Stand der Dinge
Justizministerin befürwortet Neubau des Wangener Amtsgerichts
Wangen / Lesedauer: 6 min

Bernd Treffler
Bekommt Wangen ein neues Amtsgericht? Der in einer Machbarkeitsstudie vorgeschlagene Neubau auf dem benachbarten Parkplatz Im Niederdorf war auch Thema bei der jüngsten Stippvisite von Marion Gentges. Die Landesjustizministerin sprach sich dabei ebenfalls für ein solches Projekt aus — das dazu aber noch einige behördliche Hürden überwinden müsste. Das ist der Stand der Dinge.
Am Sonntagabend hatte Marion Gentges noch beim Festakt im Neuen Schloss Kißlegg zum Gedenken an die Zusammenkunft des Parlamentarischen Rats vor 75 Jahren gesprochen. Die weite Heimfahrt ins Badische ersparte sich die Justizministerin jedoch, nächtigte im Dürrener Farny–Hotel, um dann am Montagvormittag vor der Rückreise Richtung Stuttgart dem Wangener Amtsgericht einen Besuch abzustatten. Erwartet wurde sie im Verhandlungsraum von knapp 20 Beschäftigten, die gespannt waren, was ihre oberste Chefin zu den aktuellen und womöglich auch künftigen Baumaßnahmen sagen würde.
Aktuelle Maßnahmen für mehr Sicherheit, Barrierefreiheit und eine zeitgemäße Technik
Schon seit einigen Monaten wird das rund 185 Jahre alte Gebäude an der Lindauer Straße modernisiert und sicherheitstechnisch aufgerüstet. Nach dem Einbau neuer Türen ist der öffentliche Bereich mittlerweile von den Diensträumen im Gericht getrennt. Zudem gibt es an der rückseitigen Außenmauer zwei neue Eingänge — für die Prozessparteien und als Zugang von außen zur Toilette. Beide Türen sind momentan nur über eine provisorische Holztreppe und -rampe zu erreichen, die vorgesehene Stahlkonstruktion soll noch dieses Jahr kommen. Neben dem künftigen Eingangsbereich wird auch der Wachtmeister sein neues Büro beziehen.

Trotz der aktuellen Maßnahmen für mehr Sicherheit, Barrierefreiheit, besseren Brandschutz und eine zeitgemäße Technik bleibt ein Problem am Wangener Amtsgericht drängend: die Platznot. So wird das Gericht bis auf Weiteres auf zwei Standorte verteilt bleiben. Im Hauptgebäude mit der Zivil–, Straf– und Familienabteilung an der Lindauer Straße und im Betreuungs– und Nachlassgericht in der angemieteten Außenstelle an der Poststraße. „Zwei Standorte sind extrem ineffektiv“, sagte der hiesige CDU–Landtagsabgeordnete Raimund Haser, der die Stippvisite seiner Parteikollegin in Wangen initiiert hatte und für den der weiterhin bestehende, gemeinsame Wartebereich für Kontrahenten vor Gericht seit längerem eine „ungute Situation“ darstellt.
Stellungnahme der Justiz pro Neubau ans Finanzressort
Abhilfe könnte hier eine Machbarkeitsstudie des zuständigen Amts Vermögen und Bau in Ravensburg schaffen. Um die unbefriedigende Raumsituation zu beseitigen, wird darin ein Neubau auf dem dahinter liegenden Parkplatz (P8, Im Niederdorf) favorisiert. Die Studie mit einer entsprechenden Empfehlung liegt bereits seit einigen Monaten bei den zuständigen Ministerien in Stuttgart. Von Seiten des Justizressorts gab Marion Gentges am Wangener Amtsgericht hierfür grünes Licht: „Wir präferieren einen Neubau an der vorgeschlagenen Stelle“, so die Ministerin. Dies sei so auch schon dem Finanzministerium in einer Stellungnahme mitgeteilt worden.
Raimund Haser empfahl, das Gebiet als Ganzes zu sehen, und kann sich in diesem Bereich links und rechts der Lindauer Straße künftig eine Art „Behördenviertel“ vorstellen: ein Ensemble mit Landratsamt, Finanzamt, Landwirtschaftlichem Zentrum für Milchwirtschaft, Polizei und eben einem neuen Amtsgericht. Das bestehende Gerichtsgebäude könne — wie es die Machbarkeitsstudie auch empfiehlt — dann künftig unter anderem von der Polizei genutzt werden. „Wir sollten uns die Studie zu Herzen nehmen“, so Haser. Und sprach darüber hinaus von einem „schönen Projekt für die Justiz in der Region“.
Auf die Priorisierung kommt es an
Ob es in absehbarer Zeit so weit kommt, hängt maßgeblich ab von den Gesprächen der zuständigen Ministerien in diesem Herbst über die Finanzierung anstehender Bauprojekte. Je höher ein Wangener Gerichtsneubau dabei priorisiert wird, desto höher stehen die Chancen auf eine baldige Berücksichtigung in einem Landeshaushalt. Nachdem die Gerichtsgebäude in Leutkirch und Bad Waldsee in den vergangenen Jahren saniert wurden und sich mögliche Maßnahmen bei Gericht oder Staatsanwaltschaft in Ravensburg zumindest verzögerten, stünden die Chancen, dass Wangen heuer hoch eingestuft wird, gar nicht mal so schlecht, sagt Thomas Pehle. „Für unser Amt jedenfalls hat ein Wangener Neubau im Justizressort mittlerweile Prio eins „, so der Abteilungsleiter Hochbau.

Das Ravensburger Amt sei jedoch nur eines von 13 im Land mit baulichen Wünschen und man wisse nie, wie viel Landesgeld für solche Projekte überhaupt da ist. Frühestens, sagt Pehle, könnte ein Wangener Gerichtsneubau in einem Haushalt für 2026 auftauchen. Dann müsste das Ravensburger Amt Vermögen und Bau jedoch spätestens Anfang 2024 einen Planungsauftrag aus Stuttgart erhalten, damit die entsprechenden Unterlagen bis Ende kommenden Jahres erst bei der Landesbehörde und bis zum Frühjahr 2025 bei den Ministerien seien. In diesem Fall hält er einen Baubeginn frühestens in 2027 für realistisch.
Etwa 70 Parkplätze würden wegfallen
Ein Planungsauftrag für einen Neubau auf dem P8 hätte auch zur Folge, dass rund 70 öffentliche Parkplätze im Innenstadtbereich wegfallen — die sich im Landesbesitz befindliche Parkfläche hat die Stadt angemietet. OB Michael Lang, der seine Unterstützung für einen Gerichtsneubau an dieser Stelle zusagte, kann sich deshalb vorstellen, den wegfallenden Parkraum Im Niederdorf mit einem neuen Parkdeck beim Allgäustadion zu kompensieren. Die Idee ist nicht neu, wurde jedoch von der Verwaltung in der Vergangenheit vor allem aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt.
Käme ein neues Amtsgericht am P8, könnte das Land außerdem das Bischof–Sproll–Haus zum Verkauf ausschreiben. Das Grundstück mit dem maroden und schadstoffbelasteten Gebäude, in dem früher die Autobahnverwaltung untergebracht war, stellt laut Machbarkeitsstudie eine Variante für ein neues Amtsgericht dar. Das Interesse der Stadt an einem möglichen Erwerb des Areals über ein Vorkaufsrecht hält sich jedoch in Grenzen. „Wir brauchen es für uns nicht“, so OB Lang. „Wir wollen aber, dass an dieser Stelle etwas Gescheites entsteht.“
Lindauer Vorstadt soll gestärkt werden
Hintergrund ist hier der sogenannte „Masterplan“ für die Lindauer Straße. Dahinter steckt eine städtebauliche Konzeption für die Lindauer Vorstadt, die nach der Landesgartenschau erarbeitet werden und mit der dieser Bereich der Kernstadt aufgewertet und gestärkt werden soll. Laut den Fürsprechern könnte hierzu auch ein sogenanntes Behördenviertel mit einem neuen Amtsgericht beitragen.
Das ist aber noch Zukunftsmusik. Und so ging es beim Besuch der Ministerin nicht nur um aktuelle und künftige bauliche Veränderungen, sondern auch um Themen wie Digitalisierung, Erfahrungen mit der seit vergangenem Herbst eingeführten elektronischen Akte und die Tatsache, dass laut Katrin Fischer–Dankworth zwei Personen täglich bis zu anderthalb Stunden damit befasst seien, handschriftliche Unterlagen einzuscannen. „Ein Haus für die Zukunft“, wünscht sich deshalb die Direktorin des Wangener Amtsgerichts, um den Anforderungen an eine moderne Gerichtsarbeit gerecht zu werden. Eine Sanierung samt Anbau — laut Studie eine weitere Variante — könnte dies nur schwerlich leisten.