten in die Landeshauptstadt zur Demo. „Seit über zehn Jahren sind unsere Honorare nicht erhöht worden“, beginnt er seine Aufzählung. Ein auskömmliches Wirtschaften sei da kaum mehr möglich. „Und dabei kämpfen wir mit Kostensteigerungen an allen Ecken und Enden“, ergänzt seine Kollegin Jenny Hsieh-Ehrhardt von der Rochus-Apotheke.

Höhere Energiekosten, Tariferhöhungen bei den Beschäftigten und immer höhere Preise für Medikamente schlagen bei den Apothekern stark zu Buche.

Diese Preissteigerungen können und wollen wir nicht eins zu eins an die Patienten weitergeben,

betont Burth.

 Und: Kein Mensch könne die heutigen Kosten mit einem „Gehalt“ von vor zehn Jahren bestreiten, argumentiert der Landesapothekerverband in seinem Aufruf zum Protest.

Mangel an Medikamenten führt zu Mehraufwand

Zum unzureichenden Salär kommen massive Lieferengpässe bei Medikamenten hinzu, die zusätzlichen bürokratischen Aufwand auslösen. „Die Liste der Medikamente, die häufig nicht zu bekommen sind, ist eher noch länger geworden als während der Corona-Pandemie“, berichtet der Besitzer der Staufen-Apotheke. Das bedeutet, wenn ein verschriebenes Medikament nicht verfügbar ist, beginnt in der Apotheke die mitunter langwierige Suche nach Alternativen und eine wiederholte Abstimmung mit dem verschreibenden Arzt.

„Und dann wird es noch spannend, ob wir von der Krankenkasse überhaupt eine Erstattung für das Medikament oder ein medizinisches Hilfsmittel, das wir ausgeben, bekommen“. Retaxation heißt das im Bürokratendeutsch und bedeutet, dass die Krankenkasse eine Erstattung verweigert. „Wir verlieren dann die gesamte Vergütung“, so Burth.

Kritik an neuer gesetzlicher Regelung

Ein wenig reibt man sich angesichts solcher Vorgänge die Augen, trat doch im Sommer das sogenannte Lieferengpass-Gesetz ‐ korrekt: das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) ‐ in Kraft, das auch zur Retaxation Regelungen enthält. Doch Apotheker und Krankenkassen legen dieses Gesetz zum Teil unterschiedlich aus. Insgesamt meint Pirmin Burth ist das Gesetz eine „Mogelpackung“. „Da muss nachgebessert werden beziehungsweise es muss gegenüber den Krankenkassen umgesetzt werden“, findet Burth.

Auch der Personalmangel in den Apotheken trägt nach Ansicht von Pirmin Burth und seinen Wangener Kollegen zur Gefährdung einer verlässlichen flächendeckenden pharmazeutischen Versorgung bei. „In den letzten Jahren hat bereits ein regelrechtes Apotheken-Sterben eingesetzt und das wird noch schlimmer“, bemerkt Burth. So haben etwa in Leutkirch und Kißlegg Apotheken dicht gemacht, weil kein Nachfolger zu finden war.

Bürokratie macht auch Personalsuche kompliziert

„Auch beim Personal gibt es eine überbordende Bürokratie, die dringend abgebaut werden muss“, weist Jenny Hsieh-Ehrhardt auf ein weiteres Problem hin. Sie habe, so erzählt sie, eine Ukrainerin eingestellt und dafür einen Behördenmarathon hinter sich. „Allein auf eine Antwort aus dem Regierungspräsidium habe ich über sechs Monate gewartet“.

Der Protest am kommenden Mittwoch richtet sich nicht allein an die Regierung, von der man endlich mehr Unterstützung fordert, sondern auch an die gesetzlichen Krankenkassen. „Sie sollten mehr mit uns gemeinsam für ihre Versicherten arbeiten, denn schließlich geht es um deren Gesundheit“, findet Hsieh-Ehrhardt.

Notdienst hat eine Apotheke in Leutkirch

Patienten werden Mittwoch, 22. November, von der Elisabethen-Apotheke in Leutkirch durch einen Notdienst versorgt.